Wärmeleitung in Galaxienhaufen
Die dominante baryonische Komponente eines Galaxienhaufens ist heißes, dünnes Plasma, das sich in der Gravitationskraft der umgebenden, dominierenden dunklen Materie angesammelt hat. Dies macht Galaxienhaufen zu einzigartigen Laboratorien für eine Vielzahl von Plasma-Phänomenen auf einem extrem großen Skalenbereich. Komplizierte Plasmavorgänge auf Mikroskalen, mehr als zehn Größenordnungen kleiner als die Größe des Haufens, wirken sich auf die großräumigen Eigenschaften des Haufens aus; so zum Beispiel beeinflusst eine Modifikation des Teilchentransports das Temperaturprofil. Viele rätselhafte Eigenschaften von Galaxienhaufen, wie die Stabilität der kühlen Kerne, steile lokale Gradienten oder die kleinräumige Struktur in Temperaturkarten sind eng mit dem Problem der Wärmeleitung in dem Intra-Cluster Medium (ICM) verbunden.
Aus Röntgenbeobachtungen wird klar, dass das ICM eine Vielzahl von heftigen physikalischen Prozessen zeigt, wie die Verschmelzung von Haufen, kollabierende Galaxien, Schockwellen und aktive galaktische Kerne. Diese machen das Plasma auf ganz natürliche Weise turbulent. Darüber hinaus zeigen Radiobeobachtungen Anzeichen dafür, dass das ICM mit Magnetfeldern durchdrungen ist. Die Feldstärke ist ausreichend, um die Bewegung geladener Teilchen auf Spiralbahnen um die Feldlinien mit einem winzigen Larmor-Radius einzuschränken, der viel kleiner ist als die mittlere freie Weglänge der Teilchen. Dies schließt effektiv einen Teilchentransport senkrecht zu den Feldlinien aus. Außerdem ist ein solches Plasma instabil gegenüber Druck-Anisotropien, die leicht durch turbulente Bewegungen erzeugt werden. Diese Instabilitäten wachsen schnell auf Larmor-Skalen.
Bei der Untersuchung der Wärmeleitung ist die Spiegel-Instabilität von besonderem Interesse. In diesem Fall wird die magnetische Feldstärke mit einer signifikanten Amplitude in der Größenordnung des lokalen mittleren Magnetfeldes gestört. Die Korrelationslänge der Spiegel-Instabilität ist nur zwei Größenordnungen länger als der Elektronen-Larmor-Radius, und etwa zehn Größenordnungen kleiner als die mittlere freie Weglänge. Dies bedeutet, dass solche Störungen Elektronen magnetisch „spiegeln“ können: geladene Teilchen, das sich entlang einer Feldlinie bewegen, werden von einem Bereich mit einem starken Magnetfeld reflektiert. Werden die Störungen des Magnetfeldes von Turbulenzen auf Skalen über der mittleren freien Weglänge erzeugt, ist das magnetische Einfangen unwirksam. Die Spiegel-Instabilitäten dagegen sind auf Skalen vergleichbar mit dem Ionen-Larmor-Radius, wo sie den Elektronentransport erheblich unterdrücken können.
Die Skala der Spiegel-Instabilitäten ist bei weitem kleiner als die aktuelle Beobachtungsgrenze. Stattdessen muss man sich numerischen Simulationen zuwenden. Erst seit kurzem sind Teilchen-in-Zelle-Simulationen in der Lage, Mikroinstabilitäten, die durch Druck-Anisotropien angetrieben werden, zu untersuchen. In diesen Simulationen wird ein Plasmabereich (mit einer linearen Größe in der Größenordnung von einigen hundert Ionen-Larmor-Radien) einer Scherung ausgesetzt, die magnetischen Feldlinien werden gestreckt, Druck-Anisotropien werden erzeugt und die Instabilität wird ausgelöst.
Wissenschaftler am MPA haben die Ergebnisse dieser Simulationen verwendet, um die Bewegung von Elektronen in Spiegel-Instabilitäten zu untersuchen (Abb. 1). Sie verwendeten einen Monte-Carlo-Ansatz, um die Diffusions- und Wärmeleitungskoeffizienten für eine repräsentative Feldlinie aus der Simulation zu schätzen. Es zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion der magnetischen Feldstärke entlang der Feldlinie abbricht und zwar bei einer Feldstärke von einem Mehrfachen des Anfangswerts. Dies führt nur zu einer moderaten Unterdrückung des Teilchentransports. In dem Grenzfall, wo die mittlere freie Weglänge viel größer ist als die Korrelationslänge der Spiegel-Instabilitäten, wird die Diffusion um einen Faktor von ~10 (Abb. 2) unterdrückt. Dieser Wert muss anschließend in einen Wert für die Unterdrückung der Wärmeleitung überführt werden.
Durch die zusätzliche Anwesenheit von Diffusion im Energiebereich wird die thermische Leitfähigkeit um etwa einen Faktor zwei weniger effektiv unterdrückt als der Teilchentransport. Die sich ergebende Unterdrückung um einen Faktor ~5 scheint nur sehr schwach von makroskopischen Parametern des ICM abzuhängen, solange der Ionen-Larmor-Radius viel kleiner ist als die Korrelationsskala der Spiegel-Instabilitäten, was im ICM in der Tat sehr gut erfüllt ist. Der Effekt tritt dabei zusätzlich zu anderen Unterdrückungsmechanismen auf und unabhängig von ihnen.