Hochionisierter Sauerstoff: Signaturen des galaktischen Feedbacks
Sauerstoff ist nach Wasserstoff und Helium das häufigste Element im Universum. Es ist ein grundlegendes Spurenelement, um mehr über die Entstehung einzelner Sterne und ganzer Galaxien zu erfahren. Der Ursprung der hoch angeregten Zustände von Sauerstoff im circum-galaktischen Medium (CGM) um Galaxien herum ist nur schwer zu verstehen, und bisherige theoretische Modelle konnten die Messungen aus Beobachtungsbedingungen nur schlecht wiedergeben. Mit kosmologischen Simulationen im Rahmen des IllustrisTNG-Projektes zeigen Forscher des MPA, wie das Feedback von Supernovae und supermassereichen Schwarzen Löchern den Gehalt an schweren Elementen im CGM beeinflussen und mit Daten aus dem nahen Universum in Einklang bringen kann. Dabei sagt das Modell eine deutlich höhere Menge an hochionisiertem Sauerstoff um blaue, sternbildende Galaxien vorher als um rote, eher ruhige Systeme mit exakt gleicher Masse.
Als dominantes "Metall" (d.h. Element schwerer als Wasserstoff oder Helium) im interstellaren, circum-galaktischen oder intergalaktischen Medium ist Sauerstoff eines der wichtigsten Elemente der Astrophysik. Beobachtungen von Sauerstoff in seinen verschiedenen Ionisationszuständen untermauern zum großen Teil unser Verständnis der Galaxienbildung und -entwicklung. In seinen drei höchsten beobachtbaren Ionisationszuständen – OVI, OVII und OVIII – zeichnet der Sauerstoff dabei Gas nach, das entweder heiß ist, bei Temperaturen über 100.000 Kelvin, oder eine niedrige Dichte aufweist, mit weniger als 100 Atomen pro Kubikmeter. Alle drei Ionen können dabei in dem verdünnten Plasma entstehen, das die Galaxien umgibt und sich auf große Entfernungen erstreckt bis in ihre heißen gasförmigen Halos. Je nach Masse des Dunklen-Materie-Halos wird das Plasma dabei allgemein als Intra-Cluster-Medium (ICM) oder circum-galaktisches Medium (CGM) bezeichnet. Diese hoch ionisierten Zustände von Sauerstoff entstehen daneben auch in den Regionen niedriger Gasdichte, die die Topologie der großräumigen, kosmischen Strukturen bilden: dem intergalaktischen Medium (IGM).
Die MPA-Forscher untersuchen in der Theorie die Beziehung zwischen diesen drei Zuständen des Sauerstoffs mit Hilfe des IllustrisTNG-Projekts (IllustrisTNG) (das hier erstmals vorgestellt wurde), einer neuen Reihe von Computersimulationen, die auf Basis der grundlegenden Gesetzen der Physik die Entstehung und Entwicklung von Galaxien über die kosmische Zeit hinweg modellieren. Dabei verfolgt IllustrisTNG nicht nur die Entwicklung der dunklen Materie unter dem Einfluss der Schwerkraft, sondern berechnet gleichzeitig die hydrodynamische Entwicklung des kosmischen Gases. Wenn Gasklumpen zu Sternen kollabieren, produzieren diese Sterne schwere Elemente einschließlich Sauerstoff, die dann wieder in das nahegelegene interstellare Medium abgegeben werden und sogar ganz aus den Galaxien herausgeschleudert werden können. Sauerstoff ist also ein reichlich vorhandenes Metall im gesamten kosmischen Raum.
Die Simulationen zeigen, dass das Verhältnis zwischen verschiedenen Ionisationszuständen von Sauerstoff je nach Umgebung stark variieren kann, siehe Abbildung 1. In sogenannten kosmischen Voids („Hohlräumen“) geringer Dichte sind die beiden Ionen in etwa gleich häufig. Die länglichen, dichten Filamente des kosmischen Netzes werden vom fünffach ionisierten Sauerstoff dominiert (d.h. einem Sauerstoffatom, das fünf seiner äußersten Elektronen verloren hat, allgemein als OVI bezeichnet); das Gas ist hier mit nur 10.000 Kelvin ziemlich "kalt". Im Gegensatz dazu dominiert in den heißen Gashalos um massereiche Gruppen und Haufen, in denen die Gastemperaturen 10 Millionen Kelvin überschreiten können, der hochionisierte Sauerstoff (OVIII). Gleiches gilt für das lokalisierte IGM um diese Halos mit hoher Masse sowie in den größten Filamenten des kosmischen Netzes, die sie verbinden.
Während detaillierte Beobachtungen der beiden höchsten beobachtbaren Sauerstoffzustände (OVII und OVIII) noch nicht verfügbar sind – sie gehören zu den herausfordernden Zielen für die nächste Generation weltraumgestützter Röntgenteleskope wie Athena und Lynx –, war der fünffach ionisierte Sauerstoff (OVI) Gegenstand vieler Beobachtungskampagnen in jüngster Zeit, wie COS-Halos und andere, die den Cosmic Origins Spectrograph an Bord des Hubble-Weltraumteleskops verwenden. Da dieses Ion Licht mit einer Frequenz von 103 nm, also bei ultravioletten Wellenlängen, absorbieren kann, sind Weltraumobservatorien erforderlich, um über die Erdatmosphäre zu gelangen. Diese Beobachtungen haben ergeben, dass OVI um Galaxien mit einer ähnlichen Masse wie unsere Milchstraße fast allgegenwärtig ist – es wird praktisch jedes Mal gefunden, sogar bis zum Rand des gesamten Dunkle-Materie-Halos, d.h. in zehn oder zwanzig Mal größerer Entfernung als die Größe der Galaxie selbst.
Hydrodynamische Simulationen konnten diesen Trend lange Zeit nur schwer reproduzieren, da sie in der Regel zu wenig OVI im circum-galaktischen Medium bei Galaxien ähnlicher Masse fanden. Nicht so IllustrisTNG: Die MPA-Wissenschaftler zeigten bei der Erstellung von synthetischen Beobachtungen dieser Simulation, dass der OVI-Gehalt des CGM mit Daten aus dem lokalen Universum vollständig konsistent ist – und zum ersten Mal genauso viel Absorption produziert wie beobachtet. Dieser Erfolg ist in erster Linie auf das in diesen Simulationen verwendete, aktualisierte Feedback-Modell zurückzuführen, bei dem Supernovae und energiereiche Winde, die von supermassereichen Schwarzen Löchern stammen, starke Ströme von Metallen aus den Galaxien heraus erzeugen.
Tatsächlich ergibt sich aus IllustrisTNG eine interessante Vorhersage über die Eigenschaften des die Galaxien umgebenden OVI. Mit Hilfe der Simulation finden wir eine Korrelation zwischen der Farbe einer Galaxie und der Gesamtmenge an Sauerstoff in ihrem CGM. Grund dafür ist die Energie der Rückkopplung aus dem zentralen Schwarzen Loch: Während das schwarze Loch die Sternentstehung zum Erliegen bringt, befördern sehr schnelle Ausflüsse aus diesem zentralen Motor ein wenig Sauerstoff aus dem Halo zu größeren Entfernungen, während sie gleichzeitig die Temperatur erhöhen und die Dichte des restlichen Halo-Gases senken. Die Kombination beider Effekte führt dazu, dass die Menge an OVI, die um rote Galaxien herum gefunden wird, systematisch gesenkt wird; eine theoretische Vorhersage, mit zukünftigen Beobachtungen bestätigt oder widerlegt werden kann.