Bildgebung der nächsten Generation

Abb. 1 Wahrscheinlichkeitsmodell des Himmels und seiner Beobachtung mit einem Radioteleskop. Die Pfeile stellen stochastische Beeinflussungen dar, die sich letztendlich den Daten aufprägen. Bei der Rekonstruktion des Himmelssignales aus den Daten mit Hilfe von NIFTy5 müssen diese Zusammenhänge rückwärts betrachtet werden, um von den beobachteten Wirkungen auf deren Ursachen zu schließen.
Eine große Zahl von astronomischen Teleskopen tastet den Himmel täglich bei unterschiedlichsten Wellenlängen ab, vom Radio-, über den optischen bis hin zu dem Gammastrahlen-Bereich. Die Bilder, die diese Teleskope liefern, sind meist das Ergebnis komplexer Rechenvorschriften, die für das jeweilige Teleskop entwickelt wurden. Doch all diese verschiedenen Teleskope beobachten denselben Kosmos, nur teilweise in unterschiedlichen Facetten. Daher liegt es nahe, die Bildgebung all dieser Instrumente zu vereinheitlichen. Dies spart nicht nur viel Arbeit in der Entwicklung verschiedener Bildgebungsalgorithmen, es macht auch Ergebnisse verschiedener Teleskope vergleichbarer, erlaubt Messdaten aus unterschiedlichen Quellen in gemeinsame Bilder zu kombinieren und lässt Fortschritte in der Softwareentwicklung direkt einer größeren Zahl von Instrumenten zugutekommen.
Diesem Ziel eines einheitlichen Bildgebungsalgorithmus ist die Forschungsgruppe zur Informationsfeldtheorie am Max-Planck-Institut für Astrophysik durch die Entwicklung und Publikation der NIFTy5-Software einen großen Schritt näher gekommen. Forschungsgegenstand dieser Gruppe, die Informationsfeldtheorie, ist die mathematische Theorie von Bildgebungsverfahren. Dabei nutzt die Informationsfeldtheorie Methoden der Quantenfeldtheorie zur optimalen Rekonstruktion von Bildern. Die letzte Weiterentwicklung, NIFTy5, automatisiert nun einen großen Teil der nötigen mathematischen Operationen.

Abb. 2 Mittels NIFTy5 aus Daten des Gaia-Satelliten rekonstruierte galaktische Staubverteilung rund um die Sonne. Die Abbildung zeigt (in logarithmischer Farbskala) mit der bisher höchsten erreichten räumlichen Auflösung die Staubmenge in der galaktischen Ebene in einem Gebiet mit zweitausend Lichtjahren Kantenlänge. Die dunkel dargestellte Region ist die lokale Superblase, ein durch Sternenexplosionen von Staub freigeräumter Bereich, in dem sich die Sonne befindet.
Zunächst muss der Nutzer Wahrscheinlichkeitsmodelle des Bildsignals (siehe Abb. 1) und der Messung programmieren. Dabei kann er sich auf eine Reihe von vorgefertigten Bausteinen stützen, die oft nur zusammengesteckt oder leicht modifiziert werden müssen. Diese Bausteine umfassen Modelle für typische Signale, wie Punktquellen oder diffuse Strahlungsquellen, oder auch für typische Messsituationen, die sich bezüglich der Statistik des Rauschens oder der Instrumentenantwort auf das Himmelssignal unterscheiden können. Aus einem solchen Vorwärtsmodell der Messung erstellt NIFTy5 einen Algorithmus zur Rückberechnung des ursprünglichen Signals, welches dann das errechnete Bild ergibt. Da die Quellsignale aber nie eindeutig bestimmbar sind, liefert der Algorithmus auch eine Quantifizierung der verbleibenden Unsicherheiten. Dies geschieht durch das Bereitstellen eines Satzes von plausiblen Bildern. An den Stellen, an denen diese sich stark unterschieden, bestehen größere Unsicherheiten.
NIFTy5 wurde bereits für eine Reihe von Bildgebungsproblemen genutzt, deren Ergebnisse zeitgleich publiziert wurden. Diese umfassen die dreidimensionale Rekonstruktion galaktischer Staubwolken in der Nähe des Sonnensystems (siehe Abb. 2, eine Animation finden Sie hier), sowie ein Verfahren, um die Dynamik von Feldern nur anhand ihrer Beobachtung zu bestimmen (siehe Abb. 3).

Abb. 3 Bestimmung dynamischer Felder und ihrer unbekannten dynamischen Gesetze mittels NIFTy5.
Oben: Raumzeitdiagramm eines Feldes, in dem sich Wellen aufgrund von zufälligen Anregungen ausbreiten. Die Zeit verläuft von links nach rechts und der Ort vertikal. Die Anregungen sind sichtbar als Dreiecksstrukturen, wobei sich die Anregung jeweils an der Spitze des Dreieckes befindet und sich von dort ausbreitet.
Mitte: Messwerte für das obige Feld an wenigen, diskreten Orten.
Unten: Rekonstruktion des Feldes nur aus diesen Messdaten, ohne vorherige Kenntnis seiner Dynamik. Auch diese wurde aus den Daten rekonstruiert. Alle wesentlichen Strukturen können so tatsächlich gefunden werden, im Detail macht sich das Datenrauschen bemerkbar.
Wie die bisherigen Anwendungsbeispiele zeigen, erlaubt NIFTy5 es nicht nur, neue, komplexe Bildgebungsmethoden wesentlich bequemer zu generieren, unter der Haube dieses Softwarepakets befinden sich zudem eine Reihe von algorithmischen Neuerungen. So wurde beispielsweise die „Variationale Inferenz mittels metrischem Gauß“ (MGVI, für Metric Gaussian Variational Inference) speziell für NIFTy5 entwickelt, lässt sich aber auch für andere Methoden des maschinellen Lernens nutzen. Dieser Algorithmus ist in NIFTy5 so implementiert, dass er im Gegensatz zu herkömmlichen wahrscheinlichkeitstheoretischen Methoden ohne die explizite Speicherung von sogenannten Kovarianzmatrizen auskommt. Dadurch wächst der Speicherbedarf nur linear mit der Problemgröße und nicht quadratisch, sodass auch Gigapixel-Bilder problemlos errechnet werden können.