Was die Röntgenemission von Galaxien und Galaxienhaufen verrät
Durch die Kombination der Daten von 250.000 einzelnen Objekten ist es einem vom MPA geleiteten Wissenschaftlerteam zum ersten Mal gelungen, die Röntgenemission einheitlich für Objekte zu messen, deren Massen von Milchstraßen-ähnlichen Objekten bis hin zu mächtigen Galaxienhaufen reichen. Die Ergebnissen sind überraschen einfach und geben neue Einsichten, wie die gewöhnliche Materie heute im Universum verteilt ist – und wie diese Verteilung durch den Energieeintrag von galaktischen Kernen beeinflusst wird.
Auch wenn Galaxien mit ihren Milliarden Sternen unfassbar große Objekte zu sein scheinen, so gibt es im Universum sogar noch größere Objekte: Galaxienhaufen sind die größten Strukturen im Gleichgewicht. Sie können Hunderte von Galaxien enthalten und eine Gesamtmasse tausendmal als die der Milchstraße umfassen. Im sichtbaren Licht scheinen sich Galaxien und Galaxienhaufen erheblich zu unterscheiden (siehe Abb. 0), Computersimulationen wie die Millennium-Simulation haben aber gezeigt, dass die Verteilung der Dunklen Materie in Galaxien und Galaxienhaufen in sehr ähnlich aussehen sollte. Der Begriff dafür ist "Selbstähnlichkeit" und in diesem Zusammenhang bedeutet es, dass die Dunklen Materie-Halos von Galaxienhaufen mehr oder weniger nur skalierte Versionen der Dunklen Materie-Halos von Galaxien sind.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sowohl Galaxien als auch Galaxienhaufen (und deren Halos aus dunkler Materie) von heißem Gas durchsetzt sind. Dieses Gas, das auf Temperaturen von mehreren Millionen Kelvin aufgeheizt wird, strahlt energiereiche Strahlung ab, die mit Röntgenteleskopen wie ROSAT und XMM-Newton untersucht werden kann. Studien Dutzender Galaxienhaufen zeigen, dass die Röntgen-Leuchtkraft des heißen Gases mit der Gesamtmasse des Haufens ansteigt. Unabhängige Untersuchungen Dutzender elliptischer Galaxien haben gezeigt, dass die Röntgen-Leuchtkraft des heißen Gases hier mit der Sternmasse der Galaxie ansteigt. Diese beiden Korrelationen verbinden die Röntgenleuchtkraft mit unterschiedlichen Größen (Gesamtmasse für Haufen, Sternmasse für Galaxien) und wurden typischerweise auf unterschiedliche Art für die verschiedenen Objekttypen gemessen.
Ein Team am MPA kombinierten diese beiden Relationen nun, indem sie archivierte Beobachtungen des gesamten Himmels auswerteten. Sie analysierten die Strahlung rund um 250.000 Galaxien aus der ROSAT-Himmelsdurchmusterung - über tausend Mal mehr als in früheren Galaxienstudien verwendet wurden - und kombinierten die Röntgenemission von mehreren tausend Galaxien ähnlicher Masse sorgfältig zu einigen mittleren Bildern, ein Prozess, der als "Stapeln" bekannt ist. Beispiele für derartige gestapelte Bilder sind in Abb. 1 für zwei unterschiedliche Massenbereiche gezeigt. Mit bloßem Auge sieht die Verteilung des heißen Gases in Galaxienhaufen aus wie eine vergrößerte Version des heißen Halos um die viel kleineren Galaxien. Die vollständigen Ergebnisse sind in Abbildung 2 dargestellt, die die Beziehung zwischen der Röntgen-Leuchtkraft und der Sternmasse zeigt. Diese Relation folgt einer geraden Linie, von den einzelnen Galaxien (kleine Massen) bis hinauf zu den mächtigen Galaxienhaufen.
Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass die Steigung dieser Linie steiler ist, als man erwarten würde, wenn das heiße Gas vollkommen selbstähnlich wäre. Dies beruht wahrscheinlich auf einer Kombination mehrerer Effekte; ein wichtiger Beitrag dürfte von der Heizung durch supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien stammen. Wenn Gas in ein supermassereiches Schwarzes Loch fällt, verliert es große Mengen an Energie, die in den heißen Halo um die Galaxie gepumpt wird. Dieses "AGN-Feedback" (Rückkopplung durch den aktiven galaktischen Kern) ist ein Prozess, der wahrscheinlich für die Bildung von Galaxien und Galaxienhaufen enorm wichtig ist. Das AGN-Feedback hat auf weniger massereiche Komponenten einen größeren Einfluss, so dass es die Röntgen-Leuchtkraft von Galaxien stärker senkt als diejenige von Galaxienhaufen.
Dieser Effekt macht die Relation in Abb. 2 steiler als sie für ein vollkommen selbstähnliches Gas wäre. Die Messung der Röntgen-Leuchtkraft über einen so weiten Bereich an Objekten gibt wichtige Hinweise darauf, wie man das AGN-Feedback verstehen kann. Durch einen Vergleich dieser Messungen mit Vorhersagen aus numerischen Simulationen konnte das MPA-Team zeigen, dass das sanfte, "selbstregulierte" AGN-Feedback bevorzugt ist gegenüber einem sehr heftigen Energieeintrag.
Detaillierte Vergleiche der Ergebnisse mit früheren Messungen zeigten, dass die neuen Ergebnisse völlig im Einklang sind mit gemessenen Skalierungsrelationen für Galaxien und auch für die Skalierungsrelationen für Galaxienhaufen, die optisch ausgewählt wurden. Dies deutet darauf hin, dass eine einzige Skalierungsrelation tatsächlich beide Objekttypen beschreiben kann. Studien der Skalierungsrelation von Galaxienhaufen, die aufgrund ihrer Röntgeneigenschaften ausgewählt wurden, zeigen typischerweise eine ähnliche Steigung, haben aber eine systematisch höhere Leuchtkraft bei einer bestimmten Masse. Dies liegt wahrscheinlich an der großen Bandbreiten der Röntgeneigenschaften von Haufen einer bestimmten Masse, die in früheren Arbeiten möglicherweise unterschätzt wurde.
Letztlich komplementiert diese Arbeit eine ähnliche Analyse für die gleichen Galaxien und Galaxienhaufen mit Daten des Planck-Satelliten. Diese Analyse nutzte den Schatten, den die Atmosphäre aus heißem Gas auf den kosmischen Mikrowellenhintergrund wirft, um die gesamte thermische Energie des heißen Gases zu messen, im Gegensatz zu seiner Röntgen-Leuchtkraft, und fand, dass diese Energie selbstähnlich mit der Masse skaliert. Die Kombination dieser beiden Ergebnisse deutet darauf hin, dass es rund um Galaxien ein sehr großes Reservoir an heißem Gas gibt. Dieses wird durch das AGN-Feedback aber zu stark verdünnt, um starke Röntgenstrahlung emittieren zu können. Damit könnte das seit langem bestehende Problem lösen, wo sich die Baryonen befinden, die mit den Galaxien verbunden sein „sollten“, die man aber bisher nicht direkt nachweisen konnte.
Mike Anderson, Massimo Gaspari, Simon White (MPA), Wenting Wang (Institute for Computational Cosmology, University of Durham), Xinyu Dai (Department of Physics and Astronomy, University of Oklahoma)