Subgalaktische Astrophysik

Die Physik von Sternen in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien, von der Entstehung bis zur gewaltsamen Zerstörung und der Bildung ultrakompakter Überreste, stellt ein sehr breites Gebiet der Astrophysik dar. Ein besseres Verständnis der Sternentwicklung ist von entscheidender Wichtigkeit für viele andere Bereiche der astrophysikalischen Forschung, weil Sterne dazu dienen, Informationen über nahe und ferne Regionen des Universums zu sammeln. Um die Struktur, Entwicklung und das Endstadium von Sternen zu erfassen, benötigt die Theorie ein sehr breites Spektrum von Physik, u.a. Thermodynamik, Fluiddynamik, Kern- und Atomphysik, Teilchenphysik und die Allgemeine Relativitätstheorie. Am MPA arbeiten wir an einer Vielzahl von Fragen und behandeln die astrophysikalischen Probleme fast ausschließlich mit numerischen Methoden und komplizierten Computerberechnungen. Die Komplexität vieler relevanter Probleme erfordert dabei den Einsatz von Höchstleistungsrechnern an der technologischen Spitze. Derzeit kann die Forschung zu stellaren Objekten am MPA grob in folgende Bereiche eingeteilt werden: Entwicklung von Einzelsternen, Doppelsternsystemen und Akkretionsscheiben, Supernovaexplosionen und kompakte Überreste.

Struktur und Entwicklung von Einzelsternen

Das Fundament der stellaren Physik ist die hydrostatische Evolution von Einzelsternen. Wir erforschen dies mit einem hochentwickelten numerischen Programm (genannt GARSTEC, "Garching Stellar Evolution Code"), das in den 1960er Jahren entwickelt und seitdem kontinuierlich verbessert und aktualisiert wurde. Dieses Programm erlaubt die Berechnung der Struktur und Entwicklung von Sternen beliebiger Masse und chemischer Zusammensetzung. Gleichzeitig ist es aber auch für genaueste Berechnungen des Sonneninneren und für Zwecke der Astroseismologie geeignet. Der Hauptschwerpunkt der Arbeiten am MPA liegt auf der Struktur und der Entwicklung von massearmen Sternen und von Sternen mittlerer Masse. Erstere befinden sich im galaktischen Halo und in Kugelsternhaufen und zeugen von der chemischen Entwicklung der Milchstraße, die letzteren sind ein wichtiger Ort für die Entstehung der chemischen Elemente.

Während das genannte Programm traditionell hydrostatisch und eindimensional ist, erforschen wir auch wichtige Aspekte der Sternstruktur, die einen dynamischen Ansatz erfordern, mit zwei- und dreidimensionalen hydrodynamischen Programmen. Dazu gehören die Kernkonvektion in massereichen und entwickelten Sternen, Konvektion in den Hüllen der Sonne und von roten Riesen, nukleare Ausbrüche, und die Rotation von Sternen. Das Ziel ist es, grundliegende Eigenschaften solcher Effekte zu ermitteln und sie auf eine realistische Weise in das eindimensionale Programm einzuarbeiten, welches immer noch der einzige Weg ist, das komplette Leben eines Sterns zu verfolgen [more].

Doppelsterne und Akkretionsscheiben

In Doppelsternen zeigen Struktur und Entwicklung von Sternen Besonderheiten. Wenn zwei Sterne so nahe sind, dass sie sich gegenseitig durch ihre Anziehungskräfte, ihre Strahlung oder das Überfliessen von Materie beeinflussen, ergeben sich interessante, beobachtbare Phänomene. Solche Wechselwirkungen führen letztendlich zu einem Doppelstern mit einem kompakten Primärstern, einem weißen Zwerg wie in kataklysmischen Variablen und AM Herculis Sternen und Novae, oder zu einem Neutronenstern oder einem schwarzen Loch wie den Röntgendoppelsternen. Der 'living' Katalog von Ritter und Kolb (stets auf dem neuesten Stand der Beobachtungen) führt die Daten für kataklysmische Variable, massearme Röntgendoppelsterne und verwandte Objekte auf, jetzt bereits über 2000 Objekte mit bekannten oder vermuteten Umlaufzeiten.

Wichtig für die kurz- und langfristige Entwicklung von Doppelsternen sind die Akkretionsscheiben, die sich durch den hohen Drehimpuls der vom Begleitstern überfließenden Materie um den kompakten Stern bilden. Die sog. thermal-viscous instability solcher Akkretionsscheiben verursacht zyklische Variationen in der Helligkeit, insbesonders die Ausbrüche der kataklysmischen Variablen und der Röntgendoppelsterne. Da die Physik der Akkretionsprozesse für Sterne und supermassereiche schwarze Löcher dieselbe ist, ist die Forschung dieser Vorgänge auch für aktive galaktische Kerne relevant, wobei die kataklysmischen Variablen als Labor dienen [more].

Beobachtungsorientierte Modelle von Sternexplosionen

Das Ende im Lebenszyklus eines Sterns ist oft gekennzeichnet von kataklysmischen Vorgängen: mächtige Explosionen, die den sterbenden Stern zerreißen und alles oder das meiste seiner Materie ausstoßen. Wegen der enormen Energiefreisetzung, die mit diesen Explosionen einhergeht, können sie vorrübergehend so hell werden wie ihre Heimatgalaxie, so dass wir sie aus weiten Entfernungen beobachten können.

Wir versuchen, die Eigenschaften dieser transienten Erscheinungen zu verstehen und nähern uns dazu dem Problem von zwei Seiten: Einerseits charakterisieren wir die beobachteten Eigenschaften und die Vielfalt der Supernovaarten durch den Einsatz fortschrittlicher statistischer Werkzeuge, um dadurch Einschränkungen für unsere theoretischen Explosionsmodelle abzuleiten. Andererseits verfolgen wir einen grundlegenden Ansatz bei der theoretischen Modellierung, indem wir berechnete Explosionsmodelle mithilfe von Strahlungstransport- und Strahlungshydrodynamikrechnungen mit beobachtbaren Phänomenen in Zusammenhang bringen.

Momentan liegt unser Hauptaugenmerk auf thermonuklearen (Typ Ia) Supernovae und wasserstoffreichen Gravitationskollaps-Supernovae (Typ II-P). Beide Typen werden zur kosmologischen Entfernungsbestimmung eingesetzt, um die zeitliche Entwicklung der beschleunigten Expansion unseres Universums zu erforschen. Unsere Untersuchungen helfen, die systematischen Unsicherheiten, die solchen Messungen anhaften, zu reduzieren.

Zur Redakteursansicht