Wissenschaftler entwickeln das bisher größte und detaillierteste Modell des frühen Universums

Thesan-Simulationen helfen zu erklären, wie das Licht der ersten Galaxien das Universum veränderte.

24. März 2022

Mit Hilfe der hochmodernen kosmologischen Simulation Thesan hat ein internationales Team von Wissenschaftlern das frühe Universum simuliert, als die ersten Sterne zu leuchten begannen. Durch die Kombination eines Modells der Galaxienentstehung mit der Interaktion von Sternenlicht mit Gas und Staub liefern die Simulationen ein Bild der kosmischen Reionisierung mit dem höchsten Detailreichtum und über das größte Raumvolumen, das je erstellt wurde.

Alles begann vor etwa 13,8 Milliarden Jahren mit dem „Urknall“. Bald darauf wurde das junge Universum kalt und dunkel – zumindest bis einige hundert Millionen Jahre später die Schwerkraft genug Materie zu den ersten Sternen und Galaxien zusammengeballt hatte. Das Licht dieser ersten Sterne erwärmte das umgebende Gas und verwandelte es in ein heißes, ionisiertes Plasma – eine wichtige Phase, die als „kosmische Reionisation“ bekannt ist und zu der komplexen Struktur führte, die wir heute im Universum sehen.

Mit einer neuen Simulation namens Thesan, die gemeinsam von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA), des MIT und der Harvard University entwickelt wurde, können Wissenschaftler nun einen detaillierten Blick darauf werfen, wie sich das Universum während dieser entscheidenden Periode entwickelt haben könnte. Thesan, benannt nach der etruskischen Göttin der Morgenröte, soll die „kosmische Morgendämmerung“ und insbesondere die kosmische Reionisation simulieren. Die Rekonstruktion dieses Zeitraums ist eine große Herausforderung, da es sich dabei um äußerst komplizierte, chaotische Wechselwirkungen handelt, unter anderem zwischen Schwerkraft, Gas und Strahlung.

„Andere Simulationen konnten bisher nicht nachvollziehen, wie Galaxien das sie umgebende Gas im jungen Universum beeinflussen“, erklärt MPA-Wissenschaftler Enrico Garaldi seine Motivation, seit drei Jahren an diesem Projekt mitzuarbeiten. „Jetzt, nach all dieser Arbeit, freue ich mich, sagen zu können, dass Thesan die erste Simulation ist, die quantitativ erklärt, wie die ersten Galaxien das Gas in ihrer Umgebung verändern.“

Die Thesan-Simulation berechnet diese Wechselwirkungen mit der höchsten Detailgenauigkeit und über das größte Volumen aller bisherigen Simulationen. Dazu kombiniert sie ein realistisches Modell der Galaxienbildung mit einem Algorithmus, der die Wechselwirkung zwischen Licht und Gas verfolgt, sowie mit einem Modell für kosmischen Staub. Thesan hat einen Umfang von 300 Millionen Lichtjahren und simuliert eine Milliarde Jahre in der Entwicklung des Universums.

Bisher stimmen die Simulationen mit den wenigen Beobachtungen überein, die Astronomen vom frühen Universum haben. In dem Maße, in dem mehr Beobachtungen aus dieser Zeit gemacht werden, zum Beispiel mit dem kürzlich gestarteten James-Webb-Weltraumteleskop, kann Thesan dazu beitragen, diese Beobachtungen in den kosmischen Kontext einzuordnen.

„Thesan fungiert als Brücke zum frühen Universum“, sagt Aaron Smith, ein NASA-Einstein-Fellow am Kavli Institute for Astrophysics and Space Research des MIT. „Es soll als Simulation ein ideales Gegenstück für kommende Beobachtungseinrichtungen sein, die unser Verständnis des Kosmos grundlegend verändern werden.“

Um die kosmische Reionisation vollständig zu simulieren, versuchte das Team, so viele wichtige Bestandteile des frühen Universums wie möglich einzubeziehen. Sie starteten mit einem erfolgreichen Modell der Galaxienentstehung, das ihre Gruppen zuvor entwickelt hatten, Illustris-TNG. Dann entwickelten sie einen neuen Algorithmus, der berücksichtigt, wie das Licht von Galaxien und Sternen mit dem umgebenden Gas interagiert und dieses reionisiert.

