Was passiert, wenn man ein schwarzes Loch in die Sonne steckt?

15. Dezember 2023

In einem hypothetischen Szenario könnten kleine, primordiale schwarze Löcher von neu entstehenden Sternen eingefangen werden. Ein internationales Team unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik hat nun die Entwicklung dieser so genannten „Hawking-Sterne“ modelliert und festgestellt, dass sie eine überraschend lange Lebensdauer haben und in vielerlei Hinsicht normalen Sternen ähneln. Die Asteroseismologie könnte dazu beitragen, solche Sterne zu identifizieren, damit die Existenz primordialer schwarzer Löcher zu überprüfen und ihre Rolle als Bestandteil der dunklen Materie zu klären.

Wir machen jetzt mal eine theoretisches Experiment: Wenn wir annehmen, dass kurz nach dem Urknall viele kleine Schwarze Löcher entstanden sind (sogenannte primordiale Schwarze Löcher), könnten einige von ihnen bei der Entstehung neuer Sterne eingefangen werden. Wie würde sich dies auf den Stern im Laufe seiner Entwicklung auswirken?

„Wissenschaftler stellen manchmal verrückte Fragen, um ihr Wissen zu vertiefen“, sagt Selma de Mink, Direktorin der Abteilung Sternforschung am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA). „Wir wissen nicht einmal, ob solche primordialen Schwarzen Löcher überhaupt existieren, aber wir können trotzdem ein interessantes Gedankenexperiment durchführen.“

Primordiale Schwarze Löcher könnten sich im sehr frühen Universum mit sehr unterschiedlichen Massen gebildet haben, von einigen so klein wie ein Asteroid bis zu Tausenden von Sonnenmassen. Sie könnten einen wichtigen Bestandteil der dunklen Materie darstellen und die Keimzellen für die supermassereichen schwarzen Löcher im Zentrum der heutigen Galaxien sein.

Mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit könnte ein neu entstehender Stern ein Schwarzes Loch mit der Masse eines Asteroiden oder eines kleinen Mondes einfangen, und hätte dann in seinem Zentrum ein Schwarzes Loch. Ein solcher Stern wird als „Hawking-Stern“ bezeichnet, benannt nach Stephen Hawking, der diese Idee erstmals in den 1970er Jahren in einem Paper darlegte. Das schwarze Loch im Zentrum eines solchen Hawking-Sterns würde nur langsam wachsen, da der Einfall von Gas auf das schwarze Loch durch die entweichende Leuchtkraft behindert wird. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat nun die Entwicklung eines solchen Sterns mit verschiedenen Ausgangsmassen für das Schwarze Loch und mit verschiedenen Akkretionsszenarien für das Zentrum des Sterns modelliert. Ihr verblüffendes Ergebnis: Wenn die Masse des Schwarzen Lochs klein ist, ist der Stern im Wesentlichen nicht von einem normalen Stern zu unterscheiden.

„Sterne, die ein Schwarzes Loch in ihrem Zentrum beherbergen, können erstaunlich lange leben“, sagt Earl Patrick Bellinger, MPA Postdoc und jetzt Assistenzprofessor an der Yale University, der die Studie leitete. „Unsere Sonne könnte in ihrem Zentrum sogar ein Schwarzes Loch haben mit der Masse des Planeten Merkur, ohne dass wir es bemerken.“

Der Hauptunterschied zwischen einem solchen Hawking-Stern und einem normalen Stern zeigt sich in der Nähe des Kerns, der durch die Akkretion auf das Schwarze Loch konvektiv wird. Dies würde die Eigenschaften des Sterns an seiner Oberfläche nicht verändern und sich den derzeitigen Nachweisverfahren entziehen. Er könnte jedoch mit Hilfe des relativ neuen Gebiets der Asteroseismologie nachgewiesen werden, bei der Astronomen akustische Schwingungen nutzen, um das Innere eines Sterns zu untersuchen. Auch in seiner späteren Entwicklung, in der Rote-Riesen-Phase, könnte das Schwarze Loch zu charakteristischen Signaturen führen. Mit künftigen Projekten wie PLATO könnten solche Objekte entdeckt werden. Es sind jedoch weitere Simulationen erforderlich um herauszufinden, welche Auswirkungen ein zentrales schwarzes Loch auf Sterne verschiedener Massen und Metallizitäten hat. 

Wenn primordiale Schwarze Löcher tatsächlich kurz nach dem Urknall entstanden sind, könnte die Suche nach Hawking-Sternen zu ihrem Nachweis führen. „Auch wenn die Sonne hier nur als Beispiel verwendet wurde, gibt es gute Gründe für die Annahme, dass Hawking-Sterne in Kugelsternhaufen und sehr schwach strahlenden Zwerggalaxien häufig vorkommen“, betont Professor Matt Caplan von der Illinois State University, Mitautor der Studie. „Das bedeutet, dass Hawking-Sterne ein Werkzeug sein könnten, um sowohl die Existenz primordialer schwarzer Löcher als auch ihre mögliche Rolle bei der dunklen Materie zu testen.“

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