Magnetische Felder in mehrphasigem Gas: Ein turbulenter Tango

1. November 2023

Das All ist voller Gase bei unterschiedlichsten Temperaturen, und es ist wichtig zu verstehen, wie diese zusammenwirken. Eine Gruppe von Wissenschaftlern am MPA hat nun die Vermischung von Gasen mit und ohne Magnetfelder untersucht. Überraschenderweise fanden sie heraus, dass das Ergebnis davon abhängt, ob zu Beginn bereits Turbulenzen vorhanden sind. Ohne Turbulenz können Magnetfelder die Vermischung unterdrücken, indem sie die Turbulenz unterdrücken, während die Magnetfelder nur eine geringe Wirkung haben, wenn bereits Turbulenz vorhanden ist.

Von der Milchstraße und Andromeda in unserer Nachbarschaft bis zur am weitesten entfernten beobachteten Galaxie JADES-GS-z13-0 – Galaxien sind Inseln in den unendlichen Weiten des Weltraums. Aber sie leben nicht in Isolation. Sie nehmen Gas aus ihrer Umgebung auf, verwirbeln und verdichten es, um Sterne zu bilden, und stoßen es wieder aus, wenn diese Sterne als Supernovae explodieren. Dieser Ausstoß von Gas aus der galaktischen Scheibe erzeugt gigantische galaktische Ströme. Solche Ströme können der Galaxie das Gas entziehen, aus dem neue Sterne entstehen könnten, was zu einer Periode mit niedriger Sternentstehungsrate führt. Man geht jedoch davon aus, dass das Gas, das durch galaktische Ströme ausgestoßen wird, später wieder in die galaktische Scheibe zurückgeführt werden kann, um weitere Sternentstehung möglich zu machen. Dieses zyklische Ausstoßen und Ansammeln von baryonischem Gas in und aus der Galaxie wird als „Baryon-Zyklus“ bezeichnet und ist ein wichtiger Abschnitt in der Entwicklung der Galaxie.

Das Gas als Hauptbestandteil dieses Kreislaufs kann in verschiedenen Phasen vorliegen: extrem heißes Gas (mit Millionen von Grad) zusammen mit Einschlüssen von viel kälterem Gas (mit nur Tausenden von Grad). Zu verstehen, wie sich diese Gase mit unterschiedlichen Temperaturen vermischen, ist wichtig für unser Wissen über den Baryon-Zyklus und die vielen damit verbundenen astrophysikalischen Prozesse.

Die turbulente Vermischung ist ein gut erforschtes Gebiet, da sie in vielen angewandten Bereichen wie Meteorologie, Schadstofftransport, Verbrennungsmotoren usw. von Bedeutung ist. In der Astrophysik gibt es jedoch einen Haken: auch Magnetfelder erfüllen den interstellaren und zirkumgalaktischen Raum. Beeinflussen diese unsichtbaren Felder die Vermischung zwischen den sehr unterschiedlichen Gasphasen? Wissenschaftler sind dieser Frage mit Hilfe von Computersimulationen nachgegangen und haben festgestellt, dass Magnetfelder in einigen Fällen die Durchmischung unterdrücken können. Dies kann ein Problem für die mehrphasige Natur des Gases darstellen. Dennoch bleibt diese Kombination aus turbulentem, magnetisiertem und mehrphasigem Gas ein Rätsel. In der aktuellen Studie wird untersucht, wie sich das Vorhandensein von Magnetfeldern auf die Mischung und die Wechselwirkung zwischen heißen und kalten Gasen auswirkt.

Die Forscher am MPA stellen mit Hilfe von Computersimulationen zunächst ein sehr einfaches Szenario nach, das als „Mischungsschicht“ bezeichnet wird: Heiße und kalte Gase befinden sich in zwei Lagen nebeneinander mit einer einzigen Grenzfläche und einer relativen Geschwindigkeit zwischen ihnen. Zunächst vermischen sich die Gase ohne ein Magnetfeld. In diesem Fall werden die Gase durch die Turbulenz effizient aufgewirbelt und vermischt. Als nächstes führt das Team Magnetfelder ein und stellt fest, dass die Vermischung unterdrückt wird. Die Magnetfelder stabilisieren die Grenze zwischen den heißen und kalten Gasen und verhindern Turbulenzen (siehe erstes Video). In einer zweiten, realistischeren Simulation, einer so genannten turbulenten Box, ist die Turbulenz jedoch bereits zu Beginn vorhanden. In diesem Fall haben die Magnetfelder keinen Einfluss auf die Durchmischung.

