Die Nachbarschaft unserer Milchstraße in 3D

1. Dezember 2023

Bisher waren hochaufgelöste 3D-Karten der Milchstraße auf die unmittelbare Umgebung der Sonne beschränkt. Forschenden vom Max-Planck-Institut für Astrophysik ist es in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Harvard, dem Space Telescope Science Institute und der Universität Toronto nun gelungen eine hochaufgelöste 3D-Karte der Milchstraße bis zu einer Entfernung von mehr als 4.000 Lichtjahren zu erstellen. Die neue Karte wird für eine Vielzahl von Anwendungen von der Sternentstehung bis zur kosmologischen Vordergrundkorrektur von großem Nutzen sein.

Wenn wir an die Milchstraße denken, haben wir oft 2D-Bilder des Nachthimmels vor Augen oder künstlerische Darstellungen, wie die Milchstraße von außerhalb unserer Galaxie aussehen könnte. Mit Gaia startete eine neue Ära der Erforschung unserer Milchstraße: unsere bisherige 2D-Ansicht der Milchstraße wandelt sich zu einem 3D-Bild, reich an Informationen zur Physik. In den letzten Jahren haben wir begonnen, die Verteilung der Materie in der unmittelbaren Umgebung der Sonne bis zu einer Entfernung von etwa 1.000 Lichtjahren in allen 3 Dimensionen zu kartographieren. Dank dieser Karten waren wir in der Lage, die Sternentstehung um die Sonne in 3D zu untersuchen, machten zahlreiche Entdeckungen über die Form, Masse und Dichte von nahen Molekülwolken und erfuhren, wie das Feedback von Supernova-Explosionen den Raum um die Sonne geformt hat.

Im Mittelpunkt der 3D-Karten der Materie in der Milchstraße steht interstellarer Staub. Dieser zeichnet die Verteilung der Materie genau nach, kühlt Gas so ab, dass sich Sterne bilden können, verdichtet sich zu Planeten und verdunkelt astrophysikalische Beobachtungen. Diese Verdunkelung ermöglicht es uns, die Staubmenge zwischen uns auf der Erde und dem astrophysikalischen Objekt, das wir im Hintergrund beobachten wollen – oft Sterne – zu quantifizieren. Anhand dieser Information können wir auf die 3D-Verteilung des Staubs schließen und so indirekt die Verteilung der Materie in der Galaxie nachvollziehen. Hierfür kombinieren wir Millionen von Messungen der Staubmenge vor Hintergrundobjekten mit Entfernungsschätzungen zu diesen Objekten aus Gaia.

Die Ableitung der Staubverteilung in der Milchstraße aus Entfernungen und Staubmessungen ist ein rechen-intensives, statistisches inverses Problem. Das Problem ist unterbestimmt: Mit unseren begrenzten Daten und unserem Vorwissen über Staub ist es nicht möglich, eine eindeutige Antwort zur wahren Verteilung des Staubs zu erhalten. Die Sprache der Statistik erlaubt es uns jedoch, unsere verrauschten Daten mit einem Staubmodell auf der Basis der physikalischen Gegebenheiten in eine 3D-Staubkarte mit streng quantifizierten Unsicherheiten zu übersetzen. Bislang jedoch setzten die Rechenkosten für 3D-Staubmodelle eine Grenze für die Größe des untersuchten Volumens.

Jüngste Fortschritte in unserem physikalischen Staubmodell ermöglichten es uns, viel größere Entfernungen zu untersuchen. Wir entwickelten eine neue statistische Methode, um räumlich glatte Strukturen in großen Volumina zu modellieren – eine notwendige Komponente von Staubkarten. Das Herzstück der neuen Methode ist ein Algorithmus, der iterativ immer feinere Details zu einer groben Darstellung von 3D-Staub hinzufügt. Das iterative Hinzufügen von Details, anstatt alles auf einmal zu modellieren, vereinfacht das Modellierungsproblem drastisch und macht es um Größenordnungen schneller.

Wir kombinierten die neuen methodischen Entwicklungen mit den neuesten Gaia-Daten, um die bisher größte hochaufgelöste Karte des interstellaren Staubs zu erstellen. Die neue 3D-Staubkarte erstreckt sich über 4.077 Lichtjahre in alle Richtungen von der Sonne mit einer Auflösung von wenigen Lichtjahren. Die so erstellte 3D-Karte wird für die Untersuchung des Mediums zwischen den Sternen in der Milchstraße von großem Nutzen sein. Das Verständnis der Struktur des interstellaren Mediums wird uns helfen, die wichtigsten Beziehungen für die Sternentstehung einzugrenzen. Darüber hinaus wird die 3D-Staubkarte wichtig für die Korrektur astrophysikalischer Beobachtungen sein. Bei vielen Beobachtungen ist das interstellare Medium vor dem zu beobachtenden Objekt störend. Die neue 3D-Staubkarte wird es ermöglichen, diese Messungen für das Vordergrundmaterial in einem viel größeren Volumen zu korrigieren als bisherige Karten.

 

Die Verteilung von Staub in einem Umkreis von 4.077 Lichtjahren um die Sonne rotierend um die galaktische z-Achse. Die rote Linie zeigt die galaktische x-Achse zum galaktischen Zentrum, die grüne Linie die galaktische y-Achse und die blaue Linie die galaktische z-Achse.

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