Der Ursprung diffuser Lyman-alpha Strahlung um Galaxien
In den letzten Jahren beobachteten Astronomen ein ausgedehntes Leuchten, das deutlich über die sternentstehende innere Region der Galaxien hinausgeht. Zwar ist bekannt, dass die Emission von angeregtem, neutralem Wasserstof ausgeht, aber die Energiequelle dieser so genannten Lyman-alpha-Strahlung ist unbekannt. Forscher am MPA verwenden neue Computermodelle, um diese Herkunft dieser Strahlung zu klären, und stellen fest, dass ein beachtlicher Teil dieser diffusen Strahlung tief im Inneren von Galaxien entsteht, jedoch außerhalb der Galaxien gestreut wird und so die Umgebung diffus ausleuchtet.
Wasserstoff, das häufigste Element im Universum, kann je nach Anregung ultraviolette Strahlung durch die so genannte Lyman-alpha-Spektrallinie emittieren. In den 1970er Jahren stellten Astrophysiker erstmals die Hypothese auf, dass diese Lyman-alpha-Linie vor allem in jungen Galaxien hell leuchtet und diese deshalb selbst bei Entfernungen von zehn Milliarden Lichtjahren Entfernung sichtbar sein sollten. Seitdem hat sich die Lyman-alpha-Linie in der Tat als ein leistungsfähiges Beobachtungsinstrument erwiesen, mit dem Galaxienentwicklung und kosmische Modelle untersucht werden können.
Lyman-alpha Halo
In den letzten Jahren haben sich die Empfindlichkeit und die räumliche Auflösung von Teleskopen und Satelliten derart verbessert, dass Galaxien nicht nur anhand der Lyman-alpha Strahlung auffindig gemacht werden können, sondern dass auch das die Galaxie umgebende Gas mithilfe der Lyman-alpha-Strahlung sichtbar wird. Dies erlaubt den Astronomen einen Blick auf das Gas, das junge Galaxien umgibt und das für ihre zukünftige Entwicklung von entscheidender Bedeutung ist. Während es mehr und mehr Beobachtungen dieser diffusen Lyman-alpha-Strahlung gibt, bleibt ihre Energiequelle doch bis heute unklar.
Es gibt verschiedene Hypothesen über den Ursprung dieses Leuchtens. Grob gesprochen gehören die möglichen Mechanismen in eine von zwei Kategorien: Zum einen könnte das Leuchten von Lyman-alpha-Photonen stammen, die in den Sternentstehungsgebieten innerhalb der Galaxien entstehen und anschließend von dem die Galaxie umgebenden neutralen Wasserstoff gestreut werden. Andererseits könnte die diffuse Lyman-alpha-Emission direkt in dem die Galaxie umgebenden Gas erzeugt werden. Beispielsweise könnte die Energie etwa vom Abkühlen des durch Schwerkraft erhitzten Gases stammen oder durch die Sternentstehung kleiner Satellitengalaxien geliefert werden.
Theoretische Erklärungsansätze werden durch zwei Faktoren erschwert: Die Lyman-alpha-Linie ist resonant und in astrophysikalischen Umgebungen gibt es eine hohe optische Tiefe. Das bedeutet, dass Lyman-alpha-Photonen tausend- oder gar millionenfach an neutralem Wasserstoff gestreut werden, ehe sie den Beobachter erreichen. Nach diesen vielfältigen Streuprozessen ist jedoch der ursprüngliche Ort und Frequenz des Lyman-alpha Photons quasi unbekannt. Angesichts dieser Komplexität und der vielschichtigen Gaskomposition sind numerische Simulationen der Galaxienentstehung, die an einen Strahlungstransportcode gekoppelt sind, daher ein wichtiges Instrument zur Untersuchung der Lyman-alpha-Beobachtungen.
Das diffuse Lyman-alpha-Leuchten um Galaxien wird im Fachjargon auch als Lyman-alpha-Halo bezeichnet. Für die Erklärung dieser Halos wurden in der Vergangenheit verschiedene numerische Simulationen ausgewertet, welche dem komplexen Streuprozess Rechnung tragen. Diese Simulationen waren jedoch in der Vergangenheit auf wenige Galaxien oder unzureichende Auflösungen beschränkt. Eine statistisch robuste Stichprobe würde Tausende von Galaxien erfordern, die auf wenige 100 Lichtjahre aufgelöst sind, um mit den reichhaltigen Beobachtungsdaten vergleichbar zu sein.
Vor kurzem nutzten Forscher am MPA die neue hochauflösende kosmologische Simulation TNG50 des IllustrisTNG-Projekts und einen neuen Strahlungstransportcode namens "voroILTIS", um den Ursprung des Lyman-alpha-Leuchtens zu bestimmen. Die TNG50-Simulation bietet eine noch nie dagewesene Kombination aus Volumen und Auflösung, während der Strahlungstransportcode voroILTIS Modelle für die verschiedenen Emissionsmechanismen der Lyman-alpha-Strahlung enthält. Zudem ermöglicht es dieser Code den Streuprozess akkurat zu modellieren. Auf diese Weise können die Vorhersagen aus der Simulation statistisch mit vorhandenen Beobachtungen von Lyman-alpha-Halos verglichen werden. Außerdem können gleichzeitig Fragen bezüglich des Ursprungs und des dominanten Emissionsmechanismus für das Lyman-alpha-Leuchten beantwortet werden.
Der Vergleich von gemittelten sowie individuellen Radialprofilen der Lyman-alpha-Strahlung aus diesen Simulationen mit Beobachtungsdaten aus dem MUSE-Ultra Deep Field zeigt eine vielversprechende Übereinstimmung. Die simulierten Radialprofile können außerdem zerlegt werden in Anteile der diffusen Emission aus dem Inneren der Galaxie, d.h. gestreute Photonen aus Sternentstehungsgebieten, und von außerhalb, wie z.B. Rekombination der ultravioletten Hintergrundstrahlung oder Dissipation potenzieller Gravitationsenergie. Dabei zeigt sich, dass das Lyman-alpha-Leuchten bei der Mehrzahl der Galaxien überwiegend durch die Emission aus Sternentstehungsgebieten hervorgerufen wird.
Die computergestützte Studie zeigt aber auch Schwächen, so fehlt z.B. eine Beschreibung von Staub- und Gasklumpen unterhalb der Auflösungsskala und der ionisierenden Strahlung junger Sterne. Diese müssen in zukünftigen Studien noch behoben werden.
Nichtsdestotrotz lassen diese Erkenntnisse die Astrophysiker auf weitere vielversprechende Anwendungsgebiete in diesem Feld hoffen: Wenn der Ursprung des Lyman-alpha-Leuchtens bekannt ist, können zukünftige Arbeiten die darin enthaltenen Informationen entschlüsseln, um mehr über das Gas zu erfahren, das die Galaxien umgibt und ihre Entwicklung beeinflusst. Weiterhin legen die Simulationen nahe, dass die großräumige Struktur, das kosmische Netz, in dem diese Galaxien eingebettet sind, in naher Zukunft durch die Lyman-alpha-Emission sichtbar gemacht werden kann.