Wie Schwarze Löcher galaktische Superwinde antreiben
Wenn interstellares Gas auf ein supermassereiches Schwarzes Loch fällt, setzt es riesige Energiemengen frei – so viel, dass das Gasreservoir einer Galaxie zum großen Teil ausgestoßen werden kann. Letztlich können supermassereiche Schwarze Löcher sich selbst auf diese Weise von weiterem Nachschub abschneiden und das Ende ihres eigenen Wachstums und des Wachstums ihrer Wirtsgalaxien herbeiführen. Ein neues Modell, das am MPA entwickelt wurde, ermöglicht es nun, Winde, die durch akkretierende Schwarze Löcher beschleunigt werden, in Simulationen der Galaxienentwicklung auf physikalisch genaue und validierte Weise zu simulieren. Indem die Winde dichtes Gas aus dem galaktischen Kern blasen und das Einströmen aus dem galaktischen Halo stoppen, spielen die Winde eine entscheidende Rolle dabei, wie sich die Wirtsgalaxie des Schwarzen Lochs entwickelt.
Man geht davon aus, dass jede massereiche Galaxie ein supermassereiches Schwarzes Loch in ihrem Kern beherbergt. Je massereicher die Galaxie, desto größer die Masse des supermassereichen Schwarzen Lochs. Während die Milchstraße ein Schwarzes Loch mit einer Masse von etwa vier Millionen Sonnenmassen beherbergt, enthalten Riesengalaxien wie M87 Schwarze Löcher mit Massen von über einer Milliarde Mal der Masse der Sonne.
Supermassereiche Schwarze Löcher wachsen, indem sie Gas aus ihrer Umgebung akkretieren. Wenn sich interstellare Gaswolken unter der Anziehungskraft des Schwarzen Lochs spiralförmig nach innen schrauben, beschleunigen sie auf ungeheure Geschwindigkeiten. Ihre kinetische Energie wird durch Reibung umgewandelt und kann in Form von intensiver Strahlung freigesetzt werden oder die Energie treibt einen Wind aus dem galaktischen Kern an.
Während der Lebensdauer eines typischen supermassereichen Schwarzen Lochs übersteigt die durch Akkretion freigesetzte Gesamtenergie die Bindungsenergie seiner Wirtsgalaxie um etwa den Faktor 100. Nur 1% der freigesetzten Energie wird benötigt, um den Großteil des gasförmigen Reservoirs der Galaxie auszustoßen. Ohne Gas ist die Galaxie weder in der Lage, neue Sterne zu bilden, noch ihr zentrales Schwarzes Loch zu speisen. Letztendlich können supermassereiche Schwarze Löcher auf diese Weise das Ende ihres eigenen Wachstums und das ihrer Wirtsgalaxien herbeiführen.
Ein Team von Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Astrophysik (Garching, Deutschland) unter der Leitung von Tiago Costa hat eine neue Methode entwickelt, um Winde, die in der Nähe von akkretierenden supermassereichen Schwarzen Löchern entstehen, in realistischen Simulationen der Galaxienentwicklung genau zu modellieren. Das neue Modell nutzt die unregelmäßige Geometrie des Netzes in dem hochmodernen Computer-Code AREPO, auf dem interstellare Gasströmungen berechnet werden. Im Gegensatz zu traditionellen hydrodynamischen Codes, bei denen Flüssigkeiten auf kartesischen Gittern diskretisiert werden, löst AREPO die hydrodynamischen Gleichungen auf einem unregelmäßigen Gitter, das sich frei mit dem Gas bewegen kann. Durch die Anordnung von AREPO-Zellen in starren, sphärischen Schichten ist es möglich, akkretierende Schwarze Löcher als sphärische Grenzen darzustellen. Die Grenzflächen werden dann dazu verwendet, einen Wind mit Eigenschaften zu injizieren, die den beobachteten kleinskaligen Ausströmungen entsprechen.
Nach sorgfältigen Tests des Modells (siehe Abbildung) fuhr das Forscherteam fort, den Einfluss von Winden, die von supermassereichen Schwarzen Löchern getrieben werden, auf die Entwicklung einer massereichen Scheibengalaxie wie der Milchstraße zu untersuchen. Sie führten eine Reihe von Simulationen von galaktischen Scheiben durch, die im Zentrum eine kugelförmige Grenze enthalten, um ein akkretierendes, supermassereiches Schwarzes Loch zu modellieren.
Simulation von Winden, die durch akkretierende Schwarze Löcher beschleunigt werden
Dichte und Temperatur des Gases um das akkretierende Schwarze Loch, modelliert mit einer sphärischen Grenze. Das Schwarze Loch, das sich im Zentrum der Scheibe (hier in seitlicher Ansicht) befindet, setzt einen anfangs kugelsymmetrischen, kleinskaligen Wind frei. Bei der Kollision mit der gasförmigen Umgebung treibt der Wind komplexe, bikonische Ausströmungen an, die Gas aus dem galaktischen Kern, aber auch aus dem ausgedehnten gasförmigen Halo, der die Zentralgalaxie kontinuierlich versorgt, entfernen.
Während die Winde in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs anfänglich kugelsymmetrisch sind, werden sie durch die Geometrie der gasförmigen Umgebung beeinflusst, da sie sich zu den Polen hin leichter ausbreiten können als entlang der Scheibe. Infolgedessen treiben die Winde großräumige, konische Ausströmungen an, die Gas sowohl aus dem galaktischen Kern als auch aus dem ausgedehnten gasförmigen Halo, der die Scheibe umgibt, entfernen (siehe Video).
Die Winde treffen durch mehrere Kanäle auf die Wirtsgalaxie. Einerseits kollidieren sie mit Gas im galaktischen Kern und stoßen es aus der Galaxie aus. Indem sie das Gas im Halo ausräumen, verhindern die Winde andererseits auch, dass neues Material die Scheibengalaxie wieder auffüllt. Die Galaxie „verhungert“ langsam, da ihr der „Treibstoff“ für die Sternentstehung fehlt.
Das neue Modell für die physikalischen Winde Schwarzer Löcher ermöglicht es, neues Licht auf die vielfältigen Mechanismen zu werfen, mit denen supermassereiche Schwarze Löcher die Galaxienentwicklung beeinflussen. Es erlaubt auch eine völlig neue Behandlung der Akkretion Schwarzer Löcher, weil die Flussraten über die sphärische Grenzfläche hinweg direkt in der Simulation gemessen werden können, anstatt nur Annahmen über sie zu treffen. Die Anwendung des Modells auf groß angelegte kosmologische Simulationen wird zeigen, ob supermassereiche Schwarze Löcher schließlich die Sternentstehung in den massereichsten Galaxien beenden können.