Vermischung von Gasen mit Magnetfeldern

Diese Videos zeigen, wie sich zwei Gase mit unterschiedlichen Temperaturen (siehe Farbskala) mit und ohne Magnetfeld mischen.
Die Spalte ganz links zeigt den Fall ohne Magnetfeld. Die mittlere und die rechte Spalte zeigen den Fall mit unterschiedlichen Ausrichtungen (entlang jeder der oben angegebenen Hauptachsen) und mit unterschiedlichen Stärken der Magnetfelder (Mitte: relativ stark, rechts: relativ schwach).

Dies ist ein überraschendes Ergebnis, da die Mischungsschicht in der größeren turbulenten Box vorhanden sein sollte. Warum würden die Magnetfelder im ersten Fall einen großen Unterschied machen, während sie im zweiten Fall nur einen geringen Einfluss haben? Bisher ging man davon aus, dass die Simulationen der Mischungsschicht ein Spezialfall von Bereichen in Simulationen der turbulenten Boxen sind, und zwar für die Bereiche, wo die Grenzfläche zwischen kaltem und heißem Gas genau so einer Schicht entspricht. Eine große Auswirkung auf die Durchmischung in diesen Simulationen sollte daher eine ebenso große Auswirkung auf die Durchmischung in den turbulenten Boxen haben.

Um dieses Dilemma zu lösen, musste das Team die eigentliche Ursache der Vermischung untersuchen, nämlich die Turbulenz. Die Durchmischung hängt nur von den turbulenten Bewegungen ab und nicht davon, wie diese Turbulenz ursprünglich entstanden ist. Bei der Mischungsschicht verhindert das Vorhandensein von Magnetfeldern die Entstehung von Turbulenzen; in einer turbulenten Box ist die Turbulenz bereits vorhanden. Wenn die Turbulenz durch Magnetfelder nicht verändert wird, bleibt auch die Durchmischung unverändert, was bedeutet, dass es keine Auswirkungen auf das Wachstum und das Überleben von kaltem Gas gibt.

Auch wenn in den realistischeren Simulationen einer turbulenten Box die Magnetfelder die Gesamtdurchmischung der verschiedenen Phasen nicht verändern, hinterlassen Magnetfelder dennoch ihre Fingerabdrücke. Magnetfelder wirken sich auf die Struktur des kalten Gases aus, was an der Entwicklung in den Simulationen sehr deutlich wird: In Gegenwart von Magnetfeldern wird das Gas länglicher und fadenförmiger (siehe zweites Video). Die Forscher untersuchten auch, wie diese Veränderungen in der Struktur des kalten Gases die Beobachtungen beeinflussen können. Aus den Simulationen mit und ohne Magnetfeldern wurden Scheinbeobachtungen von Quasaren erstellt, die in beiden Fällen der beobachteten Beziehung zwischen der Anzahl der Spektralmerkmale und ihrer Stärke folgen – es konnte jedoch fast kein beobachtbarer Unterschied zwischen den beiden Fällen gefunden werden.

Entwicklung der Struktur von Gasen, die sich vermischen

Diese beiden Videos zeigen die Vermischung einer kalten, dichten Wolke in einer heißen turbulenten Umgebung mit und ohne Magnetfelder. Die Struktur sieht in beiden Fällen sehr unterschiedlich aus: ohne Magnetfelder (links) bleibt das Gas klumpig, während es mit Magnetfeldern (rechts) länglicher und fadenförmiger wird.

Zusammenfassend zeigen diese numerischen Experimente, dass Magnetfelder Turbulenzen und eine Vermischung von Gasen verhindern können, wenn es eine Scherung zwischen Schichten von heißem und kaltem Gas gibt. Wenn jedoch bereits Turbulenzen im Gas vorhanden sind, werden die Magnetfelder nur zu Zuschauern und beeinflussen die Effizienz der Durchmischung nicht. Diese Erkenntnisse können zum besseren Verständnis der komplexen mehrphasigen Natur der beobachteten astrophysikalischen Gase beitragen.

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