Wie Sterne aus molekularem Gas entstehen

1. Juli 2015

Die Sternentstehungsrate in Galaxien ändert sich erheblich, sowohl bei verschiedenen Galaxientypen als auch über galaktische Zeitskalen hinweg. MPA-Astronomen haben nun versucht, genauere Einblicke zu erhalten, wie sich das interstellare Medium in unterschiedlichen Galaxien verändert, indem sie das molekulare Gas in einer Vielzahl von Galaxien untersuchten: von Gas-armen, massereichen elliptischen Galaxien bis hin zu irregulären, in denen viele neue Sterne entstehen. Außerdem untersuchten sie auch unterschiedliche Regionen innerhalb der Galaxien, von den Zentren bis hin zu den äußeren Scheiben. Dabei fanden sie heraus, dass die charakteristische Zeit für den Verbrauch des Gases sowohl von der Stärke der lokalen Gravitationskräfte als auch von der Sternentstehungsaktivität in der Galaxie abhängt.

Molekülwolken sind Wolken in Galaxien, die überwiegend aus molekularem Wasserstoff bestehen. Sie sind die stellaren Kindergärten, in denen das Gas dicht genug ist, um neue Sterne und Planetensysteme zu bilden. Molekülwolken sind hochkomplexe Strukturen. Abbildung 1 zeigt ein Bild Hubble-Weltraumteleskops vom Adlernebel, einer nahe gelegenen Molekülwolke mit einer stark filamentartigen und unregelmäßigen Struktur.

In der Nachbarschaft unserer Sonne machen Molekülwolken bis nur 1% des Gesamtvolumens des interstellaren Mediums aus; Sterne bilden sich hier mit einer mäßigen Rate von ein paar Sonnenmassen pro Jahr. Im frühen Universum jedoch gibt es Anzeichen dafür, dass Galaxien viel mehr molekulares Gas enthalten und deshalb können hier die Sternentstehungsraten bis zu tausend Mal höher sein als in unserer Milchstraße. Dichte und Druck im interstellaren Medium dieser frühen Galaxien sind ebenfalls um Größenordnungen höher als in der Umgebung der Sonne, und es ist unwahrscheinlich, dass die Molekülwolken in diesen Systemen die gleichen sind wie im sehr gut analysierten Adler-Nebel.

Kürzlich führte eine MPA-Gruppe Studien durch, in denen sie die Veränderung der Beziehung zwischen der lokalen Dichte von molekularem Gas und neu gebildeten Sternen unter die Lupe nahmen. Sie nutzten dies für die Diagnose, wie sich die Bedingungen im interstellaren Medium ändern. Nach der Standardtheorie existieren die Molekülwolken in einem Gleichgewicht zwischen den Gravitationskräften, die die Wolke zusammenhalten und kollabieren lassen wollen, und den Druckkräften (vor allem durch das Gas), die die Wolke vor einem Kollaps schützen. Werden diese Kräfte aus dem Gleichgewicht gebracht, wie beispielsweise in einer Supernova-Schockwelle, so beginnt die Wolke zu kollabieren und bricht in kleinere Fragmente. Die kleinsten dieser Fragmente ziehen sich weiter zusammen werden zu Proto-Sternen.

Die Gravitationskräfte variieren erheblich von einer Galaxie zur nächsten, aber auch in verschiedenen Regionen ein- und derselben Galaxie. In der Mitte einer riesigen elliptischen Galaxie ist die Schwerkraft sehr viel höher als am Rand einer kleinen unregelmäßigen Zwerggalaxie. Ebenso kann sich die Häufigkeit von Supernova-Explosionen stark über verschiedene Galaxien und zwischen verschiedenen Orten innerhalb der gleichen Galaxie ändern. Variationen im Verhältnis zwischen der Dichte des molekularen Gases und der junger Sterne können deshalb erwartet werden als Folge dieser sich verändernden Bedingungen. Dies wird üblicherweise als Verarmungszeit (depletion time) des molekularen Gases bezeichnet.

Wie die Analyse der MPA-Gruppe zeigt (siehe Abbildung 2), hängt die Rate, mit der das molekulare Gas neue Sterne bildet, sowohl von der Schwerkraft ab (die über die lokale Flächendichte der Sterne in der Galaxie gemessen wird) als auch von der lokalen Sternentstehungaktivität in der Galaxie, die wiederum bestimmt, wie oft Supernova-Schockwellen im interstellaren Medium auftreten. Die Gasverarmungszeiten sind kürzer in Regionen, in denen die Schwerkraft ist stark und die Sternentstehungsaktivität hoch ist, insbesondere in galaktischen Bulges mit Gas und fortlaufender Sternentstehung.

Um zu diesem Schluss zu gelangen, musste eine  sehr sorgfältige Analyse einer Vielzahl von Datensätzen bei verschiedenen Wellenlängen durchgeführt werden. Insbesondere sind die Sternentstehungsraten aus einer Kombination von Infrarot-Bildern, die junge Sterne im Inneren von staubigen Wolken zeigen, und UV-Bildern von Sternen, die außerhalb dieser Wolken gewandert sind, von entscheidender Bedeutung, um diese Beziehungen so genau wie möglich ermitteln zu können. In Zukunft werden modernste interferometrische Radioteleskope, insbesondere das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) es ermöglichen, die detaillierte Struktur von Molekülwolken in Regionen mit hoher Schwerkraft sehr viel besser zu verstehen.


Guinevere Kauffmann and Mei-Ling Huang

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht