Die Entstehung der diffusesten Kerne von Riesengalaxien im Universum
In den Zentren von riesigen elliptischen Galaxien verstecken sich supermassereiche schwarze Löcher (SMBHs), die mehrere 10 Milliarden Sonnenmassen schwer sein können. Zugleich „fehlt“ Licht in den Kernen dieser Galaxien, denn ihre stellare Kerndichte ist viel niedriger als bei anderen Riesengalaxien. Ein Forscherteam der Universität von Helsinki und der astronomischen Max-Planck Institute in Garching haben den Ursprung des „fehlenden Lichts“ mit einer neu entwickelten Simulationsmethode und realistischen Galaxienmodellen untersucht. Wenn zwei elliptische Riesengalaxien und deren stellare Kerne incl. SMBHs miteinander verschmelzen, werden viele Sterne aus der zentralen Region herausgeschleudert. Die neuen Modelle können die gleichzeitige Bildung von diffusen Galaxienkernen und weiterer beobachteter Eigenschaften wie entkoppelter Rotation und anisotroper stellarer Geschwindigkeitsdispersionen erklären.
Massereiche elliptische Galaxien sind nicht nur die größten Galaxien – mit bis zu 1013 Sonnenmassen – sie haben auch sehr unterschiedliche Eigenschaften im Vergleich zu ihren kleineren Geschwistern. In ihren Zentren sitzen supermassereiche schwarze Löcher (SMBHs), deren Masse etwa 0.1% der gesamten stellaren Masse beträgt. Damit können diese SMBHs mehrere Milliarden Sonnenmassen schwer werden. Auch die Eigenschaften der Sterne im Zentrum sind sehr speziell. Die beobachteten Flächenhelligkeiten sind deutlich niedriger als bei anderen Riesengalaxien und statt eines deutlichen Anstiegs zum Zentrum bleibt die Helligkeit in der Kernregion konstant. Zusätzlich bewegen sich die Sterne in den meisten dieser Galaxien auf Kreisbahnen, Sterne auf radialen Bahnen scheinen zu fehlen. Auch rotieren die Kernregionen häufig entkoppelt vom Rest der Galaxie.
Der Ursprung all dieser Eigenschaften könnten Kollisionen von Galaxien sein – verschmelzende Galaxien werden häufig am Himmel beobachtet. Bisherige numerische Simulationen haben bereits Hinweise darauf geliefert, dass sich Kerne niedriger Dichte bilden, wenn zwei elliptische Galaxien und deren Zentren mit SMBHs miteinander verschmelzen. Der Prozess wird als „Auswaschung durch Schwarze Löcher“ (engl. black hole scouring) bezeichnet – Sterne werden aus dem Zentrum herausgeschleudert. Zuverlässige Modelle dieses Prozesses benötigen hochgenaue Simulationsprogramme, welche die Gravitationswechselwirkung der entstehenden Doppelsysteme von schwarzen Löchern mit den umgebenden Sternen und das Verschmelzen der schwarzen Löcher genau berechnen können. Frühere Studien verwendeten hierzu recht einfache Galaxienmodelle mit geringer Auflösung – auch wurde oft die Verschmelzung der schwarzen Löcher selbst nicht mitsimuliert.
Ein Forscherteam der Universität von Helsinki und am MPA/MPE haben eine neue Simulationsmethode mit dem Namen KETJU (finnisch für „Kette“) entwickelt. KETJU erlaubt größere und realistischere Simulationen und kombiniert einen hierarchischen Baum-Algorithmus (treecode) auf großen Skalen mit einer Regularisierungsmethode auf kleinen Skalen. Damit können sowohl Gravitationskräfte auf Kiloparsec-Skalen galaktischer Halos also auch auf Milliparsec-Skalen verschmelzender Schwarzer Löcher – welche Gravitationswellen aussenden – berechnet werden. Die Simulationen der verschmelzenden Galaxien werden hiermit realistischer, denn die Modelle enthalten jetzt einen ausgedehnten Halo aus Dunkler Materie.
Die Studie zeigt, dass sich ein diffuser Galaxienkern auf einer sehr kurzen Zeitskala von nur 30 Millionen Jahren bilden kann – aber nur, wenn die verschmelzenden Galaxienkerne ein supermassereiches schwarzes Loch besitzen. Auf dieser Zeitskala werden Sterne mit einer Gesamtmasse, die den zwei verschmelzenden schwarzen Löchern entspricht, aus den Galaxienkernen herausgeschleudert. Wenn es keine SMBHs in den Kernen gibt, findet dieser Prozess nicht statt (Fig. 1). Für schwerere schwarze Löcher werden mehr Sterne herausgeschleudert – dieser Trend findet sich auch in Beobachtungen. Die Simulationen können selbst extrem diffuse Kernregionen wie die der Galaxie NGC1600 erklären (Fig. 2). Diese Galaxie hat ein besonders schweres schwarzes Loch mit einer sehr großen Kernregion.
Die schwarzen Löcher beeinflussen nicht nur die stellare Kerndichte sondern auch die Bewegung der Sterne in der Zentralregion. Nach dem Herausschleudern bewegen sich die übriggebliebenen Sterne hauptsächlich auf Kreisbahnen und kommen dem zentralen schwarzen Loch nicht mehr nahe. Sterne auf radialen Bahnen wurden von den Galaxienkernen mit den schwarzen Löchern aus dem Zentrum herausgeschleudert. Auch hier ist der Effekt für schwerere schwarze Löcher stärker und stimmt gut mit den Beobachtungen überein. Die Studie zeigt zudem, dass die verschmelzen schwarzen Löcher zu einer Rotation der Kernregion führen. Für den hier gezeigten Fall rotiert die Kernregion sogar in entgegengesetzter Richtung (Fig. 3). Diese Art entkoppelter Rotation wird bei vielen elliptischen Riesengalaxien mit diffusen Kernen beobachtet.
Das Team konnte damit zeigen, dass alle wichtigen photometrischen und kinematischen Eigenschaften der Zentren massereicher elliptischer Galaxien – diffuse Kerne, entkoppelte Rotation und die stellare Bahnverteilung – durch die Verschmelzung von Galaxienkernen und deren SMBHs erklärt werden können: die dynamische Entwicklung und finale Vereinigung von SMBHs in einer Galaxienverschmelzung. Für eine Folgestudie untersuchen die Forscher das Gravitationswellensignal, welches bei der letztendlichen Verschmelzung der schwarzen Löcher entsteht.
Thorsten Naab für das Forscherteam:
Antti Rantala & Peter Johansson (University of Helsinki, Finland)
Thorsten Naab & Matteo Frigo (Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching)
Jens Thomas (Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching)
Wir bedanken uns für die Unterstützung des finnischen Supercomputerzentrums CSC-IT Center for Science und die Max Planck Supercomputing and Data Facility.