Planck enthüllt späte Geburt der ersten Sterne
Neue Karten des ESA-Satelliten Planck zeigen den gesamten Himmel im "polarisierten" Licht des frühen Universums und verraten, dass sich die ersten Sterne viel später gebildet haben, als bisher angenommen. Diese Karten geben aber auch neue Einblicke in unsere Milchstraße und zeigen dabei, dass deren Staub, der an keinem Ort des Himmels vernachlässigt werden darf, uns spektakuläre Ansichten galaktischer Magnetfelder liefert. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik entwickelten wichtige Software-Komponenten für Planck und beteiligen sich intensiv an der wissenschaftlichen Auswertung der Missionsdaten. Insbesondere trugen sie zur Analyse der Missionsdaten bezüglich Galaxienhaufen, der Wirkung von Gravitationslinsen auf den CMB, galaktischem Staub und Magnetfeldern, sowie zu primordialen Magnetfeldern bei.
Die Geschichte unseres Universums begann vor 13,8 Milliarden Jahren. Für die Wissenschaftler, die versuchen seine Entwicklung zu verstehen, ist der kosmischen Mikrowellenhintergrunds oder CMB (engl. Cosmic Microwave Background) eine der wichtigsten Informationsquellen. Dieses fossile Licht stammt aus einer Zeit nur 380 000 Jahre nach dem Urknall, als das Universum noch sehr heiß und dicht war. Durch die Expansion des Universums sehen wir dieses Licht heute über den gesamten Himmel bei Mikrowellen-Wellenlängen.
Von 2009 bis 2013 erstellte Planck mehrere komplette Himmelskarten dieses urzeitlichen Lichtes in bisher unerreichter Genauigkeit. Winzige Temperaturunterschiede zwischen den verschiedenen Regionen zeigen dabei, dass die Dichte im frühen Kosmos nicht ganz uniform war - aus diesen kleinen Fluktuationen entstanden alle zukünftigen Strukturen: die Sterne und Galaxien von heute. In den letzten zwei Jahren veröffentlichten Forscher der Planck-Kollaboration die Ergebnisse aus der Analyse dieser Daten in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten und bestätigten das kosmologische Standardmodell unseres Universums mit immer höherer Genauigkeit (siehe z.B. hier).
"Die detaillierte Karte der CMB-Temperaturstrukturen kann als eines der Schlüsselergebnisse der Wissenschaft des einundzwanzigsten Jahrhunderts betrachtet werden", erklärt Simon White, Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik und Co-Investigator von Planck. "Es ist ein detailreiches Bild der Grenzen des sichtbaren Universums, das uns seine Struktur in allen Einzelheiten zeigt, als es 40.000 Mal jünger war als heute. Es gibt uns sogar unsere besten Hinweise, was zu noch früheren Zeiten im Universum geschah." "Aber es gibt noch mehr: der CMB enthält zusätzliche Hinweise über unsere kosmische Geschichte, die in seiner 'Polarisation' codiert sind", erläutert Jan Tauber, ESA-Planck-Projektwissenschaftler. "Planck hat dieses Signal zum ersten Mal mit einer hohen Auflösung über den gesamten Himmel vermessen und heute diese einzigartigen Karten veröffentlicht."
Licht wird polarisiert, wenn es in einer bevorzugten Richtung schwingt; dies kann die Folge sein, wenn Photonen - die Lichtteilchen - von anderen Teilchen wie Elektronen abprallen. Genau das passierte mit dem CMB im frühen Universum. Plancks Polarisationsdaten bieten einen unabhängigen Weg, die kosmologischen Parameter zu messen, und bestätigen damit die Details des kosmologischen Standardmodells, wie es aus den CMB-Temperaturschwankungen bestimmt worden war. Auf seinem Weg durch Raum und Zeit wurde das CMB-Licht aber auch durch die ersten Sterne beeinflusst - und die Polarisationsdaten deuten nun an, dass die ersten Sterne etwa 550 Millionen Jahre nach dem Urknall zu leuchten anfingen und damit das "Dunkle Zeitalter" beendeten. Durch Planck wissen wir also nun, dass dies mehr als 100 Millionen Jahre später ist, als bisher angenommen. Dieses Ergebnis löst ein astronomisches Rätsel: Bisherige Studien der CMB-Polarisation schienen auf eine frühere Geburt der ersten Sterne hinzudeuten, während sehr tiefe Bilder des Himmels zeigten, dass die frühesten bekannten Galaxien im Universum erst etwa 300 bis 400 Millionen Jahre nach dem Urknall auftauchten, und damit nicht ausreichen würden, um das Dunkle Zeitalter nach 450 Millionen Jahren zu beenden. Mit den neuen Erkenntnissen von Planck ist dieses Problem nun deutlich kleiner geworden - die beobachteten frühesten Sterne und Galaxien sollten völlig ausreichend gewesen sein, um das von Planck vermessene Polarisationssignal des Endes des Dunklen Zeitalters zu erzeugen. Aber die ersten Sterne sind noch nicht alles. Mit den heute veröffentlichten, neuen Planckdaten untersuchen die Wissenschaftler auch die Polarisation der Vordergrundemission durch Gas und Staub in der Milchstraße, um die Struktur des galaktischen Magnetfeldes zu analysieren.
