Strahlenbiologie, Radioastronomie und kosmische Strahlung mittels Informationsfeldtheorie

6. Juni 2023

Was haben Strahlenbiologie, Radioastronomie und die Vermessung kosmischer Strahlung gemeinsam? Zum einen treten bei allem Strahlung auf. Zum anderen werden all diese Felder mittels Großforschungsanlagen erforscht und benötigen intelligente Algorithmen, um die dabei vorkommenden Größen zu veranschaulichen. Um diese Bildgebung interdisziplinär voranzubringen, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) jetzt das Projekt “Informationsfeldtheorie für Experimente an Großforschungsanlagen”. Beteiligt sind sieben deutsche Universitäten, das Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) und die von ehemaligen Studenten des MPA gegründete Erium GmbH.

Die Messwerte von Großforschungsanlagen, wie Radioteleskopen oder Teilchendetektoren für kosmische Strahlung, sind einer menschlichen Interpretation oder gar nur dem Auge nicht direkt zugänglich. Oft müssen diese Daten erst mit aufwändigen Rechenverfahren in Bilder übersetzt werden, die dann von Menschen interpretiert werden können. Für die einzelnen Geräte wurden diese Verfahren bisher individuell entwickelt. Doch die zugrundeliegende Fragestellung ist eigentlich dieselbe, nämlich „Wie sah die gemessene Größe ursprünglich aus?“ Die Messprinzipien der jeweiligen Instrumente und die Eigenschaften der damit gemessenen Größen unterscheiden sich zwar in der Praxis erheblich, von einem theoretischen Standpunkt aus gesehen sind diese Unterschiede allerdings nur mathematische Details.

Zur Vereinheitlichung solcher Bildgebungsverfahren hat die Arbeitsgruppe von PD Dr. Torsten Enßlin am MPA die Informationsfeldtheorie (IFT) für räumlich variierende Größen entwickelt. Die Theorie beschreibt, wie aus Messdaten und unserem physikalisches Vorwissen ein genaues Abbild dieser Felder erzeugt werden kann. Die IFT liefert also mögliche Bilder dieser Größen sowie gleichzeitig Angaben über die verbleibenden Unsicherheiten der so rekonstruierten Felder.

Ursprünglich wurde die Informationsfeldtheorie für astrophysikalische Messungen entwickelt. Sie ist aber so generell, dass sie für jegliche Messung Feld-artiger Größen genutzt werden kann. Innerhalb des Rahmenprogramms ‚Erforschung von Universum und Materie‘ (ErUM) wird nun das Projekt ‚Informationsfeldtheorie für Experimente an Großforschungsanlagen‘ (ErUM-IFT) gefördert. Dabei sollen exemplarisch Probleme bei der Bildgebung für einige Großforschungsanlagen gelöst werden. An der Universität Bielefeld, der Universität Hamburg und der Technischen Universität München werden IFT-basierte Algorithmen für die Radioastronomie und deren Visualisierung entwickelt; an der RWTH Aachen University, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und dem Karlsruhe Institute of Technology werden IFT-Methoden zur Detektion und Analyse von Radiopulsen durch kosmische Strahlung eingesetzt. Zusätzlich werden an der Universität der Bundeswehr München IFT-basierte Methoden zur dreidimensionalen Bildgebung biologischer Proben entwickelt. Am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching werden grundlegende IFT Verfahren entwickelt die in den Anwendungen benötigt werden.

Die im Rahmen des Projektes ErUM-IFT untersuchten Phänomene haben dabei sehr unterschiedliche Längenskalen (siehe Abbildung) lassen sich aber trotzdem mit der gleichen Methodik analysieren. Die einzelnen, dabei entstehenden Anwendungen werden nicht nur zwischen den Unterprojekten und anderen ErUM-Projekten ausgetauscht, sondern auch als Open-Source Software der Allgemeinheit frei zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig wird die Erium GmbH deren industrielles Potential ausloten.

Der Sprecher des Verbundes, PD Dr. Torsten Enßlin, erklärt „Die dabei entwickelten Methodiken zur informationsfeldtheoretischen Bildgebung sollten sich auch auf andere Bereiche übertragen lassen. Die Anforderungen an Verfahren beispielsweise in der medizinischen Bildgebung oder Geophysik haben viele Ähnlichkeiten zu denen in Radiointerferometrie und Mikroskopie. Die Anwendung der Informationsfeldtheorie ist daher nicht nur auf Großforschungsanlagen beschränkt, sondern fließt bereits jetzt in diese Gebiete ein.

 

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht