Die Lücke wird geschlossen: Von massereichen Sternen zu Supernovae in 3D
Sauerstoffschalenbrennen
Abb. 1: Konvektive Strömungen in der Schale eines Sterns mit 18 Sonnenmassen, in der Sauerstoffbrennen stattfindet. Um den Silizium-Eisen-Kern (blaugrün) des Sterns sieht man unverbrannten Sauerstoff (grün) sowie Siliziumasche (rot). Ein Teil des Sterns wurde zur besseren Sichtbarkeit entfernt.
Massereiche Sterne sterben einen katastrophalen Tod. Ist der Brennstoff für das nukleare Brennen in ihrem Innersten erschöpft, so erliegt der entstandene Eisenkern – mit etwa der 1,5-fachen Masse der Sonne – der Schwerkraft und kollabiert in Sekundenbruchteilen zu einem ultra-dichten Neutronenstern. Dabei werden die äußeren Schichten des Sterns in einer gigantischen Supernova-Explosion mit Geschwindigkeiten von Tausenden von Kilometern pro Sekunde ausgestoßen.
Derartige Supernovae können regelmäßig in fernen Galaxien beobachtet werden; innerhalb der Milchstraße sehen wir noch immer die Gasnebel vieler solcher Explosionen hunderte und tausende Jahre später. Nicht zuletzt besteht ein großer Teil der Welt um uns herum aus den Hinterlassenschaften von riesigen Sternen – angefangen vom Sauerstoff, den wir atmen, bis hin zum Kalzium in unseren Knochen. Doch ein Rätsel bleibt: Wie wird aus dem Zusammenbruch des Sterns eine Explosion?
Sternkollaps mit Explosion
Abb. 2a: Schnitt durch den Kern eines massereichen Sterns nach seinem Kollaps. Der Neutronenstern ist als dunkelblauer Bereich im Zentrum erkennbar, die durch Neutrinos aufgeheizte Materie hinter der Supernova-Stoßfront ist rot dargestellt. Aufgrund der einfallenden, asymmetrischen Sauerstoff-Silizium-Schicht beginnt der Stoß sich nach ca. 0,3 Sekunden auszubreiten.
Die aussichtsreichste Theorie geht davon aus, dass extrem leichte und nur schwach wechselwirkende Elementarteilchen, die Neutrinos, in diesem Prozess eine Schlüsselrolle spielen. Diese Neutrinos werden von der Oberfläche des jungen Neutronensterns, der einige tausend Mal heißer ist als das Zentrum der Sonne, in rauen Mengen emittiert. Ein Teil der Neutrinos wird von der auf den Neutronenstern einfallenden Materie absorbiert, die dadurch aufgeheizt wird. Wenn dieses Aufheizen ausreichend stark ist, kehrt sich der Kollaps um: die durch Neutrinos aufgeheizte Materie treibt eine expandierende Stoßwelle durch den Stern.
Mit Hilfe von Computersimulationen versuchen Theoretiker seit langem zu zeigen, dass diese Idee tatsächlich funktioniert. Aber auch wenn man den Kollaps von massereichen Sternen inzwischen in drei Dimensionen (3D) simulieren kann, scheitern die Computermodelle oft noch an der Explosion. Das internationale Forscherteam, zu dem auch Wissenschaftler des MPA gehören, hat nun an einer Lösung des Problems gearbeitet, indem sie realistischere Anfangsbedingungen zugrunde legen. Bisher starteten Supernova-Berechnungen mit sphärischen Sternmodellen; diese wurden nun von dem Team durch vollständig dreidimensionale Ausgangsdaten ersetzt.
Sternkollaps ohne Explosion
Werden die Asymmetrien, die im Vorläuferstern vor dem Kollaps bereits vorhanden sind, berücksichtigt, so kann eine durch Neutrinos angetriebene Supernova-Explosion ausgelöst werden. Die Astrophysiker konnten die Entwicklung der sich ausbreitenden Druckwelle in einer kontinuierlichen, lückenlosen 3D-Berechnung nachverfolgen – über einen längeren Zeitraum als je zuvor. Dieser Durchbruch in unserem Verständnis der hochkomplexen Prozesse, die zur Explosion von massereichen Sternen führen, war nur durch den Einsatz von Supercomputern in Australien, Deutschland und Großbritannien möglich.
Für eine erfolgreiche Explosion in 3D ist heftige Konvektion bereits vor dem Kernkollaps von entscheidender Bedeutung; diese muss dann weiter verstärkt werden, um tatsächlich eine Explosion auszulösen. Um diese Möglichkeit genauer zu untersuchen, simulierte das Team die Fusion von Sauerstoff zu Silizium in einem Stern mit 18 Sonnenmassen im Verlauf der letzten sechs Minuten vor dem Ende seiner stabilen Entwicklung (siehe Abb. 1). Die Forscher fanden heraus, dass sie nur deshalb erfolgreich eine Explosion auslösen konnten, weil die auf den Kern einstürzende Schicht aus einem Gemisch von Silizium und Sauerstoff bereits durch starke Massenströme gestört war. Die Simulation umfasste auch noch mehr als zwei Sekunden der beginnenden Supernova (siehe Abbildung 2).
Supernova-Stoßfront
Abb. 3: Ausbreitung der durch Neutrinos aufgeheizten Materie (gelb/rot) und der Supernova-Stoßfront (durchsichtige Fläche in blaugrün) bei der Explosion eines Sterns mit 18 Sonnenmassen.
Bis die Stoßfront die Oberfläche des Sterns schließlich erreicht und die Überreste in den umgebenden Raum ausgestoßen werden dauert es noch ungefähr einen Tag; trotzdem zeigt das Computermodell schon jetzt, dass die Explosion und der zurückbleibende Neutronenstern ähnlich aussehen wie die beobachteten Supernovae: Die Explosion produziert etwa 0,06 Sonnenmassen an Elementen der Eisengruppe. Der Neutronenstern ist etwa 1,7 mal so massereich wie die Sonne. Er rotiert einmal in etwa 20 Millisekunden um seine Achse und wird mit einer Geschwindigkeit von 600 Kilometern pro Sekunde ausgestoßen, da die Explosion stark asymmetrisch ist. Die Simulationen spucken somit ein plausibles Explosionsmodell aus – ohne Feinjustierung.
Da solch erfolgreiche Simulationen von Sternexplosionen nun möglich sind, wird das Team systematisch untersuchen, wie die Supernovae verschiedener Vorläufersterne aussehen. Um zu klären, bei welchen Sternen Störungen in den konvektiven Schalen mit Kernbrennen bereits vor dem Kollaps vorhanden sind und die Explosion entscheidend unterstützen, müssen weitere 3D-Berechnungen durchgeführt werden.
Bernhard Müller, H.-Thomas Janka, Tobias Melson, Alexander Heger
Danksagung:
Dank gilt dem Europäischen Forschungsrat für die Unterstützung im Projekt ERC-AdG No. 341157-COCO2CASA sowie dem Australian Research Council (FT120100363, FT120100363). Die Rechenzeit wurde vom Gauss Centre for Supercomputing auf dem SuperMUC (GCS@LRZ, Deutschland), von NCI Australia und dem Pawsey Supercomputing Centre zur Verfügung gestellt.