Zu wenig Sternentstehung in Zwerggalaxien

Gassäulendichte in Aufsicht auf eine simulierte Galaxie, die deutlich die komplexe Struktur des ISM auf unterschiedlichen Skalen zeigt. In der Mitte ist das gesamte Sternentstehungsgebiet der simulierten Zwerggalaxie dargestellt. Einige Details sind in den kleineren Bildern vergrößert gezeigt: eine etwa 300 ps lange, filamentartige Stuktur (oben links), eine 200 pc große Blase, die durch Supernova-Explosionen entstanden ist (unten links), dichte Wolken mit einer Ausdehnung von etwa 300 pc (oben rechts) sowie eine weitere Vergrößerung dieser Wolken (rechts unten). Die effektive räumliche Auflösung beträgt etwa 2 pc, so dass die meisten der Wolken gut aufgelöst sind.
In typischen Spiralgalaxien zeigen Beobachtungen einen Zusammenhang zwischen der Oberflächendichte der lokalen Sternentstehungsrate und der Oberflächendichte des Gases, die sogenannte Kennicutt-Schmidt-Relation. Die Korrelation ist nahezu linear; das bedeutet, dass Gas in einem konstanten Zeitraum von 2 Milliarden Jahren in Sterne umgewandelt wird. In der Milchstraße und anderen Spiralgalaxien passiert die Sternentstehung anscheinend ausschließlich in Regionen mit hauptsächlich molekularem Gas.
In Zwerggalaxien allerdings bricht diese lineare Korrelation zusammen; hier bilden sich Sterne sehr ineffektiv und auf viel längeren Zeitskalen von 10-100 Milliarden Jahren. Bislang ist unklar, ob das Stern-bildende Gas in diesen Zwerggalaxien hauptsächlich aus Molekülen oder aus Atomen besteht. Beobachtungen konnten bisher kein molekulares Gas nachweisen, aber es gibt Spekulationen, dass ein unsichtbares Reservoir aus Molekülen die Sternentstehungsrate dominieren könnte. Dies wäre eine Erklärung für die längeren Zeitskalen bei der Sternentstehung in Zwerggalaxien, die dann durch einen ineffizienten Übergang vom atomaren in den molekularen Zustand gesteuert sein könnte.

Dieses Diagramm zeigt die Gastemperatur gegenüber der Gasdichte in einer simulierten Zwerggalaxie. Wäre das Gas im thermischen Gleichgewicht, würde es der schwarzen Kurve folgen. Die gestrichelte Linie zeigt die Auflösungsgrenze der Simulationen, unterhalb derer die Jeans-Gasmasse nicht aufgelöst ist. Da die Supernovaexplosionen Turbulenzen und Schocks auslösen, wird das Gas aus dem thermischen Gleichgewicht gebracht.
Vor kurzem untersuchten Wissenschaftler am MPA die Sternentstehung in Zwerggalaxien mit Hilfe von numerischen hydrodynamischen Simulationen, die auch eine Fülle der relevanten physikalischen Prozesse beinhalten. Insbesondere wird dabei angenommen, dass sich molekularer Wasserstoff auf Staubkörnern bildet und dass das interstellare UV-Sternenlicht die Moleküle zerstören kann. Die Simulationen wurden mit einer noch nie dagewesenen, hohen Auflösung gerechnet (mit einer räumlichen Auflösung von 2 Parsec und Materieteilchen mit 4 Sonnenmassen). Die Auswirkungen einzelner Supernova-Explosionen können so numerisch aufgelöst werden. Abbildung 1 zeigt die Momentaufnahme der Gasdichte in einer Simulation auf verschiedenen räumlichen Skalen und dabei insbesondere auch die Komplexität des Gases in seiner Mehrphasen-Struktur.
Die Simulationen zeigen, dass sich das Reservoir für die Sternentstehung (kaltes und dichtes Gas) vorwiegend in der atomaren Phase befindet, im Gegensatz zu der Situation in Spiralgalaxien. Dies rührt daher, da es viel länger dauert, bis sich molekularer Wasserstoff in einer wenig Metall-reichen Umgebung bildet. Da das ISM durch Supernova-Explosionen ständig geschüttelt und durchmischt wird, bleibt dem molekularen Wasserstoff keine Zeit seine (chemische) Gleichgewichtshäufigkeit zu erreichen. Die Supernova-Explosionen lösen Turbulenzen und Schocks aus und bringen so Energie und Impuls viel schneller ein, als das Gas durch Strahlungsprozesse abtransportieren kann. Das Gas als solches wird damit auch aus dem thermischen Gleichgewicht (Abb. 2) gebracht.

Die Kennicutt-Schmidt-Relation in Zwerggalaxien, also die Oberflächendichte der lokalen Sternentstehungsrate in Bezug zur Oberflächendichte des Gases. Die schwarzen Punkte sind die Simulationsergebnisse, während die farbigen Punkte veröffentliche Ergebnisse von Beobachtungen sind. Die gestrichelten grauen Linien zeigen die Zeitskalen von 1, 10 bzw. 100 Gyr, die besser mit den Ergebnissen der Zwerggalaxien übereinstimmen, da hier die Sternentstehung gehemmt ist. Die Simulationen stimmen gut mit Beobachtungsdaten überein sofern man Supernovae berücksichtigt. Dies deutet darauf hin, dass die Supernova-Explosionen der der entscheidende Faktor sind, der Sternentstehung in Zwerggalaxien reguliert.
Vergleicht man die Kennicutt-Schmidt-Relation dieser Simulationen mit Beobachtungen von Zwerggalaxien, ergibt sich eine gute Übereinstimmung (Abb. 3). Die längeren Zeitskalen im Vergleich zu Spiralgalaxien (mit etwa 2 Milliarden Jahren) ergeben sich, weil das Gas im äußeren Teil der Galaxie nicht gekühlt wird. Wie oben erläutert, verhindert dies die Bildung kalten Gases im ISM, die für eine effektive Sternentstehung notwendig sind.
Die Simulationen zeigen auch, dass eine Änderung in der Häufigkeit von Staub oder der interstellaren UV-Strahlung zwar einen dramatischen Einfluss auf die Häufigkeit von Molekülen hat, die thermischen Gaseigenschaften werden davon aber nicht beeinträchtigt. Dies deutet darauf hin, dass der molekulare Wasserstoff in Zwerggalaxien bei der Sternentstehung kaum eine Rolle spielt und damit kein guter Indikator ist - im Gegensatz zu Sprialgalaxien wie unsere Milchstraße.
Chia-Yu Hu & Thorsten Naab
(Stefanie Walch, Simon Glover, Paul Clark)
Diese Arbeit wird unterstützt durch:

DFG Priority Program 1573: ISM-SPP
