Aufsteigende Blasen und die Erwärmung von heißem Gas in Galaxienhaufen

1. März 2018
Aufsteigende Blasen aus relativistischem Plasma in den Kernen von Galaxienhaufen spielen wohl eine Schlüsselrolle bei der Übertragung von Energie von einem supermassereichen Schwarzen Loch an das Intracluster-Medium (ICM), das dünne, heiße Gas zwischen den Galaxien in Galaxienhaufen. Während die Energiemenge, die die Blasen dem ICM zuführen durch die Energieerhaltung bestimmt ist, sind die physikalischen Mechanismen der Kopplung von den Blasen und ICM noch immer unklar. Ein Team von Forschern des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA) und der Universität Oxford argumentiert, dass „interne Wellen“ effizient darin sein könnten den Blasen Energie zu entziehen und über einen Großteil des ICM zu verteilen.

Galaxienhaufen sind die massereichsten gravitativ gebundenen Strukturen im Universum. Die Temperatur des Gases, das die tiefen Potentialtöpfe der Haufen ausfüllt, erreicht 10 - 100 Millionen Kelvin, was zu einer starken Röntgenemission dieser Objekte führt. Doch  obwohl die durchschnittliche Abkühlungszeit des Gases durch die Röntgenemission viel kürzer ist als das Alter der Galaxienhaufen selbst, gibt es keine Hinweise darauf, dass das Gas auch wirklich  abkühlt. Dies impliziert die Existenz einer leistungsstarken Wärmequelle, die die Abkühlung des Gases ausgleicht. Supermassereiche Schwarze Löcher in den Kernen der Haufen werden weithin als die vielversprechendsten Kandidaten für eine derartige Wärmequelle angesehen.

Die Beobachtung von Galaxienhaufen bietet uns eine einzigartige Gelegenheit, den Einfluss supermassereicher Schwarzer Löcher auf das umgebende Gas zu untersuchen - einen Prozess, der als Rückkopplung (engl. Feedback) von aktiven galaktischen Kernen (AGN) bekannt ist, und insbesondere  die Unterkategorie des Radio-Feedbacks. Im Zentrum von Galaxienhaufen werden im relativistischen Plasma Blasen durch bipolare Jets aus einem supermassereichen Schwarzen Loch erzeugt und expandieren anschließend, bis ihre Expansionsgeschwindigkeit mit der vom Auftrieb angetriebenen Steiggeschwindigkeit vergleichbar wird. Die Blasen lösen sich dann aus dem Jet und steigen durch den Auftrieb weiter nach oben. Sie erreichen schließlich ihre Endgeschwindigkeit, wenn sich Bremskraft (weiter unten erklärt) und Auftriebskraft angleichen. Röntgen- und Radiobeobachtungen von nahen Galaxienhaufen zeigen deutliche Anzeichen dafür, dass das CM mit diesen Blasen interagiert (siehe Abb. 1). Vergleicht man die benötigte Zeit für die Expansion und den Auftrieb der Blasen, kann man die benötigte Energie für die Expansion abschätzen. Diese ist mit dem Energieverlust durch die Gasabkühlung vergleichbar.

Für eine Blase, die mit ihrer thermischen Geschwindigkeit aufsteigt, folgt aus der Energieerhaltung, dass ein Großteil der Energie, die das supermassereiche Schwarze Loch zum Ausdehnen der Blasen benötigt, auf das ICM übertragen wird. Doch auch wenn dieses Argument eine hohe Kopplungseffizienz des „Blasen-ICM-Heizungs-Prozesses“ garantiert, waren die verschiedenen Prozesse, die im Detail für die Energieübertragung an das ICM verantwortlich sind, lange sehr umstritten. Mit anderen Worten, die Ursache der Bremskraft, die den Auftrieb der Blasen ausgleicht, ist weitgehend unbekannt. Prozesse, die zur Geschwindigkeitsverminderung der Blasen beitragen, könnten unter anderem die Anregung von Schall- und inneren Wellen, Turbulenzen im Nachstrom der Blase oder die potentielle Energie des aufsteigenden Gases sein (siehe Abb. 2).