„Thesan verfolgt, wie das Licht dieser ersten Galaxien in den ersten Milliarden Jahren mit dem Gas wechselwirkt und das Universum von neutral zu ionisiert umwandelt“, sagt Rahul Kannan vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. „Auf diese Weise können wir dem Reionisierungsprozess automatisch folgen.“ Schließlich erstellte das Team ein Modell für den kosmischen Staub und erhielt so ein Bild mit einzigartiger Genauigkeit für das frühe Universum. Dieses Modell soll beschreiben, wie winzige Materiekörnchen die Entstehung von Galaxien im frühen, dünn besiedelten Universum beeinflussen.

Nachdem das Team somit alle Bestandteile für die Simulation beisammen hatte, entwickelte es diese Bedingungen in der Zeit vorwärts und simulierte einen Ausschnitt des Universums. Dazu nutzten die Wissenschaftler den SuperMUC-NG am LRZ in Deutschland – einen der größten Supercomputer der Welt. 60.000 Rechenkerne führten hier gleichzeitig die Berechnungen von Thesan durch, was 30 Millionen CPU-Stunden entspricht (auf einem einzelnen Desktop-Rechner hätte dies 5.700 Jahre gedauert).

Diese Ansicht zeigt das neutrale Wasserstoffgas, wobei die Farbe die Dichte und die Helligkeit die Regionen mit signifikanter ionisierender Strahlung zeigt. Diese Seitenansichten zeigen die lückenhafte Reionisationsstruktur innerhalb eines Netzwerks aus dichten neutralen Filamenten.

Blick auf Thesan

Diese Ansicht zeigt das neutrale Wasserstoffgas, wobei die Farbe die Dichte und die Helligkeit die Regionen mit signifikanter ionisierender Strahlung zeigt. Diese Seitenansichten zeigen die lückenhafte Reionisationsstruktur innerhalb eines Netzwerks aus dichten neutralen Filamenten.
https://www.youtube.com/watch?v=oaCRtiSAses

Die Simulationen ergeben das detaillierteste Bild der kosmischen Reionisierung über das größte Volumen des Weltraums aller existierenden Simulationen. Einige dieser Simulationen modellieren zwar große Entfernungen, aber mit relativ geringer Auflösung, während andere, detailliertere Simulationen keine großen Volumina abdecken.

„Wir haben diese Simulation nicht nur entwickelt, um selbst das frühe Universums besser zu verstehen, sondern für die gesamte Forschungsgemeinschaft“, betont Garaldi. „Deshalb werden wir bald die Simulationsdaten veröffentlichen, damit alle sie nutzen können! Die Simulation ist so reichhaltig und komplex, dass wir viele, viele Jahre brauchen würden, um sie vollständig zu analysieren.“

Diese Ansicht zeigt das neutrale Wasserstoffgas, wobei die Farbe die Dichte und die Helligkeit die Regionen mit signifikanter ionisierender Strahlung zeigt. Dieser Durchflug zeigt die lückenhafte Reionisationsstruktur innerhalb eines Netzwerks aus dichten neutralen Filamenten.

Flug durch Thesan

Diese Ansicht zeigt das neutrale Wasserstoffgas, wobei die Farbe die Dichte und die Helligkeit die Regionen mit signifikanter ionisierender Strahlung zeigt. Dieser Durchflug zeigt die lückenhafte Reionisationsstruktur innerhalb eines Netzwerks aus dichten neutralen Filamenten.
https://www.youtube.com/watch?v=rrk6yhwrN4I

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