Computersimulation zeigt erfolgreiche Sternexplosion in drei Dimensionen
Massereiche Sterne explodieren am Ende ihres Lebens als Supernova, doch wie genau verläuft die Explosion und welche Rolle spielen ganz unterschiedliche physikalische Prozesse? Zum ersten Mal konnten Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik nun eine Sternexplosion vollständig in allen drei Dimensionen mit detaillierter Physik simulieren. Dabei zeigt sich, dass die energiereichen, vom Neutronenstern abgestrahlten Neutrinos wie erwartet die Explosion auslösen, indem sie die Sternmaterie heizen. Turbulente Strömungen unterstützen diesen Prozess und führen zu einer energiereicheren Explosion.
Im Laufe ihres Lebens "verbrennen" Sterne leichte Elemente wie Wasserstoff durch Kernfusion zu schwereren und produzieren dadurch Energie, bis am Ende im Innern ein Eisenkern entstanden ist. Da Eisen das am stärksten gebundene Element ist, können keine schwereren Elemente in Fusionsreaktionen produziert werden und das Kernbrennen erlischt. Der Eisenkern wächst jedoch durch Fusionsprozesse an seiner Oberfläche weiter. Zu diesem Zeitpunkt wird die der Gravitation entgegenwirkende Kraft durch den quantenmechanischen Druck der Elektronen geliefert. ähnlich wie bei einem Weißen Zwerg existiert eine kritische Masse oberhalb derer der Eisenkern der Gravitation nicht mehr widerstehen kann und in sich kollabiert. Unter geeigneten Bedingungen kommt es dabei zu einer gewaltigen Sternexplosion, einer Supernova.
Bereits in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entstanden erste Theorien dazu, woher die Energie einer Supernova stammt: Durch die extrem großen Gravitationskräfte kollabiert der Kern innerhalb von Sekundenbruchteilen zu einem Neutronenstern. Die dabei frei werdende gravitative Bindungsenergie wird durch eine Stoßfront nach außen transportiert, aber schnell durch die äußeren Schichten des Eisenkerns absorbiert. Um tatsächlich eine Explosion auszulösen, ist ein zusätzlicher Effekt nötig: Heizung der Materie durch Neutrinos (siehe Highlight von 2001). Diese geisterhaften Elementarteilchen werden im entstehenden Neutronenstern in großer Zahl erzeugt und bewegen sich außerhalb der Neutronensternoberfläche relativ ungehindert nach außen. Auf diese Weise können sie der Materie im sogenannten "Kühlgebiet" Energie entziehen und durch Absorption bei größeren Abständen vom Neutronenstern wieder deponieren. Dadurch heizen sie das Plasma im sogenannten "Heizgebiet" hinter der Stoßwelle auf. Ist die deponierte Energiemenge groß genug, wird der Stoß nach außen beschleunigt, was letztendlich den Stern in einer Supernova zerreißt. So weit die Theorie.
Der Weg zur Bestätigung in detaillierten physikalischen Modellen aber war lang: In den 1980er Jahren "explodierte" der erste Stern im Computer, allerdings in einem nur kugelsymmetrischen (d.h. eindimensionalen) Modell und teilweise mit speziellen Annahmen zur vereinfachten Beschreibung der Physik. Die Beobachtung der Supernova 1987A zeigte aber, dass während der Explosion mehrdimensionale Effekte eine wichtige Rolle spielen. Die Umgebung des Neutronensterns wird durch Konvektion durchmischt, was die Neutrinoheizung zusätzlich unterstützt. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis die Wissenschaftler mit zweidimensionalen Modellen die grundsätzliche Funktionsweise des Neutrino-Mechanismus bestätigen konnten (siehe Pressemitteilung von 2009). Die dabei erzwungene Rotationssymmetrie um eine willkürliche Achse bedeutet eine starke Einschränkung der Bewegungsmöglichkeiten des stellaren Plasmas. Außerdem verhalten sich turbulente Strömungen unter diesen Symmetrieannahmen anders als in drei Dimensionen. Daher war der Weg zu dreidimensionalen Rechnungen unumgänglich, um alle Prozesse während der Supernova korrekt modellieren zu können.
Nachdem Simulationen in drei Dimensionen bislang keine erfolgreichen Explosionen lieferten (siehe Pressemitteilung von 2013 und Highlight von 2014), erhalten die Wissenschaftler nun ein lang ersehntes Ergebnis: die erste erfolgreiche, durch Neutrinos angetriebene Explosion eines Sterns mit einer Anfangsmasse von 9,6 Sonnenmassen in einer dreidimensionalen, selbstkonsistenten Simulation (siehe Abb. 1). Die Komplexität bestand dabei darin, die Neutrinos möglichst korrekt zu beschreiben, sodass selbst Supercomputer einige Monate mit der Berechnung beschäftigt waren. Die benutzten Methoden bedeuten die aktuell vollständigste Beschreibung der Wechselwirkungen von Neutrinos mit Materie in Supernovarechnungen. Insbesondere stand die Frage im Raum, ob dreidimensionale Turbulenz in dem durch Neutrinos geheizten Plasma für die Explosion hilfreich oder eher hinderlich ist, was von Wissenschaftlern kontrovers diskutiert wird. In diesem Fall ist die Antwort ein klares Ja: Durch dreidimensionale Turbulenz steht etwa 10% mehr Energie für die Explosion zur Verfügung. Die Turbulenzeffekte im Heizgebiet beeinflussen die Strömung von Sternmaterie in das Kühlgebiet, wodurch die Temperatur in dieser Region niedriger bleibt. Da die Kühlung durch Neutrinos stark von der Temperatur abhängt, ist der Energieverlust durch Neutrinoemission bei geringerer Temperatur kleiner und die Explosion verstärkt sich. Es ist allerdings schwierig vorherzusagen, ob dieses Phänomen auch für noch massereichere Sterne eine ähnlich wichtige Rolle spielen könnte. Hierfür sind weitere Simulationen nötig. Außerdem wollen die Wissenschaftler die Explosion mit noch höherer Auflösung berechnen, um Turbulenz besser auflösen und auf kleineren Skalen untersuchen zu können. Eine weitere wichtige Frage ist auch, ob der Stern bereits vor dem Kollaps Asymmetrien aufweisen könnte und wie sich diese auf die Explosion auswirken würden. Trotz dieses wichtigen Meilensteins sind die Astrophysiker also noch lange nicht am Ziel.
Tobias Melson, Hans-Thomas Janka
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Hannelore Hämmerle
Danksagung
Das Projekt wurde durch das ERC-AdG No. 341157-COCO2CASA vom Europäischen Forschungsrat unterstützt.
Außerdem gilt der Dank der Autoren der Deutschen Forschungsgemeinschaft für Unterstützung durch Mittel des Exzellenzclusters EXC 153 "Ursprung und Struktur des Universums" und der Europäischen PRACE Initative für Rechenzeit auf SuperMUC (GCS@LRZ, Deutschland) und Curie (GENCI@CEA, Frankreich).