Astrophysiker versuchen seit langem, die Dynamik der Blasen und den Heizprozess durch numerische Simulationen zu erforschen. Diese Versuche werden jedoch durch Unsicherheiten in den Eigenschaften des ICM und der Blasen, insbesondere in Bezug auf die Topologie und Stärke des Magnetfeldes, behindert. Ideale hydrodynamische Modelle führen beispielsweise häufig zu einer raschen Zerstörung der aufsteigenden Blasen. Beobachtungen zeigen jedoch, dass einige Haufen (z.B. Perseus, M87/Virgo) Hohlräume in der Röntgenemission mit relativ regelmäßigen Formen auch weit entfernt vom Zentrum der Galaxienhaufen aufweisen (siehe Abb. 1). Wie in diesem Bild zu sehen ist, sind die Blasen anfangs fast kugelförmig, werden aber flacher, sobald sie weiter aufsteigen. Phänomenologisch kann dies so interpretiert werden, als ob eine effektive Oberflächenspannung auf die Blasenoberfläche einwirkt und die Blase stabil hält. Die abgeflachte Blasenform könnte dann aus der kombinierten Wirkung zweier Effekte resultieren, zum einen dem Druckgradienten der Strömung, die die Blase entlang der Bewegungsrichtung zusammendrückt, und zum anderen der Oberflächenspannung, die verhindert, dass die Blasenoberfläche reißt. Eine detaillierte physikalische Beschreibung dieser effektiven Oberflächenspannung, die vermutlich magnetisch ist, ist jedoch schwierig. Um diese Schwierigkeit zu umgehen, modellierte ein Team aus Forschern des MPA und Oxford die Blasen als starre Körper, die im geschichteten Haufengas aufsteigen, und untersuchte die von solchen  Blasen induzierten Störungen im Gas. Dieses Model  hat zudem auch viele Anwendungen in den Atmosphärenwissenschaften und der Ozeanologie hat.

Bei diesen Untersuchungen zeigte sich, dass der Grad der Abflachung der Blasen dramatische Auswirkungen auf die Art der Bremskraft hat, die durch aufsteigende Blasen erzeugt wird. Bei kugelförmigen Blasen dominiert die Turbulenz im Nachstrom der Blase den Strömungswiderstand, ähnlich wie in einer homogenen Flüssigkeit, während bei stark abgeflachten Blasen die Schichtung des Gaseszu ausgeprägten Änderungen der Strömung führt. Die abgeflachten Blasen bewegen sich langsamer; insbesondere sind in den Simulationen deutliche Anzeichen von inneren Wellen zu erkennen. Solche Wellen ähneln konzeptionell den Oberflächenwellen von Schiffen, die sich im Wasser bewegen. Der Film unten zeigt, wie interne Wellen angeregt werden und sich horizontal und nach unten von der aufsteigenden Blase ausbreiten und ihre Energie sich über ein großes Volumen des ICM verteilt (siehe Abb. 3).

Damit sind innere Wellen die beste Erklärung für den Blasen-ICM-Heizungs-Prozess, da (1) die inneren Wellen auf die zentrale Region eines Galaxienhaufens beschränkt sind, weil die Brunt-Väisälä-Frequenz (also die Auftriebsfrequenz) eine abnehmende Funktion des Radius ist und somit die Energie nicht außerhalb des Kerns entweicht; (2) können diese Wellen sich in tangentialer Richtung (azimuthal) bewegen und Energie im Kern des Galaxienhaufens verteilen. Ein weiteres interessantes Merkmal der inneren Wellen ist ein komplexes Muster im Nachstrom der Blase, das durch das Wechselspiel zwischen Auftrieb und der von der abgeflachten Blase erzeugten Wirbel erzeugt wird.

Simulation sagen vorher, das die zu erwartende Endgeschwindigkeit der nordwestlichen Blase im Perseus-Cluster (markiert mit einer weißen Ellipse in Abb. 1) in etwa 200 km/s ist, was mit den bisher einzigen Messungen der Gasgeschwindigkeit im ICM durch den japanischen Röntgensatellit Hitomi weitgehend übereinstimmt. Diese Schätzung passt auch zu der Geschwindigkeit, die aus der Analyse der Morphologie und Größe der kalten Gasfilamente im Nachstrom der Blase bestimmt wird. Diese Ergebnisse sind sehr ermutigend, stellen aber nur den ersten Schritt zu einer umfassenden Modellierung der Blasen in Galaxienhaufen und einer vollständigen Inventur aller relevanten Heizprozesse für das ICM dar.

Abgeflachte Blase in einer geschichteten Haufenatmosphäre

Abbildung 3

Spezifische kinetische Energie des Gases in Simulationen mit einer abgeflachten Blase, die sich in einem geschichteten Gas bewegt. Interne Wellen werden angeregt, was durch ein charakteristisches "Tannenbaummuster" sichtbar wird.

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