Ein neuer Blick auf die kochende Oberfläche von Beteigeuze

1. März 2024

Beteigeuze ist ein bekannter Roter Überriese im Sternbild Orion. Zuletzt wurde viel über ihn diskutiert; nicht nur, weil Schwankungen in seiner Helligkeit zu Spekulationen über eine bevorstehende Explosion führten, sondern auch, weil Beobachtungen darauf hindeuteten, dass er sich viel schneller dreht als erwartet. Letztere Interpretation wird nun von einem internationalen Team unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Frage gestellt, die statt einer Rotation die kochende Oberfläche von Beteigeuze für die Beobachtungen selbst mit den fortschrittlichsten Teleskopen verantwortlich machen. Andere Astronomen analysieren derzeit neue Beobachtungsdaten, um derartige Hypothesen zu überprüfen.

Als einer der hellsten Sterne der nördlichen Hemisphäre kann Beteigeuze leicht mit bloßem Auge im Sternbild Orion gefunden werden. Beteigeuze ist einer der größten bekannten Sterne. Mit einem Durchmesser von mehr als einer Milliarde Kilometern ist er fast 1000 Mal größer als die Sonne. Wäre er in unserem Sonnensystem, würde er die Erde mit seiner Atmosphäre verschlingen und bis zum Jupiter reichen. Ein so großer Stern sollte nicht schnell rotieren. Im Laufe ihrer Entwicklung dehnen sich die meisten Sterne aus und drehen sich langsamer, um der Drehimpulserhaltung zu genügen. Jüngste Beobachtungen deuten jedoch darauf hin, dass Beteigeuze ziemlich schnell rotiert (mit 5 km/s), zwei Größenordnungen schneller als ein entwickelter Einzelstern rotieren sollte.

Der wichtigste Beweis für die Rotation von Beteigeuze stammt von ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array). Die 66 Antennen von ALMA arbeiten zusammen, als wären sie ein einziges riesiges Teleskop. Sie verwenden eine Technik, die als Interferometrie bekannt ist: zwei oder mehr Antennen fangen ein Signal aus dem Universum auf, das dann überlagert wird. Die Analyse der gemeinsamen Information liefert dann Informationen über seine Emissionsquelle. Mit dieser Technik entdeckten die Astronomen eine dipolare Radialgeschwindigkeitskarte für die Oberfläche von Beteigeuze: Die Hälfte des Sterns scheint sich uns zu nähern, die andere Hälfte scheint sich von uns weg zu bewegen. Diese Beobachtung führte zusammen mit früheren Studien zu der Interpretation, dass Beteigeuze schnell rotiert.

Diese Interpretation wäre eindeutig, wenn Beteigeuze eine perfekt runde Kugel wäre. Die Oberfläche von Beteigeuze jedoch pulsiert und wird von einem physikalischen Prozess namens Konvektion beherrscht. In unserem Alltag können wir Konvektion beim Wasserkochen beobachten, bei Beteigeuze ist dieser Prozess jedoch viel heftiger: Die kochenden Blasen können so groß sein wie die Umlaufbahn der Erde um die Sonne; sie bedecken einen großen Teil der Oberfläche von Beteigeuze. Sie steigen und fallen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 30 km/s, schneller als jedes bemannte Raumschiff.

Auf der Grundlage dieses physikalischen Bildes bietet ein internationales Team unter der Leitung von Jing-Ze Ma, Doktorand am Max-Planck-Institut für Astrophysik, nun eine alternative Erklärung für die dipolare Geschwindigkeitskarte von Beteigeuze: Die kochende Oberfläche von Beteigeuze täuscht eine Rotation vor. Eine Gruppe von kochenden Blasen steigt auf der einen Seite des Sterns auf, während eine andere Gruppe von Blasen auf der anderen Seite absinkt. Aufgrund der begrenzten Auflösung des ALMA-Teleskops würden solche konvektiven Bewegungen bei tatsächlichen Beobachtungen unscharf sein, was zu der dipolaren Geschwindigkeitskarte führen würde.

Das Team entwickelte ein neues Programm zur Nachverarbeitung ihrer hydrodynamischen Strahlungssimulationen nicht rotierender roter Überriesensterne in 3D, um synthetische ALMA-Bilder und Submillimeterspektren zu erzeugen. In 90 % der Simulationen würde man scheinbar einen Stern sehen, der mit mehreren km/s rotiert, einfach weil die großräumigen brodelnden Bewegungen mit den ALMA-Teleskopen nicht klar aufgelöst sind.

Um die schnelle Rotation von Beteigeuze besser beurteilen zu können, sind weitere Beobachtungen erforderlich; das Team hat bereits Vorhersagen für künftige Beobachtungen mit höherer räumlicher Auflösung gemacht. Glücklicherweise haben andere Astronomen im Jahr 2022 bereits höher aufgelöste Beobachtungen von Beteigeuze durchgeführt. Die neuen Daten werden derzeit ausgewertet, was die Vorhersagen auf den Prüfstand stellen und dazu beitragen wird, hinter die Maske von Beteigeuze zu blicken.

„Die meisten Sterne sind nur winzige Lichtpunkte am Nachthimmel. Beteigeuze ist so unglaublich groß und nah, dass wir mit den besten Teleskopen seine kochende Oberfläche beobachten und untersuchen können. Es fühlt sich immer noch ein bisschen wie in einem Science-Fiction-Film an, als ob wir dorthin gereist wären, um ihn aus der Nähe zu sehen“, sagt Mitautorin Selma de Mink (Direktorin am MPA). „Und die Ergebnisse sind so aufregend. Wenn sich herausstellen sollte, dass Beteigeuze doch schnell rotiert, dann wurde seine Rotation wahrscheinlich durch das Verschlucken eines kleinen Begleitsterns verstärkt.“

„Es gibt so viel, was wir noch nicht über gigantische, kochende Sterne wie Beteigeuze verstehen“, sagt Mit-Autor Andrea Chiavassa, Astronom am CNRS. „Wie funktionieren sie wirklich? Wie verlieren sie Masse? Welche Moleküle können sich in dem ausströmenden Material bilden? Warum ist Beteigeuze plötzlich weniger hell geworden? Wir arbeiten sehr hart daran, unsere Computersimulationen immer besser zu machen, aber wir brauchen wirklich die unglaublichen Daten von Teleskopen wie ALMA“.

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Simulation der kochenden Oberfläche von Beteigeuze

Diese Animation zeigt eine Simulation, wie die Konvektion die Oberfläche eines Sterns ähnlich wie Beteigeuze dominiert. Anschließend wird gezeigt, wie dies in tatsächlichen ALMA-Beobachtungen aussehen würde. Dabei wird demonstriert, dass die kochende Oberfläche fälschlicherweise als Signatur für eine Rotation angesehen werden könnte.

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