Die Temperatur des Universums: es wird heißer
Wie heiß ist das Universum heute? Wie heiß war es in der Vergangenheit? Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift "Astrophysical Journal" veröffentlicht wurde, deutet darauf hin, dass sich die mittlere Temperatur großer Strukturen im Universum in den letzten zehn Milliarden Jahren um das Zehnfache erhöht hat und heute etwa zwei Millionen Grad beträgt.
Die großräumige Struktur im Universum bezeichnet das kosmische Netz, in dem Galaxien und Galaxienhaufen angeordnet sind. Dieses riesige Muster entwickelte sich aus ursprünglich winzigen „Unebenheiten“ in der Verteilung der Materie im jungen Universum, die durch die Schwerkraft um ein Vielfaches verstärkt wurden. „Während das Universum wuchs, zog die Schwerkraft die im Weltall verteilte dunkle Materie und Gas in Galaxien und Galaxienhaufen hinein“, sagt Yi-Kuan Chiang, Hauptautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für Kosmologie und Astroteilchenphysik der Universität Ohio. „Diese gravitative Anziehung ist sehr stark - so stark, dass eine immer größere Menge an Gas durch Schockwellen aufgeheizt wird.“
Dieses erhitzte Gas kann nun dazu genutzt werden, die mittlere Temperatur des Universums zu verschiedenen Zeiten zu beobachten. Genauer gesagt verwendeten die Forscher den sogenannten Sunyaev-Zeldovich-Effekt, benannt nach dem emeritierten Direktor des Max-Planck-Instituts für Astrophysik Rashid Sunyaev, der diesen Effekt als erster theoretisch vorhersagte. Der Effekt wird beobachtet, wenn Photonen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds mit ihrer geringen Energie an heißen Elektronen in der großräumigen Struktur des Universums gestreut werden. Durch die Streuung wird Energie von den Elektronen auf die Photonen übertragen, wodurch die heißen Elektronen sichtbar werden. Die Stärke des Sunyaev-Zeldovich-Effekts ist proportional zum thermischen Druck des Gases, der wiederum proportional zu der Temperatur der Elektronen ist.
Doch auch wenn diese Messung in der Theorie leicht zu erklären ist, so war das Erfassen der dafür nötigen Daten kein leichtes Unterfangen. Die Studie entstand in Zusammenarbeit von Forschern des Kavli Instituts für Physik und Mathematik des Universums (Kavli IPMU) an der Universität Tokio, der Johns-Hopkins-Universität und des Max-Planck-Instituts für Astrophysik. Die Wissenschaftler verwendeten Daten sowohl vom Planck-Satelliten als auch vom Sloan Digital Sky Survey (SDSS). Planck ist eine Mission der europäischen Weltraumorganisation ESA, welche die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung vermessen hat. SDSS sammelt detaillierte Bilder und Spektren von Galaxien. Mit der Kombination dieser beiden Datensätze konnten die Wissenschaftler den thermischen Druck um Galaxien und Galaxienhaufen messen.
Dabei kam die Studie zu dem Ergebnis, dass vor etwa acht Milliarden Jahren (bei einer Rotverschiebung von 1) die mittlere Temperatur der Elektronen etwa 700 000 Kelvin betrug und bis heute auf zwei Millionen Kelvin anstieg. Außerdem konnten die Forscher zeigen, dass diese Temperaturentwicklung fast vollständig durch das Wachsen der großräumigen Strukturen hervorgerufen wird: in kollabierenden Galaxien und Galaxienhaufen wird Gas durch Schocks aufgeheizt.
Bereits im Jahr 2000 war Eiichiro Komatsu, Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik und leitender Wissenschaftler beim Exzellenzcluster Ursprünge, an einer früheren Studie beteiligt, um herauszufinden wie sich die Temperatur des Universums entwickelt. „Seit 20 Jahren untersuchen wir, wie man dies mit dem Sunyaev-Zeldovich-Effekt messen könnte“, erinnert er sich. „Jetzt haben wir endlich die Temperatur des Universums gemessen, und zwar nicht nur dank eines bemerkenswerten Fortschritts bei den Beobachtungsdaten sondern auch aufgrund der engagierten Arbeit von brillianten jungen Wissenschaftlern wie Yi-Kuan Chiang und Ryu Makiya. Das erfüllt mich mit Genugtuung“, fügt Komatsu hinzu.