"Mit seinen neun Frequenzkanälen ist Planck bestens dafür geeignet, um das kosmologische Signal und die Vordergrundstrahlung zu entwirren. Allerdings müssen wir bei der Analyse der Daten sehr vorsichtig sein", erklärt Torsten Enßlin, Leiter des Planck Software-Teams am Max-Planck-Institut für Astrophysik. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Beitrag von Staub in unserer Milchstraße über den gesamten Himmel hinweg signifikant ist - damit werden alle früheren Hoffnungen zunichtegemacht, dass einige Bereiche sauber genug sein könnten, um einen direkten Blick auf das frühe Universum zu erhaschen. Das polarisierte Licht des Staubes zeichnet die galaktischen Magnetfeldlinien mit einer fantastischen Detailtreue nach und ermöglicht bisher ungeahnte Einblicke in Wetterphänomene in unserer Milchstrasse."
Die Daten lieferten auch wichtige neue Einblicke in den frühen Kosmos und seine Bestandteile, einschließlich der faszinierenden dunklen Materie und der schwer fassbaren Neutrinos; auch diese Ergebnisse werden in den heute veröffentlichten Arbeiten beschrieben. Selbst die noch frühere Geschichte des Kosmos kann mit den Planckdaten eruiert werden, bis zurück zur Phase der Inflation - einer kurzen Zeit der beschleunigten Expansion, als das Universum gerade erst einen winzigen Bruchteil einer Sekunde alt war. Als ultimative Signatur dieser Epoche suchen die Astronomen nach Hinweisen auf Gravitationswellen, die durch die Inflation ausgelöst wurden und später die Polarisation des CMB prägten.
Frühere Berichte über einen direkten Nachweis dieses Signals mussten angesichts der Planckkarten des polarisierten Lichtes revidiert werden, wie letzte Woche berichtet. Kombiniert man allerdings die neuesten Planck-Daten mit neuen Ergebnissen von anderen Experimenten, so können die Grenzwerte für diese primordialen Gravitationswellen noch genauer bestimmt werden. Die neuen Obergrenzen sind bereits in der Lage einige Inflationsmodelle auszuschließen.
Hinweise
Eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten, die die neuen Ergebnisse beschreiben, wurde am 5. Februar veröffentlicht. (Siehe rechte Spalte)
Die neuen Ergebnisse von Planck basieren auf kompletten Himmelskarten erstellt von 2009 bis 2013. Neue Daten, einschließlich der CMB-Temperaturkarten in allen neun Frequenzbändern von Planck und die beobachteten Polarisationskarten in vier Frequenzen (30, 44, 70 und 353 GHz), werden ebenfalls heute veröffentlicht.
Mehr über Planck
Planck wurde 2009 gestartet, um den gesamten Himmel mit zwei hochmodernen Geräten in neun Frequenzen zu vermessen: das LFI (Low Frequency Instrument) enthält drei Frequenzbänder im Bereich von 30 bis 70 GHz, und das HFI (High Frequency Instrument) umfasst sechs Frequenzbänder im Bereich von 100 bis 857 GHz.
HFI beendete seine Aufnahmen im Januar 2012, während LFI weiterhin bis zum 3. Oktober 2013 wissenschaftliche Beobachtungen machte, bevor es am 19. Oktober 2013 ausgeschaltet wurde. Sieben der neun Frequenzkanäle von Planck wurden mit polarisationsempfindlichen Detektoren ausgestattet.
Die Planck Science Collaboration besteht aus allen Wissenschaftlern, die zur Entwicklung der Mission beigetragen haben, und die jetzt an der wissenschaftlichen Auswertung der Daten (während der proprietären Zeit) beteiligt sind. Diese Wissenschaftler sind Mitglieder einer oder mehr der vier Konsortien: das LFI-Konsortium, das HFI-Konsortium, das DK-Planck-Konsortium und das Planck-Wissenschaftsbüro der ESA. Die beiden Datenverarbeitungszentren für Planck unter europäischer Führung befinden sich in Paris und Triest.
Die LFI-Konsortium wird geleitet von N. Mandolesi, Università degli Studi di Ferrara, Italien, (stellvertretender PI: M. Bersanelli, Università degli Studi di Milano, Italien) und war verantwortlich für die Entwicklung und den Betrieb von LFI. Das HFI-Konsortium wird geleitet von J.L. Puget, Institut d'Astrophysique Spatiale in Orsay, Frankreich (stellvertretender PI: F. Bouchet, Institut d'Astrophysique de Paris, Frankreich) und war verantwortlich für die Entwicklung und den Betrieb von HFI.