Gammastrahlen enthüllen die Geschichte der Sternentstehung im Universum

1. Dezember 2018
Astrophysiker am MPA führten gemeinsam mit einem internationalen Team von Wissenschaftlern eine Messung des gesamten Lichts im Universum durch, dem sogenannten „extragalaktischen Hintergrundlicht“ (EBL). Das EBL ist quasi ein Meer aus Photonen (Lichtteilchen), die sich seit kurz nach dem Urknall allmählich angesammelt haben, seit die ersten Sterne zu leuchten begannen. Die Ergebnisse werden in der Zeitschrift Science am 30. November veröffentlicht.

Für ihre Studie nutzten die Wissenschaftler das Fermi-Gamma-Teleskop, um die Zahl der Gammastrahlen, der energiereichsten Form von Licht, aus fernen Galaxien mit einem supermassereichen schwarzen Loch nachzuverfolgen. Wie misst man damit nun aber das extragalaktische Hintergrundlicht? Weil die Gammastrahlen so energiereich sind, kollidieren sie mit Photonen im EBL und wandeln sich in Materie um. Nach Einsteins berühmter Gleichung E=mc2 entstehen so ein Elektron und ein Positron. Je dichter das EBL, desto häufiger findet diese Interaktion statt. Wie ein Leuchtturmfeuer, das durch dichten Nebel leuchtet, führen die Kollisionen dazu, dass viele der Gammastrahlen vom kosmischen Nebel aus ultraviolettem, sichtbarem und infrarotem Sternenlicht absorbiert werden. Somit erreichen weniger Gammastrahlen die Erde als die lange Reise begonnen haben. Durch eine Analyse der offensichtlich fehlenden Gammastrahlen gelang es dem Team, die Eigenschaften des dazwischenliegenden EBL zu rekonstruieren.

Die schwarzen Löcher, die die Gammastrahlen erzeugen, sind Millionen bis Milliarden mal massereicher als die Sonne. Die unersättlichen Massemonster ernähren sich von umgebendem Gas und speien extrem energiereiche Teilchen in schmalen Jets aus, die vom Zentrum nach außen schießen. Ist so ein Jet direkt auf die Erde gerichtet, spricht man von einem Blazar. Die Studie untersuchte 739 von Fermi entdeckte Blazare am gesamten Himmel, die über ganz unterschiedliche Entfernungen verteilt sind (siehe Abbildung 1). Der am weitesten entfernte Blazar strahlte seine Gammastrahlen aus, als das Universum nur 15% seines heutigen Alters hatte. Die Blazare eröffneten den Wissenschaftlern viele Blickwinkel, um den kosmischen Nebel zu untersuchen. Somit war das Team erstmals in der Lage, den allmählichen Anstieg des EBL abzubilden, d.h. die Rate mit der Galaxien im Verlauf der kosmischen Zeit mehr und mehr Licht in das EBL einbringen.

Da der Nachthimmel dunkel erscheint, muss das EBL extrem lichtschwach sein. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es einer einzigen 60-Watt-Glühbirne entspricht, die in völliger Dunkelheit aus vier Kilometern Entfernung betrachtet wird, wobei das Licht der Glühbirne über den gesamten Himmel verteilt ist. Da sich das Universum auf eine immense Größe ausgedehnt hat, ist das angesammelte Licht aller Sterne und Galaxien in der Tat sehr dünn verteilt. Ein großes Hindernis für traditionelle Methoden bestand darin, das relativ schwachen EBL in Anwesenheit von viel helleren Verunreinigungen im Vordergrund messen zu müssen, insbesondere dem interplanetaren Staub in unserem eigenen Sonnensystem (dem Zodiakallicht). Die Absorptionsmethode mit Gammastrahlen jedoch ist demgegenüber immun und bietet einen klaren Blick auf die extragalaktische Komponente. Die Ergebnisse liefern daher die besten Messungen des Hintergrundlichts im ultravioletten, sichtbaren und nahen Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums.

Selbst nachdem Sterne ausgebrannt sind, reist ihr Licht weiter durch das Universum. Ein kleiner Teil des heutigen EBL muss daher sehr früh in der Geschichte des Universums entstanden sein. Da sich unsere Stichprobe mit Blazaren über mehr als die Hälfte des Universums erstreckt, können die Absorptionssignaturen ihrer Gammastrahlen genutzt werden, um das EBL in den frühen Phasen der Galaxienentstehung abzuleiten. Die Studie liefert damit Grenzwerte für die Lichtmenge, die während der Epoche der Re-Ionisation existierte, einer rätselhaften Ära in der Frühgeschichte des Universums. Während dieser Zeit erzeugten die neu entstandenen Galaxien genügend energiereiches Licht, so dass der Wasserstoff im intergalaktischen Raum – das häufigste Element – vom neutralen in den ionisierten Zustand überging. Diese Grenzwerte liefern Ansatzpunkte für das zukünftige James Webb Weltraumteleskop (geplanter Start 2021), dessen Aufgabe darin besteht, Licht in diese weitgehend unerforschte Ära in der Geschichte des Universums zu bringen.

Die Studie liefert noch einen weiteren Durchbruch, indem sie es erlaubt, die Geschichte der Sternentstehung im Universum genau zu rekonstruieren. Bisher wurde dies noch nie mit Gammastrahlen versucht. Die Menge an ultraviolettem Licht, die dem EBL zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeführt wird, ist eng damit verknüpft, wie schnell sich Sterne in Galaxien bilden. Der Grund dafür sind massereiche neu-gebildete Sterne, die eine kurze Zeitlang hell im Ultraviolettlicht strahlen, zum EBL beitragen und dann schnell ausbrennen. Der ultraviolette Teil des EBL sagt uns daher, wie viele Sterne sich bilden– bei allen Massen.

Mit Hilfe großer Galaxiendurchmusterungen untersuchen Astrophysiker bereits seit Jahrzehnten die Sternentstehungsgeschichte des Universums. Der Konsens besteht darin, dass die Sternentstehung vor rund 10 Milliarden Jahren ihren Höhepunkt erreichte und seitdem rückläufig ist. Ein Nachteil der bisherigen Forschung bestand darin, dass einige Galaxien einfach zu weit weg oder zu schwach waren, um sie selbst mit den besten Teleskopen zu entdecken. Die Wissenschaftler mussten daher abschätzen, welche Menge an Sternentstehung sie verpassten – anstatt sie direkt beobachten zu können.

Die neue Studie umgeht dieses Problem, da sie alle EBL-Photonen gleich behandelt, unabhängig davon, ob sie aus hellen oder schwachen Galaxien stammen. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die vom EBL aufgezeichnete Sternentstehungsgeschichte über 90% des Universumsalters hinweg gut mit derjenigen der Galaxienzählungen übereinstimmt (siehe Abbildung 2). Dies deutet darauf hin, dass ein Großteil der Sternentstehung in den traditionellen Studien berücksichtigt wurde.

Mit anderen Worten, zwei sehr unterschiedliche Methoden geben uns die gleiche Antwort. In der Wissenschaft bedeutet das in der Regel, dass wir etwas richtig machen.

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