Kosmische Klänge von Neutronensternen

Forschungsbericht (importiert) 2012 - Max-Planck-Institut für Astrophysik

Autoren
Bauswein, Andreas
Abteilungen
„Stellare Astrophysik“
Zusammenfassung
Bei der Kollision von Neutronensternen, den extrem kompakten Überresten ausgebrannter und kollabierter Sterne, entsteht aus zwei leichten Sternen ein schwerer. Das neu geborene Schwergewicht vibriert heftig und sendet dabei charakteristische Raumzeit-Schwingungen aus. Modellrechnungen am Max-Planck-Institut für Astrophysik zeigen nun, wie solche Signale genutzt werden können, um die Größe von Neutronensternen zu bestimmen und damit mehr über das exotische Innenleben dieser Objekte zu erfahren.

Jeder kann aus Kilometern Entfernung am Klang von Kirchenglocken erkennen, ob es sich um das Geläut einer mächtigen Kathedrale oder das einer kleinen Kapelle handelt. Auch ohne die Glocke zu sehen, weiß man, ein kleines Glöckchen hat einen hellen Klang während ein tonnenschwerer Stahlguß tiefe Töne erzeugt. Und selbst wenn die Glocken gleich schwer sind, entscheiden Form und Material noch über die Tonhöhe.

Einen ähnlichen Zusammenhang zwischen Größe und Tonhöhe haben nun Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) für weit entfernte Neutronensterne gefunden [1,2]. Und wie bei Kirchenglocken wollen die Forscher die Tonhöhe nutzen, um die Radien und die Zusammensetzung von Neutronensternen zu ermitteln. Wie eine angeschlagene Glocke Schallwellen in der Luft anregt, so erzeugen Vibrationen von Neutronensternen Schwingungen in der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit vom Ursprungsort ausbreiten. Diese Gravitationswellen wurden schon von Einstein im Rahmen seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt, und Wissenschaftler hoffen in den kommenden Jahren mithilfe aufwendiger Experimente die winzigen Erschütterungen der Raumzeit „hören“ zu können (Abb. 1).

Doch wie soll man Neutronensterne in Schwingungen versetzen? Dazu brauchen Forscher vor allem Geduld. Denn viele Neutronensterne kreisen in Doppelsternsystemen umeinander, wobei sie sich im Laufe von einigen 100 Millionen Jahren immer weiter annähern. Schließlich kollidieren die nur wenige zehn Kilometer großen Sterne und formen einen einzelnen, deutlich schwereren Stern (Abb. 2). Durch die Kollision werden starke Schwingungen in dem neu entstandenen Neutronenstern angeregt, die messbare Gravitationswellen aussenden. Da es Vorhersagen zufolge eine große Zahl solcher Doppelsternsysteme in den Galaxien der kosmischen Nachbarschaft unserer Milchstraße geben sollte, stehen die Chancen nicht schlecht in naher Zukunft Zeuge einer solchen Sternverschmelzung zu werden.

Die neueste Generation von Gravitationswellen-Detektoren wird Tausende Galaxien gleichzeitig überwachen können. Ereignet sich wie vermutet alle 10.000 bis 100.000 Jahre eine Kollision in jeder Galaxie, wird sie den superempfindlichen Antennen nicht entgehen. Die Wissenschaftler vom MPA untersuchten nun mithilfe von Computersimulationen, wie die „Tonhöhe“ der ausgesandten Gravitationswellen von der Größe der Neutronensterne abhängt. Der Sterndurchmesser steht dabei in engem Zusammenhang mit dem inneren Aufbau und den Eigenschaften von Neutronensternmaterie. Da letztere nicht gut bekannt sind, benutzten die Forscher für ihre Rechnungen viele verschiedene Vorschläge für die Materieeigenschaften und bestimmten den entsprechenden Klang der Kollisionen. Dabei variierte die Tonhöhe zwischen dem dreigestrichenen b und dem viergestrichen b. Wie erwartet erzeugen kleine Sterne hohe Töne, während ausgedehntere Objekte einen tieferen Klang hervorbringen (Abb. 3).

Die Rechnungen der Wissenschaftler eröffnen nun die fantastische Möglichkeit, die Größe eines Objekts, das sich viele Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt befindet, auf wenige 100 Meter genau zu bestimmen. Wichtig dabei ist ein genaueres Verständnis der Schwingungszutände, die bei der Neutronensternkollission angeregt werden [3]. Die neuen Ergebnisse sind besonders deshalb spannend, weil es sich bei Neutronensternen um äußerst extreme Objekte handelt. Bei Durchmessern von 20 bis 30 Kilometern ist dabei die eineinhalb bis zweifache Masse der Sonne auf Dichten jenseits von der in Atomkernen zusammengepresst. Entsprechende Bedingungen können in keinem irdischen Labor erzeugt und untersucht werden. Und doch ist Materie bei solchen Dichten für viele Forscher von besonderem Interesse. In derart extremen Umgebungen treten fundamentale Prozesse der Kern- und Teilchenphysik in Erscheinung, wie zum Beispiel Wechselwirkungen zwischen Elementarteilchen, und bestimmen die Eigenschaften der Neutronensternmaterie. Auf diese Weise erlaubt die Beobachtung der Signale weit entfernter astronomischer Objekte 

Literaturhinweise

1.
Bauswein, A.; Janka, H.-T.
Measuring neutron-star properties via gravitational waves from neutron-star mergers
Physical Review Letters 108, 011101 (2012)
2.
Stergioulas, N.; Bauswein, A.; Zagkouris, K.; Janka, H.-T.
Gravitational waves and non-axisymmetric oscillation modes in mergers of compact object binaries
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 418, 427-436 (2011)
3.
Bauswein, A.; Janka, H.-T.; Hebeler, K.; Schwenk, A.
Equation-of-state dependence of the gravitational-wave signal from the ring-down phase of neutron-star mergers
Physical Review D 86, 063001 (2012)
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