Präzise kosmologische Parameter aus der Galaxienverteilung rekonstruiert
Große Himmelsdurchmusterungen sind ein äußerst wichtiges Werkzeug für Kosmologen, da sie erlauben, eine Karte der Galaxienverteilung für einen großen Teil des beobachtbaren Universums zu erstellen (Abb. 1). Eine solche Karte enthält Informationen über die Ausdehnung des Universums, dunkle Energie, dunkle Materie sowie das frühe Universum. Dies ist die Hauptmotivation für große Kampagnen wie den kürzlich abgeschlossenen Sloan Digital Sky Survey (SDSS) oder das europäische Satellitenexperiment Euclid, das sich derzeit im Bau befindet. MPA-Wissenschaftler sind an beiden Projekte beteiligt.
Die größte Herausforderung bei der Interpretation derartiger Karten des Universums besteht darin, dass wir ein robustes Modell brauchen, das die Galaxien mit der zugrunde liegenden Materieverteilung (meist dunkle Materie) in Verbindung bringt, die wir sowohl mit theoretischen als auch mit numerischen Berechnungen gut vorhersagen können. Die Entstehung von Galaxien jedoch ist ein äußerst komplexer Prozess, den wir nicht im Detail verstehen - und auch nicht vollständig simulieren können. Wie können wir also hoffen, mit Hilfe dieser Objekte zuverlässige Informationen über das zugrundeliegende Dichtefeld der Materie und die Geschichte des Universums zu gewinnen?
Kürzlich haben Forscher am MPA bedeutende Fortschritte gemacht, indem sie eine Vorhersage für die statistische Beziehung zwischen Materie und Galaxien herleiteten. Dafür benutzten sie einen theoretischen Ansatz, der als effektive Feldtheorie bekannt ist und sonst in der theoretischen Teilchenphysik und Festkörperphysik angewended wird. Diese statistische Beziehung, um genau zu sein eine bedingte Wahrscheinlichkeitsverteilung, basiert auf der Tatsache, dass die Schwerkraft die einzige relevante Kraft auf den extrem großen Skalen ist, auf denen die Galaxienverteilung gemessen wird. Im Vergleich zu diesen Skalen sind Galaxien relativ kleine Objekte.
Der Preis, der für diese präzise, verlässliche Vorhersage bezahlt wird, besteht darin, dass sie eine Reihe freier Parameter einführt, die die Details der Galaxienentstehung erfassen und die wir nicht vorhersagen können. Diese "uninteressanten" Parameter müssen aus Daten der Galaxien bestimmt werden. Auch die kosmologischen Parameter, die von Interesse sind, wie z.B. die Parameter, die die Expansionsrate des Universums und die Eigenschaften der dunklen Energie beschreiben, müssen unabhängig bestimmt werden. Glücklicherweise gibt es nur eine bestimmte Anzahl dieser freien Parameter, und es wird erwartet, dass die Datenfülle moderner Galaxienkataloge ausreichen wird, um sowohl die Galaxien- als auch die kosmologischen Eigenschaften gleichzeitig einzuschränken.
Das MPA-Team arbeitet nun zusammen mit europäischen Kollegen daran, diesen Ansatz näher an die Daten heranzuführen. Diese Arbeit wird im Rahmen des Aquila-Konsortiums durchgeführt. Die Grundidee besteht darin, nach dem Zufallsprinzip wahrscheinliche Materieverteilungen, wie sie im beobachtbaren Universum vorherrschen könnten, zu erzeugen, und diese mit der beobachteten Galaxienverteilung zu vergleichen, indem wir die in der effektiven Feldtheorie abgeleitete statistische Beziehung verwenden. Dies geschieht unter Verwendung eines statistischen Ansatzes, der als Bayesianische Inferenz bekannt ist. Es gibt viele, viele mögliche Materieverteilungen, daher ist dies eine große rechnerische Herausforderung. Hochentwickelte statistische und numerische Techniken erlauben es jedoch, dass diese vollständige Bayesianische Inferenz sogar für große Datensätze wie den SDSS-Galaxienkatalog durchführbar ist.
Kürzlich wurden sehr vielversprechende Ergebnisse in einem vereinfachten Experiment erzielt. Ein "Galaxien"-Katalog wurde aus einer Simulation mit bekannten kosmologischen Parametern und Materieverteilung konstruiert. Das Team war in der Lage, erfolgreich die richtige, in der Simulation verwendete Kosmologie bis auf wenige Prozent zu entschlüsseln (Abb. 2; der hier betrachtete kosmologische Parameter ist die Gesamtamplitude der Fluktuationen in der Materiedichte). Darüber hinaus zeigt dieser vereinfachte Test, dass wir verstehen, woher der Restfehler kommt und wie er verringert werden kann: wenn die theoretische Berechnung zu höherer Ordnung fortgesetzt wird, sind entsprechende weitere Verbesserungen zu erwarten.
Die nächsten Schritte sind nun klar: Zuerst gilt es zu verifizieren, dass auch andere kosmologische Parameter erfolgreich rekonstruiert werden können. Dann muss dieser Ansatz für die Anwendung auf reale Daten aus großen Galaxiendurchmusterungen vorbereitet werden. Dies erfordert viel zusätzliche Arbeit, um die Komplexität der realen Beobachtungsdaten korrekt einzubeziehen. Der potenzielle Gewinn jedoch ist enorm: Sobald die Bayesianische Inferenz zusammen mit der aus der Theorie abgeleiteten Wahrscheinlichkeit funktioniert, können wir sicher sein, dass wir optimale und robuste kosmologische Information, wie zum Beispiel über die Eigenschaften der Dunklen Enerige, aus der Verteilung der Galaxien erhalten.