Gravitationswellen und Licht zeigen zum ersten Mal die Verschmelzung zweier Neutronensterne - und eine Kilonova

16. Oktober 2017
Am 17. August 2017 konnten zum ersten Mal zwei verschmelzende Neutronensterne beobachtet werden: sie sandten ein Gravitationswellensignal sowie energiereiche Gammastrahlung aus. Diese gleichzeitige Beobachtung bestätigt, dass verschmelzende Neutronensterne tatsächlich die Vorläufer von kurzen, sehr energiereichen Ausbrüchen sind, die von Astronomen als sGRBs bezeichnet werden. Nachfolgende Beobachtungen ergaben, dass die Lichtemission vom radioaktiven Zerfall schwerer Elemente herrührt - eine so genannte Kilonova. Dies bestätigt theoretische Vorhersagen - auch von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Astrophysik – und zeigt, dass dass solche Sternkollisionen die kosmische Ursache schwerer Elemente wie Gold und Platin sein können.

Neutronensterne sind extrem dichte, ausgebrannte Überreste von massereichen Sternen, und die Verschmelzungen zweier solcher Neutronensterne (oder eines Neutronensterns und eines Schwarzen Lochs) galten schon lange als aussichtsreiche Kandidaten für die Beobachtung von Gravitationswellen. Am 17. August 2017 konnten die LIGO- und Virgo-Detektoren nun zum ersten Mal das charakteristische Gravitationswellensignal einer derartigen Verschmelzung messen – außerdem wurde die Verschmelzung gleichzeitig von den Fermi- und INTEGRAL-Satelliten als kurzer Gamma-Strahlen-Ausbruch (GRB) beobachtet; diese gehören zu den energiereichsten Explosionen im Universum. Folgebeobachtungen über das gesamte elektromagnetische Spektrum hinweg lieferten Hinweise darauf, dass die veränderliche Quelle tatsächlich Strahlung vom radioaktiven Zerfall schwerer Elemente aussandte, die sich während des kataklysmischen Ereignisses gebildet hatten.

„Die physikalischen Parameter der nur kurz aufleuchtenden Quelle stimmen auffallend gut mit den theoretischen Vorhersagen für eine so genannte Kilonova aus der Verschmelzung von Neutronensternen überein“, erklärt Anders Jerkstrand vom Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA), der die theoretische Interpretation des Ereignisses durchführte. „Vor allem die Rate, mit der die Leuchtkraft der Quelle im Verlauf von 10 Tagen nach der Verschmelzung abnimmt, ist exakt wie vorhergesagt, wenn im ausgeschleuderten Material radioaktive Elemente dominieren, die viel schwerer als Eisen sind.“

Bei der Verschmelzung zweier Neutronensterne zu einem GRB werden enorme Energiemengen freigesetzt. Gleichzeitig wird dichte Materie mit hoher Geschwindigkeit ausgeschleudert. Da dieses ausgeworfene Material eine hohe Konzentration an freien Neutronen aufweist, können sich daraus die schwersten Elemente im Universum zusammenfügen. Der hierbei ablaufende Prozess wird als schneller Neutroneneinfang bezeichnet, oder kurz r-Prozess (für das englische „rapid/schnell“; siehe auch Kosmische Kollisionen schmieden Gold, Pressemitteilung von 2011).

„Der Ursprung der schwersten chemischen Elemente im Universum hat uns Wissenschaftler lange vor Rätsel gestellt“, sagt Hans-Thomas Janka, leitender Wissenschaftler am MPA, der seit über 20 Jahren an Modellen für Neutronenstern-Verschmelzungen forscht (siehe z. B. Kosmische Klänge von Neutronensternen, Highlight Februar 2012). „Jetzt haben wir den ersten Beweis durch Beobachtungen, dass kollidierende Neutronensterne als Ursprung für diese Elemente in Frage kommen. Sie könnten sogar die Hauptquelle für r-Prozess-Elemente darstellen.“ Während die Materie der beiden Neutronensterne größtenteils in einem schwarzen Loch endet, rechnen die Wissenschaftler damit, dass 1 bis 2 Prozent der Gesamtmasse des Systems ausgestoßen und in schwere Elemente umgewandelt werden könnte.

Die meisten der neu gebildeten Elemente sind radioaktiv und zerfallen nach der Verschmelzung der Neutronensterne über mehrere Tage hinweg. Die dabei entstehende Strahlung heizt die umgebende Materie auf, die dann bei verschiedenen Wellenlängen beobachtet werden kann. Das Pendant für den GRB im optischen und infraroten Spektralbereich wurde nahe dem Kern der Galaxie NGC 4993 gefunden, die nur etwa 130 Millionen Lichtjahre entfernt ist – genau in der Entfernung, die aufgrund des Gravitationswellensignals vorhergesagt wurde. An dieser Stelle gab es seit über einem Jahr keine veränderliche Quelle, so dass ein Zufallstreffer höchst unwahrscheinlich ist.

„Es gab zwar bereits deutliche Hinweise darauf, dass Verschmelzungen von Neutronensternen in der Tat die Quellen kurzer GRBs sind, aber wir hatten keinen endgültigen Beweis. Die gleichzeitige Beobachtung dieses zwei Sekunden langen GRB durch INTEGRAL/Fermi und durch Gravitationswellendetektoren ist der erste überzeugende Beleg dafür, dass zumindest einige GRBs tatsächlich durch Neutronenstern-Verschmelzungen entstehen“, sagt Rashid Sunyaev, Direktor am MPA, der an der Analyse der INTEGRAL-Beobachtungen beteiligt war. "INTEGRAL entdeckt pro Jahr etwa 20 GRBs; der jetzt gesehene ist ein sehr interessantes Objekt, da er relativ leuchtschwach und relativ nah war.“

Die relativ geringe Leuchtkraft dieses GRBs lässt entweder vermuten, dass die Beobachtung unter einem gewissen Winkel zur Hauptrichtung stattfand oder dass es Variationen der Helligkeit zwischen verschiedenen Ereignissen gibt. Außerdem veränderte die Kilonova im Laufe der Nachbeobachtungen ihre Farbe: Sie war in ihrem Frühstadium blau, wurde aber in den folgenden Tagen röter. Dies könnte auf verschiedene Komponenten der ausgeschleuderten Materie zurückzuführen sein, wie durch theoretische Modelle vorhergesagt. Weitere Untersuchungen sind nötig, um das Farb-Verhalten der emittierten Strahlung nach dieser Neutronenstern-Verschmelzung zu klären.

Zukünftige Kilonova-Beobachtungen werden es den Astronomen erlauben, sowohl die Vorläufersysteme als auch die kosmische Verteilung derartiger Ereignisse genauer zu untersuchen. „Der Nachweis einer Verschmelzung von Neutronensternen kam überraschend früh, es ist erst das fünfte Gravitationswellensignal, das jemals detektiert wurde“, sagt Anders Jerkstrand. „Das könnte darauf hindeuten, dass dieses Phänomen recht häufig auftritt, und wir sollten es in den kommenden Jahren öfter beobachten.“

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