Was passiert, wenn ein Stern einem Schwarzen Loch zu nahe kommt?

1. Februar 2024

In dichten stellaren Umgebungen sollte es häufig zu Begegnungen zwischen Sternen und stellaren Schwarzen Löchern kommen. Mit Hilfe hydrodynamischer Simulationen haben Forschende am MPA untersucht, was mit Sternen bei solchen Begegnungen passiert. Dabei haben sie wichtige Parameter wie die Masse des Sterns bzw. des Schwarzen Lochs, das Alter des Sterns oder die geringste Distanz variiert. Die Studie quantifiziert die Auswirkungen dieser Parameter auf die Massen, den Drall und die Flugbahnen der Überreste des Sterns, bietet Einblicke in die Dynamik von Sternhaufen und liefert einfache Beschreibungen für die Parameter nach der Interaktion.

Die Zentren von Kugelsternhaufen und Kernsternhaufen sind die dichtesten stellaren Umgebungen im Universum. Aufgrund dieser hohen Dichte sind zahlreiche gravitationsbedingte Begegnungen zwischen stellaren Objekten zu erwarten, darunter auch mit Schwarzen Löchern mit Massen von etwa 10-100 Sonnenmassen. Wenn ein Stern einem stellaren Schwarzen Loch besonders nahe kommt, kann der Stern aufgrund der starken Gezeitenkräfte um das Schwarze Loch herum verformt oder sogar ganz zerstört werden. Ein solches Phänomen wird als "Mikro-Gezeitenstörung" (micro tidal disruption event oder μTDE) bezeichnet. Die Vorsilbe "Mikro" unterscheidet diese Ereignisse von den weitaus häufiger untersuchten TDEs mit einem supermassereichen Schwarzen Loch (d. h. mit einer Masse von mehr als einer Million Sonnenmassen). Die TDEs, die auf supermassereiche Schwarze Löcher zurückzuführen sind, sind als Transienten bei optischen, UV- und Röntgenwellenlängen mit mehr als 100 bestätigten Beobachtungen auf großes Interesse gestoßen. Obwohl es bis 2023 noch keine bestätigten Beobachtungen von μTDEs gab, sind zukünftige groß angelegte Durchmusterungen von Transienten wie LSST vielversprechend.

Detaillierte Untersuchungen von μTDEs sind entscheidend für das Verständnis der Gravitationsdynamik dichter Sternhaufen und wie Schwarze Löcher in diesen Haufen wachsen. Die Flugbahn eines Sterns, der dabei teilweise zerstört wird, verändert sich durch seinen Massenverlust (bei einer vollständige Zerstörung gibt es den Stern nicht mehr). Ungefähr die Hälfte der Masse, die der Stern verliert, wird ausgeworfen, während die andere Hälfte in der Nähe des Schwarzen Lochs verbleibt. Dieses Materie akkretiert schließlich auf das Schwarze Loch, was zu einer Zunahme seiner Masse führt. N-Körper- und andere Simulationen sollten daher diese Störungen berücksichtigen, um die langfristige Dynamik eines Sternhaufens, insbesondere seiner zentralen dichten Region, korrekt zu modellieren. Diese Genauigkeit kann durch detaillierte hydrodynamische Simulationen von Begegnungen zwischen Sternen und Schwarzen Löchern erreicht werden.
In dieser Arbeit haben wir eine Serie von 58 hydrodynamischen partiellen μTDEs mit dem 3D-Moving-Mesh-Code AREPO simuliert. Im Gegensatz zu früheren Studien über μTDEs haben wir realistische Sternmodelle verwendet, die mit dem Sternentwicklungs-Code MESA erzeugt wurden. Wir variierten die Massen sowohl des Sterns (0,5 und 1 Sonnenmasse) als auch des Schwarzen Lochs (10 und 40 Sonnenmassen), das Alter des Sterns (am Anfang, Mitte und Ende der Hauptreihenphase) und den Abstand der größten Annäherung zwischen den beiden Objekten. Unsere Ergebnisse reichten von fast keinem Massenverlust bis zur vollständigen Zerstörung des Sterns.
Unter der Annahme eines anfänglich nicht rotierenden Sterns und eines parabelförmigen Orbits zwischen dem Stern und dem Schwarzen Loch bestand unser Ziel darin, zu quantifizieren, wie die Massen, der Drall und die Trajektorien der stellaren Überreste von diesen Anfangsparametern abhängen.

 

Die teilweise Zerstörung eines Sterns durch ein Schwarzes Loch
 

Diese Sequenz zeigt eine Simulation der Zerstörung eines sonnenähnlichen Sterns durch ein Schwarzes Loch von 10 Sonnenmassen. Der Stern nähert sich dem Schwarzen Loch auf einer parabelförmigen Bahn mit einem Abstand von ungefähr dem Radius des Sterns. Der Stern wird durch das Drehmoment des Schwarzen Lochs in Rotation versetzt, und etwa 5 % der Masse des Sterns gehen durch die Gezeitenströme verloren; etwa die Hälfte davon wird an das Schwarze Loch gebunden.

Wir stellten fest, dass der Massenverlust eines Sterns mit zunehmender Entfernung vom Schwarzen Loch annähernd exponentiell abnimmt, d. h. je weiter entfernt ein Stern das Schwarze Loch passiert, desto weniger Materie verliert er. Auch das Alter des Sterns spielt eine Rolle - Hauptreihensterne unterschiedlichen Alters verlieren unterschiedlich viel Materie, selbst wenn alle anderen Ausgangsparameter gleich sind. Je weiter ein Hauptreihenstern entwickelt ist, desto höher ist seine zentrale Dichte, da er im Kern mehr Helium aus dem Wasserstoffbrennen enthält. Daher ist es viel schwieriger, einen älteren Hauptreihenstern vollständig zu zerstören, als einen jüngeren Stern. Außerdem wird der Überrest des Sterns durch das Drehmoment des Schwarzen Lochs in Rotation versetzt. Je näher der Stern an das Schwarze Loch herankommt, desto größer ist das Drehmoment, und desto mehr Drehimpuls gewinnt der Sternüberrest.
Schließlich ändert sich auch die anfangs parabelförmige Flugbahn des Sterns aufgrund der kombinierten Auswirkungen der stellaren Gezeiten, des asymmetrischen Massenverlusts, des Dralls und der Energie der ausgestoßenen Materie. In Übereinstimmung mit früheren Studien kann der Überrest entweder auf einer gebundenen Bahn um das Schwarze Loch bleiben (exzentrische Umlaufbahn) oder auf einer hyperbolischen Umlaufbahn davon wegfliegen. Im ersten Fall würde der Überrest immer wieder dem Schwarzen Loch nahe kommen, bis er völlig zerstört ist. Typischerweise bleibt der Überrest ungebunden, wenn der Stern bei der Zerstörung einen beträchtlichen Teil seiner Masse verliert und das Massenverhältnis zwischen Stern und Schwarzem Loch sehr hoch ist, d. h. das Schwarze Loch viel schwerer ist als der Stern.
Die Ergebnisse unserer Simulationsreihe liegen in Form von Best-Fit-Formeln für die Parameter nach der Disruption vor. Diese können in Codes für die Simulation von Sternhaufen integriert werden, um die schwer zu beschreibenden Begegnungen zwischen Stern und Schwarzem Loch besser zu modellieren.

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