In Zentren einiger nahe gelegener Galaxien finden sich ungewöhnliche Populationen sehr massereicher Sterne

1. Februar 2022

Eine neue Galaxienstudie mit Daten aus der MaNGA-Himmelsdurchmusterung zeigt, dass die „Ursprüngliche Massenfunktion“ von Sternen, d. h. die Massenverteilung bei ihrer Entstehung, möglicherweise nicht so universell ist, wie allgemein angenommen. Die MPA-Studie fand in einigen Galaxien einen Überschuss an sehr massereichen Sternen. Der gleichezeitige Überschuss an Radioquellen in der Stichprobe könnte ein interessanter Hinweis darauf sein, dass in diesen Galaxien eine verborgene Population Schwarzer Löcher existieren könnte.

Wie entstanden die ersten Schwarzen Löcher im Universum? Dies ist eine der wichtigsten unbeantworteten Fragen der Astrophysik. Auch welche Prozesse hierbei wichtig sind und die nachfolgenden Wachstumsepisoden bei Schwarzern Löcher auslösen, bleibt ein Rätsel. Modelle für die Entstehung von Schwarzen Löchern lassen sich im Allgemeinen in zwei Kategorien einteilen: 1) der direkte Kollaps von Gaswolken mit geringem Drehimpuls, 2) die Verschmelzung und Akkretion in dichten Sternhaufen.

Die Wissenschaftler des MPA nutzen seit fast 20 Jahren die Daten des Sloan Digital Sky Survey, um Erkenntnisse über die Prozesse zu gewinnen, die Schwarze Löcher wachsen lassen. Die neuesten Daten der Himmelsdurchmusterung MaNGA („Mapping Nearby Galaxies at APO“) versprechen, ein neues Gebiet für derartige Studien zu erschließen. Im Gegensatz zu früheren Durchmusterungen des Sloan Digital Sky Survey-Konsortiums, bei denen Spektren nur in den Zentren der Galaxien aufgenommen wurden, führte MaNGA in etwa 10.000 nahen Galaxien Spektralmessungen über deren gesamte Fläche durch.

Das MaNGA-Programm verwendete 17 simultane „Integral Field Units“ (IFUs), die jeweils aus einer dichten Packung optischer Fasern bestehen. Aus diesen Daten kann eine Vielzahl von Galaxienparametern abgeleitet werden: zweidimensionale Karten der Sterngeschwindigkeit und der Geschwindigkeitsdispersion, mittleres Sternalter und Sternentstehungsgeschichte, stellare Metallizität, Informationen über die Häufigkeit verschiedener chemischer Anreicherungen, Massenoberflächendichte der Sterne, Geschwindigkeit des ionisierten Gases, Metallizität des ionisierten Gases, Sternentstehungsrate und Staubextinktion.

Die Modelle, die zur Ableitung vieler dieser Größen verwendet werden, gehen in der Regel davon aus, dass die Ursprüngliche Massenfunktion (IMF von engl. „initial mass function“) der Sterne überall gleich ist, d. h., dass es eine einheitliche Massenverteilung der Sterne gibt, wenn sie entstehen. Aber ist dies wirklich der Fall? Die allgemein akzeptierten Beweise dafür, dass die IMF bei den massereichsten Sternen von der Standardform abweichen kann, stammen aus Untersuchungen von Sternhaufen in der Nähe unseres eigenen galaktischen Zentrums. Diese zeigen einen Überschuss an massereichen und jungen Wolf-Rayet- sowie O- und B-Sternen, die zwischen zwei rotierenden, scheibenförmigen Strukturen verteilt sind. Aufgrund des jungen Alters (6-8 Myr) dieser Sterne geht man davon aus, dass sie sich in sehr dichtem, akkretiertem Gas gebildet haben. Massereiche Sterne beenden ihr Leben eher als Schwarze Löcher denn als Neutronensterne, so dass ihre Existenz im galaktischen Zentrum von besonderem Interesse für die Entstehung von Schwarzen Löchern in extremen Umgebungen ist.

In einer neuen Studie, die sie während langer Monate zu Hause während der COVID-19-Pandemie durchführte, nutzte Guinevere Kauffmann erste MaNGA-Daten, um systematisch nach Galaxien zu suchen, in deren Zentren es deutliche Hinweisen auf ungewöhnliche stellare Populationen gibt. Insbesondere suchte sie nach Systemen, bei denen die urspüngliche Massenfunktion bei hohen Sternmassen flacher war als im Standardmodell.

In einer Stichprobe von 668 Galaxien die von SDSS „von oben“ beobachtet wurden und deren Massen innerhalb eines Faktors 10 um die Masse der Milchstraße lag, konnte Kauffmann 15 Galaxien mit einem deutlichen Überschuss an jungen, massereichen Sternen identifizieren. Eine Reihe von beobachtbaren Indikatoren führte zu dieser Schlussfolgerung, wie z. B. eine sehr leuchtstarke Hα-Emission von Gas, das durch die ultraviolette Strahlung junger Sterne angeregt wird, sowie Merkmale, die für ausströmendes, heliumangereichertes Material von Wolf-Rayet-Sternen charakteristisch sind. Die Stärke dieser Merkmale nahm in Richtung der Zentren der Galaxien systematisch zu und erreichte Werte, die mit einer Standard-IMF unvereinbar sind.

Außerdem kam die Studie zu dem Schluss, dass die Entstehung von Schwarzen Löchern in diesen Galaxien bei optischen Wellenlängen nur schwer eindeutig nachgewiesen werden kann. Die stärksten Emissionslinien und deren gegenseitiges Verhältnis lieferten in 14 der 15 Galaxien keine Hinweise auf Ionisierung durch Quellen mit einem „harten Spektrum“ – wie man es erwarten würde, wenn eine signifikante Akkretion Schwarzer Löcher stattfände, die nicht von Staub verdeckt wird. Nur ein Objekt zeigte eindeutige Hinweise auf eine solche Akkretion, zusammen mit begleitenden Signaturen von großräumigen Störungen des ionisierten Gases in der Galaxie. Die Studie ergab jedoch auch einen Überschuss an Radioquellen in der Stichprobe im Vergleich zu ähnlichen Galaxien mit einer normalen, jungen Sternpopulation. Dies ist ein verblüffender Hinweis darauf, dass in diesen Objekten eine versteckte Population Schwarzer Löcher existieren könnte. Im Gegensatz zur UV- und optischen Emission würde die Radioemission von relativistischen Teilchen in der Nähe von Schwarzen Löchern nicht stark durch Staub absorbiert werden.

Derzeit werden die rätselhaften Phänomene in diesen ungewöhnlichen galaktischen Zentren mit verschiedenen Strategien genauer erforscht. Schauen Sie wieder vorbei, es bleibt spannend!

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