Emissionslinien vom simulierten Interstellaren Medium

1. Dezember 2022

Alle Sterne in Galaxien entstehen im dichten Gas des Interstellaren Mediums (ISM). Die ionisierende Strahlung neugeborener massereicher Sterne lässt das Gas bei charakteristischen Wellenlängen bestimmter Atome und Ionen leuchten. Die beobachteten relativen Flüsse dieser Linienemission enthalten wichtige Informationen über den Zustand und die Zusammensetzung des ISM. Die Emission von diffusem ionisiertem Gas hat allerdings unterschiedliche relative Flüsse, was genaue Vorhersagen erschwert. Forschende am MPA und internationale KollegInnen haben jetzt mit Hilfe von Supercomputern ein realistisches sternbildendes ISM simuliert, um den Einfluss des diffusen Gases zu bestimmen. Die Ergebnisse erlauben eine genauere Interpretation der Beobachtungen auch zu frühen kosmischen Zeiten, bei denen das ISM dichter ist als im lokalen Universum. 

Das ISM bildet das Rückgrat einer jeden Galaxie, die aktiv Sterne bildet. Hier sammelt sich Gas an, welches aus der kosmischen Umgebung akkretiert wird oder von vorherigen Sterngenerationen wieder abgegeben wird.  Dichte Gebiete im ISM kühlen ab und kollabieren zu Molekülwolken – die Kinderstube neuer Sterne. Die meisten dieser Sterne haben eine Masse wie unsere Sonne oder weniger. Etwa ein Stern in Hundert ist jedoch massereicher als acht Sonnenmassen. Diese massereichen Sterne emittieren eine starke ionisierende Strahlung und ihre Sonnenwinde transportieren Material von der Oberfläche in den interstellaren Raum. Am Ende ihres Lebens explodieren diese Sterne als Supernova, die enorme Energiemengen in das ISM freisetzt. Diese Prozesse werden ‚Feedback‘ genannt und verändern ständig den Zustand des ISM – ein komplexes Wechselspiel zwischen Sternentstehung und der turbulenten, mehrphasigen Struktur des Gases. Mit modernen Simulationen auf Supercomputern kann man diese Vorgänge im Detail untersuchen.

Forschende am MPA und KollegInnen an den Universitäten Köln und Heidelberg, der tschechischen Akademie der Wissenschaften, des Institute d’Astrophysique de Paris und der École Polytechnique Fédérale de Lausanne haben mit Simulationen des SILCC-Projekts ein realistisches ISM untersucht. Die Simulationen wurden auf SuperMUC-NG des Leibnitz Supercomputing Centers ausgeführt, einem der schnellsten Supercomputer der Welt, und enthalten alle wichtigen Bestandteile des ISM. Dazu gehören sowohl Gas, Sterne und Strahlung als auch die nicht-thermischen Komponenten Magnetfelder und kosmische Strahlung. Die komplexen Wechselwirkungen des ISM mit den stellaren Feedback-Prozessen wurden für typische Bedingungen (wie zum Beispiel in der Nachbarschaft der Sonne) in Spiralgalaxien des lokalen Universums simuliert. Zusätzliche Modelle mit höherer Gasdichte repräsentieren extremere Bedingungen z.B. in wechselwirkenden Galaxien oder gasreiche Galaxien im frühen Universum.  

Diese Simulationen sind sehr realistisch und erklären viele Details der ISM-Struktur. Die simulierte mehrphasige Struktur, die Sternentstehungseigenschaften und die Kinematik stimmen sehr gut mit direkten ISM-Beobachtungen überein.  In Gebieten mit höheren Sternentstehungsraten ergeben sich durch Supernova-Explosionen höhere turbulente Geschwindigkeiten im kalten (<300 Kelvin) und warmen (~ 10000 Kelvin) Gas, wie es auch beobachtet wird. Die Bewegungen des warmen Gases werden supersonisch, und magneto-hydrodynamische Schocks sind allgegenwärtig.

Das ISM besteht hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium, enthält aber auch aus Spuren schwererer Elemente wie Sauerstoff und Stickstoff. Wenn diese Elemente von stellarer Strahlung angeregt oder ionisiert werden, emittieren sie bei bestimmten Wellenlängen, wenn sie in niedrigere Anregungszustände zurückfallen. Manche dieser Übergänge, wie z.B. die [OIII]-Linie des doppelt ionisierten Sauerstoffs, werden als „verboten“ bezeichnet, da es sie nur im dünnen Gas des Weltraums gibt. Die beobachteten relativen Flüsse dieser Emissionslinien enthalten wichtige Informationen über den Zustand und die Zusammensetzung des ISM in allen kosmischen Epochen.

Mit Hilfe dieser relativen Linienemission kann man z.B. die Dichte des ISM, den Anteil an schweren Elementen oder die Quelle der ionisierenden Strahlung bestimmen. Aber auch in Gebieten ohne ionisierende Strahlung können Schocks das Gas heizen und die gleichen Elemente durch Stöße ionisieren. Die Linienemission dieses diffusen, ionisierten Gases unterscheidet sich deutlich von Gas, das von Strahlung ionisiert wird, was eine genaue Vorhersagen der ISM-Struktur aus Beobachtungen erschwert. 

Das Forschungsteam hat die ISM-Simulationen einer großen Region verwendet, um detaillierte Karten der Linienemission von Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff zu erstellen. Die gesamte Region hat die gleichen Linienemissionen wir sternbildende Galaxien im lokalen Universum. Bei besserer Auflösung erkennt man allerdings den Beitrag des diffusen Gases. In bestimmten Diagrammen, die aus den Linienflüssen konstruiert werden (BPT-Diagramm) liegen diese Beiträge in Regionen, die normalerweise mit der Anwesenheit eines aktiven Galaktischen Kernes (AGN) verbunden werden. In diesem Fall jedoch wird es durch die supersonische Turbulenz in etwa 20000 Kelvin heißem Gas erzeugt, getrieben durch viele Supernovaexplosionen.  

 

 

Die Simulationen und Datenanalysen wurden auf den Supercomputern der MPCDF und SuperMUC-NG am Leibnitz-Rechen-Zentrum (LRZ) durchgeführt.

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