Das primordiale Magnetfeld in unserer kosmischen Nachbarschaft
1. April 2018

Der Urknall birgt noch viele Rätsel. Kosmologen versuchen auf vielen Wegen Informationen über die ersten Momente unseres Universums zu erhalten. Eine Möglichkeit dazu bieten kosmische Magnetfelder, die beim Urknall erzeugt wurden und bis heute im Universum überlebt haben sollen. Neben einer Reihe von höchst spekulativen Mechanismen, die für die sogenannte Magnetogenese vorgeschlagen wurden, gibt es einen einfachen plasmaphysikalischen Effekt, den Harrison-Effekt, der bereits bei der Geburt des Kosmos Magnetfelder produziert haben muss. Bei diesem Effekt erzeugen Wirbelbewegungen im Plasma des frühen Universums durch Reibung an dem sehr starken Strahlungsfeld elektrische Ströme, wodurch Magnetfelder induziert werden. Wenn man also die damaligen Plasmawirbel kennen würde, könnte man berechnen, wie diese Magnetfelder im Detail erzeugt wurden. Wüsste man zudem, wie sich das Plasma seitdem bewegt hat, könnte man auch berechnen, wie diese Magnetfelder heute aussehen sollten.

Illustration 2: Himmelskarte der Magnetfeldstärke der Teile des Feldes die auf den Kugelschalen liegen, wieder gemittelt über ungefähr 300 Millionen Lichtjahre. Die Schlieren zeigen die Richtung des Feldes an.
Die dafür notwendige Information ist in der Verteilung der Galaxien um uns herum enthalten, da diese aus der Materiebewegung seit dem frühen Universum resultiert. Da wir die Gesetze, die zur Galaxienbildung führen, kennen, ist es möglich – mit etwas Unsicherheit – aus der heutigen Galaxienverteilung die Evolution der Materieverteilung seit dem frühen Universum bis heute nachzuvollziehen. Die nötige Information ist damit gegeben, um die durch den Harrison-Effekt erzeugten Magnetfelder im heutigen Universum vorhersagen zu können (Highlight 12/2009: Kartographie des Universums jenseits des Bekannten).
Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Leitung des MPA berechnete genau nach dieser Logik die heutigen Überbleibsel der primordialen Magnetfelder in unserer kosmischen Nachbarschaft, den umliegenden 300 Millionen Lichtjahren.

Diese Magnetfelder sind extrem schwach, siebenundzwanzig Größenordnungen kleiner als das Erdmagnetfeld (siehe Illustrationen). Trotzdem konnten sehr genaue Vorhersagen für die Struktur des Magnetfeldes aus dem Blickwinkel der Erde (Illustration 1 und 2) und an bekannten Orten im Universum (Illustration 3) gemacht werden, diese sind aber leider weit unter der heutigen Messschwelle. Nichtsdestotrotz zeigen diese Rechnungen, wie genau wir unseren Kosmos schon verstehen und äußerst subtile Effekte in diesem berechnen können. Und wer weiß, wie präzise die Meßtechnik für Magnetfelder in 100 Jahren sein wird – Einstein glaubte auch, dass die von ihm vorhersagten Gravitationswellen zu schwach für eine Beobachtung wären...