Biermann-Vorträge 2019: Kinetische Modellierung astrophysikalischer Plasmen
Von Professor Anatoly Spitkovsky, Department of Astrophysical Sciences an der Princeton University.
Im All findet man überall Plasma: konzentriert in Sternen und Sternentstehungsregionen, diffus im interstellaren und sogar intergalaktischen Raum. Plasma, also ionisierte Materie, interagiert insbesondere mit Magnetfeldern und erzeugt viele unterschiedliche und interessante astrophysikalische Phänomene. Bei den diesjährigen Biermann-Vorträgen erläutert Prof. Anatoly Spitkovsky verschiedene Aspekte der kinetischen Modellierung astrophysikalischer Plasmen, die von astrophysikalischen Schocks und Pulsar-Magnetosphären bis hin zur Erzeugung, Verstärkung und Vernichtung von Magnetfeldern reichen.
Der theoretische Astrophysiker Spitkovsky nutzt Hochleistungsrechner, um die Physik von Plasmas in relativistischen Ausflüssen, Pulsar-Magnetosphären und kollisionslosen Schocks zu verstehen und Phänomene im Zusammenhang mit akkretierenden Neutronensternen zu untersuchen. Eine der zentralen Fragen der Hochenergieastrophysik lautet: Wie können Teilchen auf relativistische Energien beschleunigt werden, was zu nicht-thermischen Emissionen führt, die wir im gesamten Universum beobachten. Man geht davon aus, dass Schockwellen, die entstehen, wenn Winde von Supernovae mit Überschallgeschwindigkeit oder Jets von Schwarzen Löchern auf das umgebende Medium auftreffen, für die Beschleunigung der Teilchen verantwortlich sind, wie das aber in der Praxis funktioniert, ist nicht vollständig verstanden. Spitkovsky untersucht diese Frage mit Hilfe von Particle-in-Cell(PIC)-Simulationen astrophysikalischer Stoßwellen, die eine erste prinzipielle Modellierung der selbstkonsistenten Dynamik von Teilchen und Feldern ermöglichen. Diese Simulationen geben einen Einblick, wie das Plasmaverhalten in Schocks zur Beschleunigung von Teilchen führt.
Ein weiteres Thema, das in den Biermann-Vorträgen diskutiert wird, sind Pulsare: stark magnetisierte, rotierende Neutronensterne, die gepulste Radioemission aus ihren Magnetosphären ausstrahlen. Die Plasma-Rückkopplung in der Magnetosphäre steuert die Geschwindigkeit, mit der Pulsare langsamer werden, und wie ihre Rotationsenergie in beobachtbare Strahlung umgewandelt wird. Spitkovsky entwickelte ein neues numerisches Verfahren zur Lösung der Gleichungen der Kräfte-freien relativistischen Magneto-Hydrodynamik (MHD) zur Simulation der zeitabhängigen Entwicklung einer Magnetosphäre. Aktuelle Forschungen erweitern diese MHD-Simulationen um eine selbstkonsistente Produktion und Bewegung der Teilchen mittels kinetischer PIC-Simulationen. Anhand dieser Simulationen kann die Gammastrahlung und die Radioemission von Pulsaren modelliert werden; sie eröffnen ein neues Fenster im Verständnis relativistischer Magnetosphären.
Bereits zu Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere war Spitkovsky von Pulsaren fasziniert; 2002 promovierte er an der University of California in Berkeley mit einer Arbeit über „Pulsar winds and other burning questions of astrophysics“. Nach mehreren Jahren als Chandra Postdoctoral Fellow an der UC Berkeley und dem Kavli Institute for Particle Astrophysics and Cosmology (KIPAC) an der Stanford University wechselte er 2006 an die Princeton University, wo er heute Professor am Department of Astrophysical Sciences sowie assoziiertes Mitglied der Fakultät am Princeton Institute for Computational Science and Engineering ist. Seit 2014 ist er auch Simons Foundation Investigator in Theoretischer Physik.
Biermann-Vorträge:
Kinetic modeling of astrophysical plasmas
Freitag, 14. Juni, 14:00 Uhr:
Particle acceleration in astrophysical shock
Mittwoch, 19. Juni, 15:30 Uhr:
The physics of pulsar magnetosphere
Freitag, 28. Juni, 14:00 Uhr:
Creation, amplification, and destruction of magnetic fields
Alle Vorträge finden im Großen Seminarraum der MPA E.0.11 statt; 15 Minuten vor Beginn der Vorlesung gibt es Tee, Kaffee und Kekse.