SPICE verbindet stellares Feedback in den ersten Galaxien mit der kosmischen Reionisation
In der ersten Milliarde an Jahren wurde das kalte, neutrale Universum heiß und ionisiert. Man nimmt an, dass diese „Epoche der Reionisation“ auf die Strahlung von Sternen in den ersten Galaxien zurückzuführen ist. Die Natur dieser Galaxien zu verstehen, die für die Reionisation verantwortlich waren, bleibt eine Schlüsselfrage. Wissenschaftler am MPA haben eine Reihe von neuen Simulationen entwickelt, um systematisch zu verstehen, wie verschiedene Modi der Energie- und Massenzufuhr durch Sterne die ersten Galaxien beeinflussen. Nach diesen neuen Modellen führen kleine Unterschiede beim stellaren Feedback zu tiefgreifenden Änderungen in der Morphologie von Galaxien und der Geschwindigkeit, mit der sie das Universum ionisieren. Die Kombination dieser Erkenntnisse mit neuesten Beobachtungen wird dazu beitragen, Feedbackmodelle für die erste Milliarde Jahre des Universums einzuschränken.
Etwa 300 000 Jahre nach dem Urknall bildeten Protonen und freie Elektronen erstmals gebundene Wasserstoff- und Heliumatome – das Universum wurde weitgehend neutral. In den folgenden eine Milliarde Jahren jedoch wurde der überwiegende Teil des Wasserstoffs ionisiert. Dieser Übergang von einem neutralen zu einem ionisierten Zustand wird als „Epoche der Reionisation“ bezeichnet. Um dies möglich zu machen, mussten ionisierende Photonen aus den Galaxien entweichen. Massereiche Sterne geben ionisierende Strahlung ab, und am Ende ihres Lebens sterben sie in Supernova-Explosionen, wobei sie Masse und Energie an das sie umgebende Gas abgeben. Diese Prozesse werden als „stellares Feedback“ bezeichnet und verändern die physikalische Struktur des sogenannten interstellaren Mediums. Wie dieses stellare Feedback die Eigenschaften der ersten Galaxien und insbesondere des Gases in diesen Galaxien verändert, ist nur unzureichend erforscht – hierin besteht aber der Schlüssel zur Interpretation der jüngsten Flut von Beobachtungen des frühen Universums durch das James-Webb-Weltraumteleskop.
In den letzten zehn Jahren haben Fortschritte bei Hochleistungsrechnern und theoretischen Modellen ermöglicht, Beobachtungen der ersten Milliarde Jahre des Universums zu reproduzieren. Obwohl diese ausgefeilten Simulationen Strahlung und Hydrodynamik kombinieren konnten, untersucten sie aufgrund der hohen Rechenaufwand in der Regel nur eines der vielen möglichen Modelle des stellaren Feedbacks. Ein Forschungsteam am MPA unter der Leitung von Aniket Bhagwat entwickelte daher eine neue Simulationsreihe namens SPICE, um systematisch verschiedene Modelle zu testen und insbesondere die Zusammenhänge zwischen stellarem Feedback und den Eigenschaften von Galaxien, die die Reionisation vorantreiben – und wie diese Zusammenhänge durch Beobachtungen überprüft werden könnten zu untersuchen.
Die SPICE-Simulationen berechnen die hydrodynamische Entwicklung des Gases, einschließlich wichtiger Prozesse wie Sternentstehung und Supernova-Explosionen, und gleichzeitig die Ausbreitung der von diesen Sternen ausgesandten Strahlung. Dabei werden insbesondere drei verschiedene Modi des stellaren Feedback untersucht: „bursty“, wobei die Supernovae gebündelt explodieren, „smooth“, wobei die Supernova-Explosionen zeitlich verteilt sind, oder eine Mischung aus beidem. Und tatsächlich zeigen die Simulationen, dass Unterschiede in der Stärke und im Verhalten des Feedbacks dramatische Auswirkungen auf die Morphologie der Galaxien haben können. Eine explosives Feedback erzeugt bevorzugt rote und passive Galaxien (elliptisch), während ein gleichmäßiges Feedback vor allem blaue und sternbildende Galaxien (spiralförmig) hervorbringt.
Entwicklung des ionisierten Wasserstoffs
Welche Auswirkungen hat dies nun auf den Prozess der Reionisierung? Die Forschenden entdeckten einen Zusammenhang zwischen der Morphologie der Galaxien und dem Anteil der ionisierenden Photonen her, die es schaffen die Galaxie zu verlassen. Sie fanden heraus, dass elliptische Galaxien einen viel höheren Anteil an entweichenden Photonen aufweisen als spiralförmige Galaxien (um einen Faktor von 20-50). Doch warum ist das so? Die Energieausbrüche der kombinierten Supernova-Explosionen sind in der Lage, das Gas erheblich zu stören und Löcher geringer Dichte im interstellaren Medium zu erzeugen, durch die die ionisierenden Photonen leicht entweichen können. Ohne Bursts kann das Feedback das Gas nicht ausreichend stören, damit viele Photonen entweichen könnten. Daher ermöglichen die Modelle mit burstartigem Feedback eine schnellere Reionisierung.
Insgesamt zeigen die neuen SPICE-Simulationen zum ersten Mal, wie empfindlich die kosmische Reionisation und die Morphologie von Galaxien auf den Modus des stellaren Feedbacks reagieren, was einen Schritt nach vorn in unserem Verständnis der ersten Milliarde Jahre des Universums bedeutet.
Temperaturentwicklung in den Simulationen
Die Simulationen und die Datenanalyse wurden auf den Supercomputern RAVEN und COBRA am MPCDF durchgeführt.