Algorithmische Verbesserungen in der Radiointerferometrie

1. Januar 2021

Radioteleskope vermessen den Himmel auf sehr indirekte Weise. Radiobilder des Himmels müssen durch aufwändige algorithmische Verfahren errechnet werden. Wissenschaftler am MPI für Astrophysik haben für diese Rechenschritte eine Reihe von signifikanten Verbesserungen entwickelt, die die Sehschärfe der Teleskope deutlich erhöhen.

Ein optisches Teleskop liefert eine direkte Abbildung der Helligkeitsverteilung eines astronomischen Objektes am Himmel - also ein Bild im herkömmlichen Sinn, das man direkt für weitere Analysen verwenden kann. In der Radio-Interferometrie (also der hochaufgelösten Beobachtung des Himmels bei Radiofrequenzen) ist die Situation komplizierter: hier erhält man nicht die Helligkeit des Himmels an einem bestimmten Ort, sondern vielmehr Messwerte, wie stark und wie schnell die Helligkeit in verschiedenen Raumrichtungen variiert.

Es wäre nun relativ einfach, aus dieser Information ein Bild zu konstruieren, wenn die Messungen auf einem regelmäßigen Gitter lägen. Dies ist aber konstruktionsbedingt nicht möglich, und realistische Verteilungen der Messpunkte haben oft eigenartige Muster und auch Lücken (siehe Abb. 3). Weitere Komplikationen entstehen, wenn die einzelnen Antennen des Radioteleskops nicht exakt in einer Ebene angeordnet sind und/oder wenn der beobachtete Himmelsausschnitt so groß ist, dass man ihn nicht mehr durch eine ebene Fläche annähern kann. In dieser Situation müssen bei der Umwandlung der Datenpunkte in den Bildraum weitere Korrekturterme berücksichtigt werden, was den Rechenaufwand noch weiter erhöht.

Dieser Arbeitsschritt wird als „gridding“ bezeichnet und die bisher in der Praxis eingesetzten Implementierungen sind zum Teil relativ ungenau. (Teilweise haben sich hier Näherungen und Vereinfachungen aus der Frühzeit der Radiointerferometrie erhalten, die aufgrund der damals langsameren Computer gemacht werden mussten). Andere Implementierungen sind zwar genauer, aber oft nicht schnell genug, um die riesigen Datenmengen aktueller und geplanter Radioteleskope in angemessener Zeit zu verarbeiten.

Wissenschaftler am MPA haben nun neue Algorithmen kombiniert – sowohl aus der Radioastronomie als auch aus anderen Bereichen – und so eine neue Implementierung des Gridding-Rechenschritts erhalten, der genauere Ergebnisse liefert als die meisten bisherigen Methoden und gleichzeitig deutlich weniger Computer-Ressourcen benötigt.

Gridding ist aber nur einer der notwendigen Teilschritte, um aus einer interferometrischen Beobachtung ein realistisches Bild zu erzeugen. Um das Rauschen der Messwerte zu unterdrücken und den Einfluss der Richtcharakteristik der Antennen herauszurechnen, werden aufwändige iterative Verfahren angewandt. Traditionell spielen hier verschiedene Varianten des sogenannten CLEAN-Algorithmus eine dominante Rolle. Dieser Ansatz ist vergleichsweise schnell, liefert allerdings keine Fehlerabschätzung für das berechnete Ergebnis. Im Gegensatz zu CLEAN-basierten Methoden bestimmen die MPA-Wissenschaftler (wenn auch mit deutlich höherem Rechenaufwand) physikalisch motivierte Resultate inklusive Fehlerbalken mit Hilfe von Informationsfeldtheorie und Bayesscher Statistik.

Ein Vergleich der beiden Methoden ist in Abb. 4 gezeigt. Die beobachtete astrophysikalische Quelle ist die Radiogalaxie Cygnus A. Sie besitzt ein aktives Galaxienzentrum mit einen extrem massereichen schwarzen Loch (mehr als eine Milliarde Sonnenmassen) in ihrem Zentrum. Aus dem Zentrum werden zwei Jets ausgestoßen, die im Radiobereich strahlen. Dort, wo diese auf das intergalaktische Medium treffen, werden sie reflektiert und leuchten stark auf. Die Rückflüsse füllen große Volumina mit radioleuchtendem Gas auf, welche Radio-Interferometer wie das VLA kartographieren können.

Das mit dem neuen Algorithmus rekonstruierte Bild zeigt eine deutlich höhere Auflösung in den hellen Regionen im Bild, da für helle Quellen das Signal-Rausch-Verhältnis vorteilhafter ist. Gleichzeitig treten in dunkleren Bereichen keine Strukturen auf, die vermutlich durch die Bildrekonstruktion mit CLEAN entstanden sind und keinen physikalischen Ursprung haben.

In der Radioastronomie eröffnen die vorgestellten Methoden im Wesentlichen zwei neue Möglichkeiten: zum einen lassen sich bestehende Datensätze neu auswerten und aus den verbesserten Bildern neue Erkenntnisse gewinnen. Für zukünftige Beobachtungen ist es denkbar, durch die verbesserte Bildgebung die gleiche Beobachtungsqualität in einer kürzeren Zeit zu erreichen. Dadurch werden mehr Beobachtungen pro Zeit möglich.

Ähnliche Bildgebungsverfahren wie in der Radio-Interferometrie werden auch im medizinischen Bereich, vor allem bei der Magnetoresonanztomographie (MRT), verwendet. Es ist deshalb vorstellbar, dass sich die gewonnenen Erkenntnisse auch in anderen Disziplinen einsetzen lassen.

Zusatzinformation:

Die beiden letzten Bilder aus Abb. 4 können hier noch einzeln vergrößert werden.

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