Wie schwarze Löcher den Kosmos formen

1. Februar 2018
Astrophysiker aus Heidelberg, Garching und den USA haben neue Erkenntnisse zur Entstehung und Entwicklung von Galaxien erzielt. Sie berechneten den Einfluss schwarzer Löcher auf die Verteilung der Dunklen Materie, die Produktion und Verbreitung schwerer Elemente im Kosmos und den Ursprung der Magnetfelder. Dazu programmierten sie ein neues Simulationsmodell für das Universum und erstellten die bisher umfangreichsten Simulationen dieser Art. Erste Ergebnisse des „IllustrisTNG“ Projekts wurden jetzt in drei Artikeln in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht. Sie sollen helfen, fundamentale Fragen der Kosmologie zu klären.

Im Zentrum jeder Galaxie sitzt ein supermassereiches schwarzes Loch. Wie diese Schwerkraftfallen die großräumige Struktur unseres Universums beeinflussen, zeigt jetzt ein neues Computersimulationsmodell. Beteiligt daran sind Forscher des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien (HITS) sowie der Universität Heidelberg, der Max-Planck-Institute für Astronomie (MPIA, Heidelberg) und für Astrophysik (MPA, Garching), der US-Universitäten Harvard und MIT, sowie dem Center for Computational Astrophysics in New York. Das Projekt „Illustris – The Next Generation“ (IllustrisTNG) ist die bislang vollständigste Simulation dieser Art. Mithilfe grundlegender physikalischer Gesetzmäßigkeiten zeigt sie, wie sich unser Kosmos seit dem Urknall entwickelt hat. Einige der physikalischen Prozesse, die dabei eine Rolle spielen, wurden in IllustrisTNG überhaupt erstmals in eine derart umfangreiche Simulation einbezogen.

Ein realistisches Universum aus dem Computer

Das von IllustrisTNG vorausgesagte kosmische Netz aus Gas und Dunkler Materie beherbergt an seinen Kreuzungspunkten Galaxien, die gut zur Gestalt und Größe echter Galaxien passen. Zum ersten Mal konnte mit hydrodynamischen Simulationen auch das Verteilungsmuster der Galaxien im Raum detailliert berechnet werden. Vergleiche mit Beobachtungsdaten – inklusive neuester, umfangreicher Durchmusterungen – zeigen, wie realistisch die Ergebnisse der Simulationen sind. Außerdem sagen die Simulationen voraus, wie sich das kosmische Netz im Laufe der Zeit verändert, insbesondere im Verhältnis zum darunter liegenden „Rückgrat“ des Kosmos aus Dunkler Materie. „Es ist besonders faszinierend, dass wir den Einfluss supermassereicher schwarzer Löcher auf die Verteilung Dunkler Materie auf großen Skalen genau voraussagen können“, meint Projektleiter Prof. Volker Springel (HITS, Universität Heidelberg, MPA). „Das ist entscheidend, um zukünftige kosmologische Messungen verlässlich auswerten zu können.“

Die wichtigste Transformation im Lebenszyklus von Galaxien

Wie wichtig der Einfluss schwarzer Löcher auf Galaxien ist, konnte Dr. Dylan Nelson (MPA) in einer weiteren Studie nachweisen. Sternbildende Galaxien strahlen hell im blauen Licht junger Sterne, bis ein plötzlicher Entwicklungsschub die Sternentstehung ausschaltet, so dass sie von alten, roten Sternen dominiert werden und sich zum Friedhof „roter und toter“ Galaxien hinzu gesellen. „Das einzige physikalische Objekt, das in der Lage ist, die Sternentstehung in unseren großen elliptischen Galaxien auszulöschen, sind die supermassereichen schwarzen Löcher in ihren Zentren“, erklärt Dylan Nelson. „Die ultraschnellen Auswürfe dieser Schwerkraftfallen erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 10 Prozent der Lichtgeschwindigkeit und beeinflussen riesige Sternsysteme, die milliardenfach größer sind als das vergleichsweise kleine schwarze Loch.“

Wie die Sterne stehen: Neue Erkenntnisse zum Aufbau von Galaxien

„IllustrisTNG“ hilft auch, den hierarchischen Aufbau der Galaxien besser zu verstehen. Schon lange vermuten Theoretiker, dass zunächst kleine Galaxien entstehen müssten, die dann zu immer größeren Objekten verschmelzen, zusammengezogen von der unerbittlichen Anziehungskraft der Schwerkraft. Bei zahlreichen solchen Galaxienkollisionen werden Galaxien förmlich zerrissen. Ihre Sterne kreisen dann auf weiten Bahnen um neu entstandene große Galaxien, was ihnen ein schwaches Glimmen im Hintergrund verleihen müsste. Diese vorausgesagten „Lichthöfe“ sind aufgrund ihrer geringen Oberflächenhelligkeit nur sehr schwer zu beobachten – aber IllustrisTNG konnte genau simulieren, wonach Astronomen in ihren Daten suchen sollten. „Unsere Voraussagen können von Beobachtern nun gezielt überprüft werden“, freut sich Dr. Annalisa Pillepich (MPIA), Autorin einer weiteren IllustrisTNG Studie. „So kann das theoretische Modell der hierarchischen Galaxienentstehung gezielt auf die Probe gestellt werden.
 

Astrophysik mit Spezialcode und Supercomputer

Für das Projekt entwickelten die Forscher eine besonders leistungsfähige Version ihres hoch-parallelen bewegten Gitter-Codes AREPO und setzen ihn auf der „Hazel-Hen“ Maschine am Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart ein, dem schnellsten deutschen Großrechner, der aktuell auf Platz 19 der Top 500 Supercomputer steht. „IllustrisTNG“ ist das bisher größte hydrodynamische Simulationsprojekt über die Entwicklung kosmischer Strukturen. Für eine der beiden Hauptberechnungen arbeiteten mehr als 24000 Prozessoren über zwei Monate an der Entstehung von Millionen von Galaxien, in einer repräsentativen Region des Universums von knapp einer Milliarde Lichtjahre Kantenlänge. „Dank der Rechenzeit des deutschen Gauss Zentrums für Supercomputing konnten wir den Stand der Wissenschaft in diesem Bereich neu definieren“, erklärt Volker Springel. „Die neuen Simulationen erzeugten mehr als 500 Terabyte Simulationsdaten. Die Auswertung dieses riesigen Datenberges wird uns noch über Jahre hinweg beschäftigen und verspricht viele weitere spannende Erkenntnisse über unterschiedliche astrophysikalische Prozesse.“

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