Explosionsmodelle in 3D

Während modernste Simulationen in zwei Dimensionen (2D) grundsätzlich die Durchführbarkeit des Neutrino-getriebenen Mechanismus und die unterstützende Rolle der nicht-radialen hydrodynamischen Instabilitäten bestätigen (Press release Februar 2009), neigen die resultierenden Explosionen von niedriger Energie zu sein, verglichen mit Beobachtungen. Desweiteren führt die künstliche Annahme von Rotationssymmetrie zu Torus-ähnlichen Fließstrukturen in Verbindung mit ein- oder zweipoligen Verformungen entlang der azimutalen Symmetrieachse und eine Inversion der turbulenten Energiekaskade, die die Energie von den kleinsten zu den großräumigsten Flächen auf eine nicht-physikalische Art verteilt, wurde gefunden. Dies steht im Kontrast zur "wirklichen" Situation in drei räumlichen Dimensionen (3D) und unterstreicht die Notwendigkeit von 3D Simulationen, um Kernkollapse von Supernovae mit Explosionsmodellen so realistisch wie möglich darstellen zu können.

Mit dem Einzug der ersten völlig selbstkonsistenten 3D Simulationen ergab sich ein Dilemma: Bis vor kurzem haben 3D Modelle, obwohl sie realistischer ohne eine künstlich bestimme Symmetrieachse sind, keine erfolgreichen Explosionen darstellen können, im Gegensatz zu ihren 2D Gegenstücken. Aber sie haben dennoch neue physikalische Phänomene ans Licht gebracht, die im kollabierenden Kern stattfinden und die in 2D Simulationen nicht beobachtet worden waren (Press Release 2013 and Highlight 2014). Während der letzten Monate haben Forschungsarbeiten, die durch ein ERC Advanced Grant unterstützt und gefördert wurden, zu einem großen Durchbruch im Verständnis des Kernkollaps von Supernovae geführt. Mit der aktuell vollständigsten Beschreibung der Wechselwirkungen von Neutrinos und Materie in einer Supernovaberechnung, konnte die Garchinger Gruppe die erste erfolgreiche Neutrino-getriebene Explosion eines Sterns mit einer Anfangsmasse von 9,6 Solarmassen in einer selbstkonsistenten 3D Simulation  darstellen (Bild 1). Die Simulation zeigt, dass die Turbulenz in 3D hilft, den Stern explodieren zu lassen und zu einer Explosionsenergie führt, die ungefähr um 10% höher ist, als in der entsprechenden 2D Simulation (Highlight April 2015). Zusätzlich zu dem Fall mit 9,6 Solarmassen hat die Garchinger Gruppe noch eine erfolgreiche 3D Explosion eines Vorläufers mit 20 Solarmassen durchführen können (Fig. 2, Highlight August 2015). Trotz der immer noch existierenden Unsicherheiten bezüglich der komplexen Neutrinoreaktionen, die im neu entstandenen Neutronenstern stattfinden, zeigen diese zwei Modelle deutlich, dass die Energie, die von den Neutrinos geliefert wird, die zuvor verzögerte Explosionswellenfront in der Tat wieder beleben kann, was die Durchführbarkeit der Neutrino-getriebenen Mechanismen in 3D beweist.

Wegen des gewaltigen rechnerischen Aufwands von Neutrinotransport und Wechselwirkungen, bewegen sich die selbstkonsistenten Simulationen von Kernkollapsen der Supernovae in 3D am Limit der Leistungsfähigkeit, die derzeit von Supercomputern für wissenschaftliche Forschungsprojekte erbracht werden kann. Dank der reichlichen Rechenzeit von "Partnership for Advanced Computing in Europe (PRACE)", konnten die zwei 3D Simulationen an 16.000 Cores an den Supercomputern "SuperMUC", am Rechenzentrum Leibniz (LRZ) in Garching und am "MareNostrum" im Barcelona Supercomputing Center (BSC) durchgeführt werden. Für eine Entwicklung bis zu einer halben Sekunde nach der Explosion werden normalerweise 50 Millionen Core Stunden und mehrere Monate an Rechenzeit für jedes Modell benötigt. Mit der zusätzlichen Rechenzeit, die vom "Gauss Centre of Supercomputing" zugesagt wurde, zielt die Garchinger Gruppe auf eine weitere Festigung des theoretischen Wissens bezüglich des Explosionsmechanismus des Kernkollaps von Supernovae hin. Einerseits muss die Auflösung der derzeitigen 3D Modelle verbessert werden, um die turbulente Energiekaskade zu vollständig zu erforschen und um letztendlich die Effektivität des Turbulenz-Effekts zu beweisen. Andererseits muss der Einfluss anderer zusätzlicher Parameter in der Explosionsphysik untersucht werden, die bisher noch nicht genau erforscht wurden. Das gilt sowohl für den Einfluss von stellarer Rotation, als auch für die Rolle der Anfangsbedingungen in Pre-Kollapskernen (→ 3D Vorläufer Modelle).

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