Galaxienentstehung und Reionisation in den THESAN-Simulationen
Vor etwa 13 Milliarden Jahren führte die von den ersten Galaxien ausgesandte Strahlung zu einer grundlegenden Veränderung des Universums. Die enormen Mengen an Wasserstoff, die den Raum zwischen den Galaxien füllten, wurden ionisiert; ein Prozess, der kosmische Reionisation genannt wird. Obwohl eng miteinander verknüpft, werden die Entstehung der ersten Galaxien und der Reionisationsprozess normalerweise getrennt voneinander untersucht. Ein internationales Team unter der Leitung von und mit MPA-Forschern hat nun eine Reihe von Simulationen erstellt, die zum ersten Mal diese beiden Aspekte am Anfang des Universums gleichzeitig untersuchen und dabei Besonderheiten ihres Zusammenspiels aufzeigen. Diese neuen numerischen Arbeiten, die in Kürze öffentlich gemacht werden, bieten eine einzigartige Plattform, um das junge Universum zu untersuchen und die Daten des bald verfügbaren James-Webb-Weltraumteleskops bestmöglich zu nutzen. Erste Ergebnisse von THESAN haben bereits gezeigt, dass die einzigartige Kombination von physikalischer Genauigkeit und den simulierten Skalen einen Großteil der verfügbaren Daten reproduzieren können, darunter auch einige die früheren numerischen Berechnungen entgangen sind.
Nach dem Urknall durchlief das Universum sein dunkles Zeitalter, eine Zeitspanne, in der es keine Lichtquellen gab. Dieses endete, als die ersten Sterne und – kurz darauf – die ersten Galaxien entstanden. Ihre intensive UV-Strahlung verwandelte das neutrale Wasserstoffgas im intergalaktischen Medium zwischen den Galaxien in ein hoch-ionisiertes Plasma; ein Prozess, der als "kosmische Reionisation" bezeichnet wird und vor 13 Milliarden Jahren stattfand. Trotz dieses engen Zusammenhangs sind die Einzelheiten des Zusammenhangs zwischen den ersten Galaxien und der kosmischen Reionisation noch immer kaum verstanden, da es äußerst schwierig ist, diese in der Geschichte des Universums sehr weit zurückliegende Zeitspanne zu beobachten. Dank einer Vielzahl neuer Teleskope wird diese Hürde jedoch bald überwunden sein. Das erste von ihnen, das James Webb Space Telescope, wird das Ende 2021 gestartet.
Um diese zukünftigen Beobachtungen in vollem Umfang nutzen zu können, entwickelte ein internationales Team unter der Leitung von Dr. Enrico Garaldi am MPA, Dr. Rahul Kannan in Harvard, und Dr. Aaron Smith am MIT, dem auch weitere MPA-Wissenschaftler angehören, eine neue, einzigartige Reihe von Simulationen, genannt Thesan, die über den aktuellen Stand der Technik hinausgehen. Simulationen sind ein unverzichtbarer Bestandteil im Werkzeugkasten der Astrophysiker, da die Zahl und Komplexität der physikalischen Prozesse, die bei der Entstehung von Galaxien eine Rolle spielen, es unmöglich machen, diese mit Papier und Bleistift zu untersuchen. Mit dem Wissen über die Anfangsbedingungen nach dem Urknall und die Physik des Universums simulieren die numerischen Astrophysiker die Entstehung und Entwicklung riesiger Strukturen und Regionen des Weltraums. Sie können dann nicht nur beobachten und offenlegen, wie die Prozesse der Strukturbildung ablaufen, sondern das detaillierte Bild aus den Simulationen auch nutzen, um rätselhafte Beobachtungen zu interpretieren.
Was die neuen Thesan-Simulationen so einzigartig macht, ist die Kombination einer langen Liste hochmoderner numerischer Techniken, die zusammen einen exquisiten und nie dagewesenen Blick auf die Anfänge des Universums ermöglichen. Insbesondere vereinen die Thesan-Simulationen ein äußerst erfolgreiches Galaxienentstehungsmodell, einen genauen und effizienten Algorithmus zur Simulation der Lichtausbreitung, ein Modell für die Entstehung und Zerstörung von kosmischem Staub sowie eine neuartige Technik, die dafür sorgt, dass die simulierten Strukturen möglichst repräsentativ (statistisch gesehen) für das Universum sind. Das Galaxienentstehungsmodell von Illustris-TNG ist in der Lage, viele Eigenschaften von Galaxien im Universum zu reproduzieren, und beinhaltet den Einfluss der Energie und Materie, die von Sternen und schwarzen Löchern während ihres Lebens freigesetzt werden, von Magnetfeldern und den einzelnen chemischen Elementen. Die Lichtausbreitung nachzuverfolgen ist nötig, um die kosmische Reionisation richtig zu simulieren, und der kosmische Staub muss berücksichtigt werden, da die in den ersten Galaxien erzeugten Moleküle uns viele Informationen über deren Eigenschaften liefern. Darüber hinaus untersucht Thesan auch verschiedene Theorien zur Natur der dunklen Materie und zu den Quellen der Photonen, die für die kosmische Reionisation sorgen.
Reionisation in den Thesan-Simulationen
Es ist das erste Mal, dass all diese verschiedenen Techniken in einer großen kosmologischen Simulation zusammengeführt werden. Um diese einmalige Kombination zu erreichen, nutzten die Forscher einen der größten Supercomputer der Welt, den SuperMUC-NG am Leibniz-Rechenzentrum in Garching bei München. Dort wurde die Simulation gleichzeitig auf etwa 60 000 Rechenkernen durchgeführt, was insgesamt mehr als 50 Millionen CPU-Stunden entspricht. Würde man dieselben Simulationen auf einem normalen Computer durchführen, würde dieser mehr als 5700 Jahre lang rechnen.
Im Gegensatz zu früheren Studien wurden die Simulationen in der Thesan-Suite nicht auf die verfügbaren Beobachtungen der Reionisationsepoche abgestimmt. Vielmehr bauen sie auf den Erkenntnissen auf, die im Laufe der Jahre gesammelt wurden und bei denen das MPA eine entscheidende Rolle gespielt hat. Bemerkenswerterweise haben die Forscher nun gezeigt, dass die simulierten Galaxien und das intergalaktische Medium dennoch sehr gut mit den verfügbaren Daten übereinstimmen.
Die vollständige Analyse der Simulationen wird viele Jahre in Anspruch nehmen, aber der Brückenschlag zwischen der Entstehung von Galaxien und der kosmischen Reionisation hat es den Forschern bereits ermöglicht, zum ersten Mal eine Beobachtung bei frühen Galaxien zu reproduzieren: die Strahlungsintensität rund um diese frühen Galaxien ist moduliert, was auch in der Simulation auftrat. Damit alle Forscher von diesen umfangreichen Arbeiten profitieren können, werden die Astrophysiker die Simulationsdaten in den kommenden Monaten frei zugänglich machen. Weitere Informationen, Visualisierungen und Updates finden Sie auf https://thesan-project.com/