Zu wenig Sternentstehung in Zwerggalaxien

1. Juni 2016
Zwerggalaxien bilden im Vergleich zu Spiralgalaxien wie unserer Milchstraße nur sehr ineffizient neue Sterne. Um den Ursprung dieses Mangels an Sternentstehung zu untersuchen, führten Wissenschaftler am MPA hochauflösende numerische Simulationen durch, um die Entwicklung des interstellaren Mediums (ISM) in Zwerggalaxien nachzuvollziehen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Supernova-Explosionen einen erheblichen Einfluss auf die Struktur des ISM haben und die Sternentstehungsrate der gesamten Galaxie regeln. Das Gas-Reservoir für die Entstehung neuer Sterne auf Skalen vergleichbar mit den Molekülwolken in unserer Milchstraße besteht hauptsächlich aus kaltem atomaren Wasserstoff anstelle von molekularem Wasserstoff. Diese Erkenntnisse könnten auch Licht in die Geburtsprozesse der meisten anderen Galaxien bringen. Im Rahmen des aktuellen Paradigmas der hierarchischen Strukturbildung bilden Zwerggalaxien mit geringer Masse, die chemisch noch nicht entwickelt sind, die Bausteine aller, massereicher Galaxien.

In typischen Spiralgalaxien zeigen Beobachtungen einen Zusammenhang zwischen der Oberflächendichte der lokalen Sternentstehungsrate und der Oberflächendichte des Gases, die sogenannte Kennicutt-Schmidt-Relation. Die Korrelation ist nahezu linear; das bedeutet, dass Gas in einem konstanten Zeitraum von 2 Milliarden Jahren in Sterne umgewandelt wird. In der Milchstraße und anderen Spiralgalaxien passiert die Sternentstehung anscheinend ausschließlich in Regionen mit hauptsächlich molekularem Gas.

In Zwerggalaxien allerdings bricht diese lineare Korrelation zusammen; hier bilden sich Sterne sehr ineffektiv und auf viel längeren Zeitskalen von 10-100 Milliarden Jahren. Bislang ist unklar, ob das Stern-bildende Gas in diesen Zwerggalaxien hauptsächlich aus Molekülen oder aus Atomen besteht. Beobachtungen konnten bisher kein molekulares Gas nachweisen, aber es gibt Spekulationen, dass ein unsichtbares Reservoir aus Molekülen die Sternentstehungsrate dominieren könnte. Dies wäre eine Erklärung für die längeren Zeitskalen bei der Sternentstehung in Zwerggalaxien, die dann durch einen ineffizienten Übergang vom atomaren in den molekularen Zustand gesteuert sein könnte.

Vor kurzem untersuchten Wissenschaftler am MPA die Sternentstehung in Zwerggalaxien mit Hilfe von numerischen hydrodynamischen Simulationen, die auch eine Fülle der relevanten physikalischen Prozesse beinhalten. Insbesondere wird dabei angenommen, dass sich molekularer Wasserstoff auf Staubkörnern bildet und dass das interstellare UV-Sternenlicht die Moleküle zerstören kann. Die Simulationen wurden mit einer noch nie dagewesenen, hohen Auflösung gerechnet (mit einer räumlichen Auflösung von 2 Parsec und Materieteilchen mit 4 Sonnenmassen). Die Auswirkungen einzelner Supernova-Explosionen können so numerisch aufgelöst werden. Abbildung 1 zeigt die Momentaufnahme der Gasdichte in einer Simulation auf verschiedenen räumlichen Skalen und dabei insbesondere auch die Komplexität des Gases in seiner Mehrphasen-Struktur.

Die Simulationen zeigen, dass sich das Reservoir für die Sternentstehung (kaltes und dichtes Gas) vorwiegend in der atomaren Phase befindet, im Gegensatz zu der Situation in Spiralgalaxien. Dies rührt daher, da es viel länger dauert, bis sich molekularer Wasserstoff in einer wenig Metall-reichen Umgebung bildet. Da das ISM durch Supernova-Explosionen ständig geschüttelt und durchmischt wird, bleibt dem molekularen Wasserstoff keine Zeit seine (chemische) Gleichgewichtshäufigkeit zu erreichen. Die Supernova-Explosionen lösen Turbulenzen und Schocks aus und bringen so Energie und Impuls viel schneller ein, als das Gas durch Strahlungsprozesse abtransportieren kann. Das Gas als solches wird damit auch aus dem thermischen Gleichgewicht (Abb. 2) gebracht.

Vergleicht man die Kennicutt-Schmidt-Relation dieser Simulationen mit Beobachtungen von Zwerggalaxien, ergibt sich eine gute Übereinstimmung (Abb. 3). Die längeren Zeitskalen im Vergleich zu Spiralgalaxien (mit etwa 2 Milliarden Jahren) ergeben sich, weil das Gas im äußeren Teil der Galaxie nicht gekühlt wird. Wie oben erläutert, verhindert dies die Bildung kalten Gases im ISM, die für eine effektive Sternentstehung notwendig sind.

Die Simulationen zeigen auch, dass eine Änderung in der Häufigkeit von Staub oder der interstellaren UV-Strahlung zwar einen dramatischen Einfluss auf die Häufigkeit von Molekülen hat, die thermischen Gaseigenschaften werden davon aber nicht beeinträchtigt. Dies deutet darauf hin, dass der molekulare Wasserstoff in Zwerggalaxien bei der Sternentstehung kaum eine Rolle spielt und damit kein guter Indikator ist - im Gegensatz zu Sprialgalaxien wie unsere Milchstraße.

Chia-Yu Hu & Thorsten Naab
(Stefanie Walch, Simon Glover, Paul Clark)

Diese Arbeit wird unterstützt durch:

 

 

 

DFG Priority Program 1573: ISM-SPP

 

Max Planck Computing and Data Facility

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