Das kühle zirkumgalaktische Medium in SDSS-Galaxien
Die unsichtbaren Halos aus dunkler Materie, die alle Galaxien umgeben, machen den größten Teil der Masse der Galaxien aus. Nur ein sehr kleiner Teil (<~ 10%) besteht aus gewöhnlicher Materie (oder baryonischer Materie) und dieser kann mit Absorptionslinien untersucht werden. Was noch spannender ist: Die Metalle, die wir in den Spektren von Hintergrundobjekten sehen, können Gasbewegungen direkt nachweisen, d.h. Gas, das aufgrund verschiedener Prozesse ein- und ausströmt. Diese Gasströme spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Entwicklung von Galaxien, was bedeutet, dass unser Verständnis der Galaxienentstehung durch unser derzeitiges Verständnis dieses Gases (auch zirkumgalaktisches Medium oder CGM genannt) begrenzt ist.
Große Himmelsdurchmusterungen, die mit boden- und weltraumgestützten Teleskopen wie dem Sloan Digital Sky Survey (SDSS), Keck, dem Very Large Telescope (VLT) oder dem Hubble Space Telescope (HST) durchgeführt wurden, haben unser Verständnis des CGM in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich vertieft. Eines der leistungsstärksten Werkzeuge waren die sogenannten "transversalen Absorptionslinienstudien", bei denen das CGM in Absorption vor einer hellen Hintergrundquelle wie einem Quasar beobachtet wird. Beobachtungen der Absorptionslinien von verschiedenen Metallen, die bei Rotverschiebungen kleiner als der Rotverschiebung der Hintergrundquelle detektiert werden, d.h. zwischen der Quelle und uns, liefern direkte Einschränkungen auf die Gasströme rund um Galaxien in verschiedenen Epochen.
Abbildung 1 zeigt schematisch, wie Quasar-Absorptionslinien verschiedener Metalle in verschiedenen Ionisierungszuständen verschiedene Phasen des CGM nachzeichnen. Zum Beispiel zeichnet ionisiertes Magnesium (Mg II) das kühle CGM (~ 10.000 K) und ionisierter Kohlenstoff (C IV) die warme Phase (~ 100.000 K) nach. Allerdings ist das Aufspüren von Absorptionsmerkmalen in Millionen von Spektren und deren Zuordnung zu Galaxien recht anspruchsvoll und mühsam, und man benötigt ein großes Ensemble von Absorbersystemen, um eine aussagekräftige statistische Untersuchung durchzuführen.
Um diese Gasflüsse zu studieren, verbinden wir Mg II-Absorber in Hintergrund-Quasaren mit Vordergrund-Galaxien. Wir verwenden hierfür unsere automatische Absorber-Detektionspipeline (unten beschrieben), um die Mg II-Absorber in etwa 1 Million Quasaren aus der letzten SDSS Datenveröffentlichung (SDSS DR16) zu identifizieren und sie mit etwa 1,3 Millionen Galaxien, ebenfalls aus SDSS DR16, zu verbinden. Diese großen Stichproben bieten uns eine noch nie dagewesene Möglichkeit, die Natur der Absorption von kaltem Gas für sternbildende und passive Galaxien zu untersuchen.
Mit einer sehr robusten statistischen Analyse konnten wir die Skalenabhängigkeit von Mg II mit größerer Genauigkeit als in früheren Arbeiten charakterisieren. Wir finden eine starke Verstärkung der Mg II-Absorption in den zentralen ~ 50 kpc von Galaxien mit hoher Sternentstehung relativ zu leuchtstarken, aber passiven Galaxien (Abb. 3). Jenseits von 50 kpc gibt es eine starke Abnahme von Mg II für beide Arten von Galaxien, was auf einen Übergang zu einem Regime hinweist, in dem das CGM eng mit dem Halo der dunklen Materie verknüpft ist.
Außerdem korreliert Mg II stark mit der Sternentstehungsrate für sternbildende Galaxien, was darauf hindeutet, dass die stellare Aktivität eine wichtige Rolle bei der Anreicherung des Metallgehalts im CGM spielt. Auf Skalen von einigen hundert kpc finden wir, dass die durchschnittliche Gesamt-Mg II-Äquivalentbreite pro Absorber unter dem charakteristischen Wert im Feld liegt, sowohl für passive als auch für sternbildende Galaxien. Dieser Einbruch hängt möglicherweise mit Strömungsprozessen zusammen, wo Gas in Halos aus dunkler Materie einströmt. Zusammenfassend deutet unsere Analyse darauf hin, dass kühles zirkumgalaktisches Gas einen anderen physikalischen Ursprung für Galaxien mit hoher Sternentstehung als für passive Galaxien hat.
Automatische Pipeline
In unserer Arbeit entwickelten wir eine automatische Pipeline, um das optische Kontinuum von Quasaren abzuschätzen und dazwischenliegende Absorbersysteme unterschiedlicher Metalle in ihren Spektren zu erkennen. Unsere Pipeline basiert auf einer angepassten Kernel-Faltungstechnik und adaptiven S/N-Kriterien. Wir wenden diese Pipeline auf ~ 1 Million Quasaren aus SDSS DR16 an und haben so den bisher größten Metallabsorber-Katalog zusammengestellt, bestehend aus ~ 160.000 Mg II-Absorbern und ~ 70.000 Fe II-Systemen. Der vollständige Metallabsorber-Katalog mit Beschreibung ist hier öffentlich verfügbar (https://wwwmpa.mpa-garching.mpg.de/SDSS/MgII/).
Unsere automatisierte Pipeline erkennt Dubletten-Merkmale in Quasar-Spektren im Allgemeinen recht gut. Sie ist optimiert und unterstützt Parallelisierung, um effizient auf Millionen von Quasar-Spektren angewendet werden zu können. In der Zukunft werden große abbildende Durchmusterungen wie das Large Synoptic Survey Telescope am Rubin-Observatorium enorme Datensätze von Galaxien liefern, auch hin zu höheren Rotverschiebungen und mit qualitativ hochwertigen Abbildungen. Zusammen mit zukünftigen großen spektroskopischen Galaxiendurchmusterungen wie PFS am Subaru-Teleskop werden statistische Analysen des zirkumgalaktischen Mediums ein leistungsfähiges Werkzeug sein, um die Entstehung und Entwicklung von Galaxien über die kosmische Zeit hinweg zu verstehen.