Eine Million Quellen und die Milchstraße auf der Röntgenkarte des gesamten Himmels

Das eROSITA-Teleskop an Bord des SRG-Observatoriums hat seine erste vollständige Himmelsdurchmusterung abgeschlossen

22. Juni 2020
Vor etwa zehn Tagen haben die Teleskope ART-XC und eROSITA an Bord des Weltraumobservatoriums Spektr-RG (SRG) ihren ersten vollständigen Scan des Himmels im Röntgenlicht durchgeführt. Seit Beginn des Projekts sind mehrere Wissenschaftler des MPA Mitglieder des russischen Konsortiums SRG/eROSITA und beteiligen sich an der Analyse der Daten aus einer Hälfte des Himmels.

Die gute Winkelauflösung und die hohe Empfindlichkeit des eROSITA-Teleskops erlaubten es, über eine Million kompakter Quellen und Zehntausende ausgedehnter Quellen zu kartieren. Eine so große Anzahl von Quellen lässt sich nicht in einem einzigen Bild darstellen; nur die hellsten sind auf dieser Karte als Punkte sichtbar. Die erste Himmelsdurchmusterung durch die Raumsonde SRG ermöglichte es dem eROSITA-Teleskop, eine Karte zu erstellen, die fast zehnmal mehr Quellen enthält und etwa viermal empfindlicher ist als die bisher weltbeste Karte des deutschen Satelliten ROSAT aus dem Jahr 1990. In den nur sechs Monaten, in denen der Himmel gescannt wurde, konnte eROSITA die Gesamtzahl der Quellen verdoppeln, die bisherigen Teleskopen in 60 Jahren Röntgenastronomie aufgezeichnet wurden. "Dieses Bild des gesamten Himmels verändert völlig die Art und Weise, wie wir das energiereiche Universum betrachten", sagt Peter Predehl, der leitende Wissenschaftler von eROSITA am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE). "Wir sehen einen solchen Detailreichtum - die Schönheit der Bilder ist wirklich überwältigend."

Auf dieser Karte sieht man Hunderte von Supernova-Explosionen und möglicherweise auch, von Zeit zu Zeit, die Aktivität des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie, was dazu geführt hat, dass riesige Blasen aus heißem Gas mit Temperaturen von bis zu 10 Millionen Grad aus der Ebene unserer Galaxie ausgestoßen wurden (helle Zonen oberhalb und unterhalb der Bildmitte). Etwa zweihunderttausend ziemlich nahe Sterne mit Coronae, die viel stärker sind als die unserer Sonne, tragen ebenfalls zur Emission von Zonen mit einer niedrigeren Temperatur bei.

Etwa drei Viertel der Objekte auf dieser Karte sind entfernte Quasare und aktive Galaxienkerne, die durch die Akkretion (Einfall) von Materie auf supermassereiche Schwarze Löcher, die sich in ihren Zentren befinden, angetrieben werden. Sie befinden sich weit jenseits der Milchstraße in Entfernungen von Hunderten von Millionen und Milliarden von Lichtjahren. Unter den Objekten auf dieser Karte sind Quasare mit Rotverschiebungen von mehr als 6 zu finden. Außerdem sehen wir auf der Karte etwa 20 000 ausgedehnte Galaxienhaufen, die mit geheimnisvoller "Dunkler Materie" gefüllt sind. Es wird Jahre dauern, die Rotverschiebungen der von eROSITA entdeckten Quasare und Galaxienhaufen genau zu messen. "Aber jetzt können wir damit beginnen, diese Objekte, die sich in gigantischen Entfernungen befinden, für die Zwecke der Kosmologie zu nutzen, um herauszufinden, wann solche Objekte im Universum zu wachsen begannen, und um die Eigenschaften des Universums als Ganzes abzuschätzen", sagt Rashid Sunyaev, PI des SRG-Observatoriums in Russland.

Die Teleskope des SRG-Observatoriums sind weiterhin in Betrieb. Nun beginnt SRG mit der zweiten Himmelsdurchmusterung, die voraussichtlich bis Ende des Jahres dauern wird. Insgesamt ist geplant, in den nächsten dreieinhalb Jahren sieben weitere solcher Himmelskarten zu erstellen. Die endgültige Karte wird etwa fünfmal empfindlicher sein als die erste, und die Zahl der Quellen auf ihr dürfte sich um etwa das 5- bis 8-fache erhöhen. "Wir gehen davon aus, dass Astrophysiker und Kosmologen aller Länder der Welt die von SRG erhaltenen Karten und Quellkataloge noch jahrzehntelang verwenden werden, bis Wissenschaftler und führende Raumfahrtbehörden entscheiden, dass es an der Zeit ist, eine noch empfindlichere Himmelskarte im Röntgenbereich zu erstellen", bemerkt Rashid Sunyaev.     

Die SRG-Raumsonde wurde von der Lavochkin Association, Roskosmos Corporation, entworfen und am 13. Juli 2019 mit einer Proton-Trägerrakete vom Kosmodrom Baikonur gestartet. Das SRG-Observatorium wurde unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Rahmen des Russischen Föderalen Raumfahrtprogramms auf Initiative der Russischen Akademie der Wissenschaften, vertreten durch ihr Weltraumforschungsinstitut (IKI), gebaut. Die Sternwarte verfügt über zwei einzigartige Teleskope mit streifendem Röntgeneinfall: ART-XC (IKI, Russland) und eROSITA (MPE, Deutschland). Das SRG/eROSITA-Teleskop wurde unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) und des DLR gebaut. Die SRG-Sonde wird von der Lavochkin Association und Deep Space Network Antennae in Bear Lakes, Ussurijsk und Baykonur betrieben und von Roskosmos finanziert.

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