Blick auf eine frühe, massereiche Galaxie und ihr Gasrecycling
In Galaxien entstehen die meisten Sterne und Schwarzen Löcher. Wissenschaftler diskutieren jedoch immer noch, wie Galaxien Gas ansammeln um zu wachsen, und wie sie selbst ihre Umgebung verändern, zum Beispiel, durch „Verschmutzung“ mit Elementen, die schwerer sind als Helium. Ein internationales Astrophysik-Team hat nun die Nachbarschaft einer massereichen Galaxie im frühen Universum direkt beobachtet. Sie fanden heraus, dass das Gas rund um die Galaxie mit eben solchen schweren Elementen angereichert ist. Dies bedeutet, dass die Umgebung durch die Galaxie selbst und durch eingebettete Satellitengalaxien verschmutzt wurde. Außerdem bewegt sich dieses Gas spiralförmig auf die massereiche Galaxie zu und treibt die Sternentstehung weiter voran.
Nach den ersten Modellen der Galaxienentstehung stürzte Gas isotrop auf Halos aus dunkler Materie ein, wurde durch Schocks auf sehr hohe Temperaturen (Millionen von Grad) erhitzt und kühlte anschließend ab, um in der wachsenden Zentralgalaxie Sterne zu bilden. Inzwischen ist jedoch klar, dass diese so genannte „heiße Akkretion“ nur einen kleinen Teil des Treibstoffs für die heftige Sternentstehung in massereichen Galaxien im frühen Universum liefert. Stattdessen deuten kosmologische hydrodynamische Simulationen darauf hin, dass die Akkretion im „kalten Modus“ (Tausende von Grad) entlang von Filamenten erfolgt. Dieser Prozess ist effizienter, um Gas in die Galaxie zu transportieren, und bietet einen natürlichen Mechanismus, wie die beobachteten hohen Sternentstehungsraten aufrechterhalten werden können.
Im Gegenzug verschmutzen die Sterne ihre Umgebung mit Elementen, die schwerer sind als Helium und allgemein als „Metalle“ bezeichnet werden. Die energiereichsten Phänomene (Supernova-Explosionen) sind sogar in der Lage, galaktische Ausströmungen zu erzeugen, die das zirkumgalaktische Gas anreichern. Jüngste kosmologische Simulationen deuten darauf hin, dass dieses mit Metallen angereicherte Gas, das von der Galaxie ausgestoßen wird, zurückfallen könnte, wodurch ein weiterer Versorgungsmechanismus entsteht, um die intensiven Sternentstehungsaktivität aufrechtzuerhalten. Daher wird eine massereiche Galaxie sowohl ihr metallverschmutztes Gas recyceln als auch reines, einströmendes Gas verwenden. Direkte Beobachtungen derartiger recycelter Gasströme standen bisher allerdings noch aus.
Ein internationales Team von Astronomen hat daher ein massereiches System im frühen Universum ins Visier genommen, um einen ersten Blick darauf zu werfen, wie solche Galaxien ihr Gas ansammeln. Das ausgewählte System, MAMMOTH-1, kann zu einer Zeit beobachtet werden, die 11 Milliarden Jahre zurückliegt. Es handelt sich um eine Galaxiengruppe, die in großräumiges kaltes zirkumgalaktisches Gas eingebettet ist und hell in der Lyman-alpha-Emission von Wasserstoff leuchtet.
Mit Daten des Keck Cosmic Web Imager (KCWI, Keck II-Teleskop) und Aufnahmen des Subaru-Teleskops entdeckte das Team zirkumgalaktische Linienemission von Wasserstoff, Helium und Kohlenstoff, die sich über 300 000 Lichtjahre erstreckt. Eine Analyse der Verhältnisse dieser Linien ermöglichte es dem Team, die Gaseigenschaften im gesamten Halo zu bestimmen. Die Ergebnisse zeigen, dass das zirkumgalaktische Gas bereits bis hin zu einer ungefähr solaren Metallizität angereichert wurde, was bei der Größe des Halos recht überraschend ist.
Darüber hinaus ermöglichten die KCWI-Daten dem Team, die Kinematik des emittierenden Gases in der beobachteten Region zu analysieren. Ein detaillierter Vergleich der Daten mit kosmologischen Simulationen, die am Max-Planck-Institut für Astrophysik entwickelt wurden, und mit einem analytischen Modell kann die beobachteten Geschwindigkeitsmuster erklären, die höchstwahrscheinlich auf recyceltes, einströmendes Gas zurückzuführen sind. Das kinematische Modell deutet darauf hin, dass die Gasakkretion mit einer Rate von etwa 700 Sonnenmassen pro Jahr erfolgt, was weit über der gemessenen Sternentstehungsrate der Zentralgalaxie (81 Sonnenmassen pro Jahr) liegt. Der mit Metallen angereicherte Zufluss könnte also die intensive Sternentstehung in der massereichen Galaxie vollständig versorgen. „Unsere Beobachtungen geben einen ersten Hinweis darauf, dass recycelte Zuflüsse ein universeller Versorgungsmechanismus für massereiche sternbildende Galaxien im frühen Universum sein könnten“, bemerkt Shiwu Zhang von der Tsinghua Universität und Erstautor der Studie.
MAMMOTH-1 mit Gas und Satellitengalaxien
Darüber hinaus stellte das Team fest, dass die Satellitengalaxien in dieser Galaxiengruppe die gleiche Bewegung wie das zirkumgalaktische Gas aufweisen, und damit wahrscheinlich in die kreisenden Ströme eingebettet sind. Daher könnten diese Satellitengalaxien mit dem zirkumgalaktischen Gas interagieren und es verschmutzen. „Das macht das Ökosystem Galaxie-Gas noch komplexer; gleichzeitig zeigt es aber auch, dass Gasrecycling ein wichtiger Bestandteil ist“, fügt Zheng Cai von der Tsinghua Universität und Zweitautor der Studie hinzu.
„Wir brauchen noch viel empfindlichere Beobachtungen der zirkumgalaktischen Emission, um weitere Einblicke in das komplexe Ökosystem von Galaxien zu erhalten“, betont Fabrizio Arrigoni Battaia, Mitautor und Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik. „Unser Ansatz zusammen mit den kommenden exquisiten Datensätzen, etwa von den Instrumenten MUSE/VLT, KCWI und JWST, ermöglicht es uns, das zirkumgalaktische Gas direkt und im Detail zu untersuchen. Damit können wir die physikalischen Prozesse, die den Gaskreislauf um Galaxien bestimmen, besser verstehen.“