Reflektiertes Quasarlicht lässt riesige, kühle Gasnebel aufleuchten

1. Mai 2022

Bereits in der Frühzeit des Universums scheinen supermassereiche schwarze Löcher mit Milliarden der Masse unserer Sonne in den Zentren massereicher Galaxien zu residieren. Wenn interstellares Gas in ihrem mächtigen Gravitationsfeld beschleunigt wird, sendet es große Mengen an Strahlung aus; „Quasare“ überstrahlen die gesamte Galaxie. Jüngste Beobachtungen haben gezeigt, dass die ersten Quasare oft von hellen, riesigen Nebeln umgeben sind. Diese können sich über mehrere 100.000 Lichtjahre erstrecken und sind damit etwa zehnmal so groß wie ihre Wirtsgalaxie. Neue detaillierte Computersimulationen zur Entwicklung von Galaxien, die am MPA durchgeführt wurden, werfen ein neues Licht auf diese rätselhaften Beobachtungen und können sie in verblüffender Detailtreue reproduzieren. Nach diesen neuen theoretischen Modellen lassen sich die beobachteten ausgedehnten Nebel durch Quasarlicht erklären, das von kühlen neutralen Wasserstoffwolken reflektiert wird, die die Wirtsgalaxie des Quasars umgeben. Dieser Mechanismus funktioniert aber nur dann, wenn die vom Quasar gelieferte Energie gigantische galaktische Winde erzeugt, die große Gasmassen aus ihrer unmittelbaren Umgebung herausblasen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Quasare die Galaxienentwicklung seit den frühesten Stadien der Galaxienbildung beeinflussen.

Wasserstoff ist das am häufigsten vorkommende Element im Universum – und das einfachste: Das Wasserstoffatom besteht aus einem Proton und einem Elektron. Trifft das Elektron auf ein Photon mit genügend Energie oder stößt es mit einem freien Elektron zusammen, gewinnt es Energie. Das Elektron kann aber auch Energie verlieren, indem es ein neues Photon erzeugt. Während das Wasserstoffatom also mit Materie und Strahlung wechselwirkt, hüpft das Elektron im Wasserstoffatom quasi wie auf einer „Energieleiter“ auf und ab. Der Übergang zwischen dem ersten angeregten Zustand des Wasserstoffs (der ersten Stufe der Leiter) und seinem Grund- (oder Normal-)zustand wird „Lyman-alpha“ genannt. Dieser Übergang ist im Weltraum so allgegenwärtig und führt zu einer so hellen Emission, dass er in Entfernungen von Milliarden von Lichtjahren zu sehen ist, so dass man damit Galaxien in der Frühzeit des Universums untersuchen kann.

Die Ausbreitung der Lyman-Alpha-Strahlung ist ein äußerst komplexer Prozess, da Photonen leicht von neutralem Wasserstoff absorbiert werden und diesen dabei auf das erste Energieniveau anregen. Angeregtes Wasserstoffgas erzeugt sofort Lyman-alpha-Photonen, die dann erneut mit neutralem Wasserstoff interagieren. Auf ihrer Reise vom Ursprungsort in den intergalaktischen Raum prallen die Lyman-alpha-Photonen immer wieder an neutralem Wasserstoff ab, bevor sie schließlich unsere Teleskope erreichen (siehe Abbildung 1). Bei jedem Abprall ändert sich die Frequenz der meisten Lyman-Alpha-Photonen um einen kleinen Betrag aufgrund des Doppler-Effekts. Wenn viele Kollisionen stattfinden, kann sich die Frequenz am Ende so stark ändern, dass das Photon nicht mehr mit neutralem Gas „in Resonanz“ ist und nicht mehr effektiv absorbiert werden kann.

Die jüngste Entdeckung riesiger Lyman-alpha-Nebel um einige der am weitesten entfernten bekannten Quasare wirft große    Rätsel auf: Was sind diese reichlich vorhandenen neutralen Wasserstoffreservoirs um die ersten supermassereichen Schwarzen Löcher? Wie werden diese Wolken beleuchtet?

Neue Antworten haben Forscher des MPA gegeben, die diese Beobachtungen mit neuen, detaillierten Simulationen der Galaxienentwicklung reproduzieren konnten. Ihre Studie zeigt, dass Lyman-alpha-Nebel reinem, kühlem Gas auf seiner langen Reise vom intergalaktischen Medium bis in die Zentren von Galaxien folgen, wo daraus neue Sterne entstehen und das zentrale supermassive Schwarze Loch wächst.

Die Simulationen deuten auch auf mehrere Erklärungen hin, wie diese riesigen kühlen Gaswolken in Lyman-alpha aufleuchten. In einem Szenario wird die Lyman-alpha-Strahlung, die aus der Nähe des Quasars zu kommen scheint, vom Quasar selbst in den zentralen Regionen der Wirtsgalaxie erzeugt. Auf ihrem Weg zum Beobachter werden diese Photonen an einfallendem neutralem Wasserstoffgas reflektiert, und zwar bis zu einer Entfernung von mehreren 100.000 Lichtjahren vom Quasar, und erzeugen so einen großen, leuchtenden Nebel. Interessanterweise funktioniert dieser Mechanismus aber nur, wenn eine wichtige Bedingung erfüllt ist: Die vom Quasar injizierte Energie muss das Gas aus den zentralen Regionen der Galaxie herausblasen. Ist dies nicht der Fall, bleiben die Lyman-Alpha-Photonen im galaktischen Zentrum gefangen. Dort erfahren sie derart extreme Frequenzverschiebungen, dass sie nicht mit neutralem Gas außerhalb der Galaxie wechselwirken können. In diesem Fall verschwindet der Nebel (linke Seite der Abbildung 2).

Vermindert der Quasar jedoch die Menge des Wasserstoffgases in seiner Wirtsgalaxie, können die Lyman-Alpha-Photonen in große Entfernungen entweichen, wo sie mit neutralem Gas wechselwirken und von diesem reflektiert werden. Die sich daraus ergebenden Nebel sind den Nebeln, die um die ersten Quasare beobachtet wurden, sehr ähnlich (Mitte und rechte Seite von Abbildung 2). Diese enge Übereinstimmung zwischen Theorie und Beobachtung ist ein Beweis dafür, dass Quasare die Eigenschaften ihrer Wirte seit den frühesten Stadien der Galaxienbildung im Universum beeinflussen.

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