Lange Radiowellen des LOFAR Teleskops dokumentieren Verjüngungskur im Weltall

1. Dezember 2017

Bei Beobachtungen an Galaxienhaufen haben Astronomen unter Mitwirkung des MPA eine neue Klasse von kosmischen Radioquellen aufgespürt. Mit dem digitalen Radioteleskop Low Frequency Array (LOFAR) empfingen sie die längsten Radiowellen, die auf der Erde gemessen werden können, und sahen in der Radiostrahlung einen ungewöhnlichen „Schweif“ hinter einer Galaxie, der nach seinem Erblassen erneut mit Energie versorgt worden sein muss. In dem Fachmagazin Science Advances beschreibt das Team seine Entdeckung, die entweder eine theoretische Vorhersage zur Interaktion von Stoßwellen mit Radioplasma bestätigt oder ein neuartiges Phänomen darstellt.

Wenn sie mit Hilfe ihrer Radioteleskope ins Weltall schauen, erkennen Astronomen hinter wandernden Galaxien oftmals lange, im Radiolicht leuchtende Schweife. Diese Spuren entstehen, wenn das aktive schwarze Loch im Zentrum einer Galaxie Wolken von energiegeladenen, fast lichtschnellen Elektronen produziert, die hinter der Galaxie zurückbleiben, während diese das Gas durchquert, das den intergalaktischen Zwischenraum füllt.

Normalerweise verblassen diese Leuchtspuren mit der Zeit, bis sie zuletzt gar nicht mehr zu sehen sind, da die Elektronen ihre Energie abstrahlen. Eine Forschergruppe aus Deutschland, Italien, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten, die den Galaxienhaufen Abell 1033 bei sehr niedrigen Radiofrequenzen beobachtete, stellte jedoch fest: Einer der Schweife verhielt sich anders als erwartet und begann, im Galaxien-Gas erneut zu glühen (siehe Illustration).

Dies ist überraschend, da die Elektronen-Wolken, aus denen die Schweife bestehen, ihre Energie nach und nach abgeben. Sie müssten daher immer schwächer werden, bis sie schließlich ganz verschwinden. Statt dessen leuchtet der beobachtete Schweif jedoch nach mehr als hundert Millionen Jahren immer noch – und das mitten im Zentrum eines Haufens, in dem gerade mehrere Galaxien verschmelzen.

Für Dr. Torsten Enßlin am MPA war dies allerdings keine Überraschung, sondern die Bestätigung einer von ihm getätigten Vorhersage. Bereits 2001 hatte er in Zusammenarbeit mit dem indischen Wissenschaftler Gopal Krishna (IUCAA) einen Zusammenhang zwischen der Gasdynamik in Galaxienhaufen und einer Verjüngung von Radioplasma postuliert. Wenn Radioplasma durch Stoßwellen komprimiert wird, gewinnen die Elektronen adiabatisch Energie, so wie die Moleküle in einer Fahrradpumpe bei Kompression heißer werden. Dadurch können die Elektronen wieder so viel Energie haben, dass sie im Frequenzbereich von Radioteleskopen sichtbar werden. Wichtig ist, dass die Kompression schnell genug passiert, damit der Energiegewinn größer ist als die gleichzeitig auftretenden Strahlungsverluste, die die Elektronen rasch wieder unsichtbar machen. Somit könnte die jetzt gemachten Entdeckung eines aufleuchtenden Radioschweifes diese Theorie von Enßlin und Krishna bestätigen. Torsten Enßlin war für die theoretische Interpretation der aktuellen Beobachtungen mit verantwortlich.

Die in Abell 1033 beobachteten Strukturen und ihre Entstehung bleiben dennoch rätselhaft. Der Schweif besitzt gigantische Ausmaße und sollte im astrophysikalischen Sinne eigentlich „tot“ sein, da der Radioschweif nur dann wie ein Phönix aus der Asche auferstehen kann, wenn eine Stoßwelle das Gas über eine große Strecke gleichzeitig zusammenquetscht. Der Winkel zwischen Schweif und Stoßwelle müsste genau abgestimmt sein, sonst würde nur ein kurzes Stückchen aufleuchten. Entweder ist diese spezielle Geometrie in diesem Fall einfach nur ein Zufall, was gleichzeitig auch erklären könnte, warum dieses Phänomen in dieser Größe so selten auftritt. Oder aber ein ganz anderer, noch unbekannter Mechanismus muss für die Verjüngung verantwortlich sein.

Ermöglicht wurde die neue Entdeckung durch eine Kooperation zwischen dem indischen Giant Meterwave Radio Telescope (GMRT) und dem europäischen Low Frequency Array (LOFAR). LOFAR ist in der Lage, Radiowellen mit einer Länge von bis zu 30 Metern zu detektieren. Das einzigartige Teleskop verbindet tausende Antennen, die in acht verschiedenen Ländern stehen und deren Daten in einem Supercomputer in Groningen (Niederlande) zusammenlaufen. Der Rechner sammelt pro Sekunde 200 Gigabyte an Daten und bildet so ein virtuelles Radioteleskop, das genauso groß ist wie der europäische Kontinent und daher sehr langwellige und schwache Radiosignale auffangen kann. Das MPA betreibt eine LOFAR-Station in Unterweilenbach in der Nähe von München.

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