Physik oder Klavier?
Anstatt eine musikalische Karriere zu verfolgen, erforscht die MPA-Postdoktorandin Tiara Battich die Prozesse im Inneren heißer Zwergsterne.
Warum gibt es in einigen Sternen einen sehr hohen Anteil an schweren Metallen? Wie entstehen die Elemente im Inneren von Sternen, insbesondere in einer Unterklasse, bei der im Grunde nur der Kern des Sterns übrig geblieben ist? Diese Fragen versucht Tiara Battich am MPA mit ihren Sternentwicklungsmodellen für heiße Zwergsterne (genauer gesagt „hot sub-dwarfs“) zu beantworten. Solche Sterne haben eine geringe Masse, nur etwa die Hälfte der Masse unserer Sonne, und sie sind ziemlich heiß, mit Temperaturen von einigen 10 000 K. Darüber hinaus gibt es große Vielfalt an Typen: Einige haben eine dünne Wasserstoffschicht, manchmal vermischt mit Helium, andere gar keinen Wasserstoff. Manche pulsieren, manche nicht. In einigen kann der Anteil an sehr schweren Elementen wie Blei, Yttrium oder Zirkonium das 10 000-fache des Sonnenniveaus oder mehr erreichen. Da sie sich jedoch nicht auf den üblichen Pfaden entlang der Hauptreihe bilden können, ist die Entstehung dieser heißen Unterzwerge nicht sehr gut verstanden - ein Grund, warum Tiara sich für sie interessiert.
Heiße Unterzwerge bilden sich oft in Doppelsternsystemen aus einer Gaswolke, aber auch die Verschmelzung zweier Sterne kann zu einem solchen Stern führen. Wirklich interessant wird es dann aber erst, nachdem der Stern seinen gesamten Wasserstoff im Kern verbrannt hat: Wenn die Temperatur hoch genug für die Fusion von Helium ist, setzt die Nukleosynthese sehr plötzlich wieder ein und erzeugt einen so genannten "Heliumblitz"; manchmal gefolgt von einem weiteren Wasserstoffblitz. Tiara erforscht die Nukleosynthese im Inneren der heißen Unterzwerge und fand heraus, dass die Bildung der sehr schweren Elemente von den Details der Sternmodelle abhängt. Ihre Erkenntnisse können auch dazu beitragen, die Entstehung schwerer Elemente in massearmen Sternen im Allgemeinen sowie am Anfang unserer Galaxie zu verstehen.
Tiara kam zum MPA, weil ihr das Institut während eines einwöchigen Besuchs im Jahr 2018 gefiel: viele Theoretiker und viel Wissen über Modellierung, sowohl was physikalische als auch was rechnerische Aspekte betrifft. Als ihr eine Postdoc-Stelle für 2020 angeboten wurde, nahm sie sofort an und suchte gar nicht weiter nach anderen Optionen. Sie wechselte direkt nach Ende ihres Studiums an der Universität in La Plata, Argentinien, wo sie sowohl ihre "Licenciatura" als auch ihren Doktortitel erworben hatte.
Es war jedoch nicht immer klar, dass sie eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen würde. Obwohl sie sich bereits im Alter von 9 Jahren für Sterne interessierte, war ihre zweite Leidenschaft die Musik. Schon in jungen Jahren begann sie, Instrumente zu spielen, und besuchte ein musikorientiertes Gymnasium, wo sie Klavier spielen lernte. Doch anstatt das Konservatorium zu besuchen und eine musikalische Laufbahn einzuschlagen, beschloss sie, Physik auszuprobieren - ein Fach, das in der Schule nie auf dem Stundenplan stand. Nach dem ersten Jahr an der Universität war Tiaras Weg klar: Sie möchte ihr Leben damit verbringen, mehr über das Universum zu lernen. Während ihr Start an der MPA nicht einfach war - wegen der Pandemie war es schwierig neue Leute kennenzulernen - hat sie sich inzwischen in München eingelebt und plant, ein digitales Klavier zu kaufen. Daneben ist sie viel draußen aktiv, wo sie mit ihrem Bruder und Freunden München, die Alpen und vor allem die vielen Seen erkundet.