Röntgenstrahlung aus dem warm-heißen intergalaktischen Medium

1. Juli 2019

Das warm-heiße intergalaktische Medium trägt wesentlich zur Gesamtmaterie im Universum bei – ist aber noch nicht gut verstanden, da es sehr schwer zu beobachten ist. Forscher am MPA haben nun vorhergesagt, wie es mit Hilfe von schwereren Elementen untersucht werden könnte. Durch die Streuung des kosmischen Röntgenhintergrunds kann ein Teil dieser Linienemission erheblich verstärkt werden und sollte für kommende Röntgenmissionen zugänglich sein.

Die Hälfte der baryonischen Materie im heutigen Universum versteckt sich recht erfolgreich – Astronomen gehen davon aus, dass sie als warm-heißes intergalaktisches Medium vorliegt. Diese Form der Materie kommt so reichlich und unbemerkbar vor, wie der Stickstoff in der Luft, die wir atmen. Auf natürliche Weise wird dieses Gas fortlaufend durch die Entstehung der größten Strukturen im Universums erzeugt, hat eine Temperatur zwischen 100.000 und 1 Million Kelvin und seine Dichte übersteigt die mittlere baryonische Dichte um weniger als einen Faktor 100. Die hohe Temperatur dieses Gases impliziert, dass Wasserstoff und Helium nahezu vollständig ionisiert sein sollten und daher nicht über die Lyman-Alpha-Absorption in den Spektren von Hintergrund-Quasaren nachgewiesen werden können. (Im Gegensatz zu dem intergalaktischen Medium bei hohen Rotverschiebungen, das auf diese Weise leicht nachgewiesen werden kann.) Gleichzeitig ist es schwierig, dieses Gas direkt zu beobachten, da seine thermische Emission sehr schwach ist (aufgrund seiner geringen Dichte) und es zudem größtenteils bei extremen UV- bzw. weichen Röntgenenergien strahlt, die in der Beobachtung nur schwer zugänglich sind.

Glücklicherweise wird das warm-heiße intergalaktische Medium durch schwerere Elemente angereichert (wie Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Neon und Eisen), die durch starke galaktische Abflüsse aus Galaxien mit viel Sternentstehung ausgestoßen werden (wie z.B. kosmologische Hydro-Simulationen andeuten, siehe Abb.1). Die Atome schwerer Elemente werden nicht vollständig ionisiert und erzeugen zahlreiche Emissionslinien und resonante Absorptionsmerkmale. Diese sind für ein Gas mit niedriger Dichte, wie das warm-heiße intergalaktische Medium, von besonderer Bedeutung, da ihre Amplitude proportional zur Gesamtzahl der Ionen auf der Sichtlinie ist und sie daher linear mit der Gaszahldichte skalieren. Doch auch wenn bereits viel Beobachtungszeit auf dieser Basis in die Suche nach dem warm-heißen intergalaktischen Medium investiert wurde (mit Hilfe der hochauflösenden Gitterspektrographen an Bord der Röntgenobservatorien Chandra und XMM-Newton), wurden bisher nur marginale Detektionen gemeldet.

Tatsächlich sind diese Absorptionsmerkmale das Ergebnis einer resonanten Streuung, die an sich kein echter Absorptionsprozess ist. Tatsächlich wird die in Richtung der hellen Hintergrundquellen verlorene Intensität durch eine erhöhte Intensität in allen anderen Richtungen kompensiert (siehe Abb. 2). Bei einem isotropen Strahlungsfeld, wie beispielsweise dem kosmischen Röntgenhintergrund, hebt sich der Nettoeffekt bei einer Integration über alle Richtungen auf. Allerdings wird ein großer Teil dieses Hintergrundes durch helle Einzelquellen (hauptsächlich aktive galaktische Kerne) verursacht, die aufgelöst und in einem gegebenen Bildfeld ausgeschlossen werden können. Das verbleibende Signal enthält dann sowohl den unaufgelösten Teil der Hintergrundstrahlung (mit ähnlichen Absorptionsmerkmalen wie im aufgelösten Teil) als auch die räumlich ausgedehnte, resonant gestreute Hintergrundstrahlung. Diese Emission wird stark von den hellsten Resonanzlinien dominiert und ergänzt die intrinsische thermische Emission des warm-heißen intergalaktischen Mediums, wodurch insgesamt die Emission im Röntgenbereich erhöht wird und charakteristische spektrale Eigenschaften wie die Äquivalenzbreite der Linien und ihr Verhältnis zueinander verändert werden.

Kürzlich haben MPA-Wissenschaftler Berechnungen für die Röntgenemission einer Schicht des warm-heißen intergalaktischen Mediums durchgeführt, die sowohl die Photoionisation durch den kosmischen Röntgenhintergrund berücksichtigen als auch die resonant gestreute Linienemission selbstkonsistent mit einbeziehen (siehe Abb.3). Dabei zeigte sich eine Steigerung der Emission insgesamt in den markantesten Resonanzlinien (O VII, O VIII und Ne IX) um einen Faktor ~30, wobei diese Steigerung ziemlich gleichmäßig ist über fast die gesamte Breite des Dichte-Temperatur-Diagramms, das für das warm-heiße intergalaktische Medium relevant ist. Selbst nach Mittelung über breite Spektralbänder bleibt der Verstärkungsfaktor sehr signifikant (~5), nimmt aber bei Temperaturen über T~1 Million K (für alle betrachteten Dichten) und bei Überdichten >100 stark ab, wie in Abb. 4 für das 0,5-1 keV-Band dargestellt. Die vorhergesagte Gesamtemission in diesem Band wird von den Resonanzlinien des Helium- und Wasserstoff-ähnlichen Sauerstoffs dominiert, die im untersuchten Parameterraum vergleichbare Intensitäten haben.

Ein signifikanter Nachweis einer Schicht aus warm-heißem intergalaktischem Medium (bei einer Rotverschiebung von ~0,1) in Emission könnte durch ein Röntgenteleskop mit einer effektiven Fläche von etwa 1000 cm2 (bei 0,5-1 keV) mit einer Aufnahme in der Größenordnung von 1 Million Sekunden über ein Quadratgrad des Himmels erreicht werden - unter Berücksichtigung der Kontamination durch den unaufgelösten kosmischen Röntgenhintergrund und den galaktischen, diffusen weichen Röntgenvordergrund. Diese Anforderungen könnten bereits mit einer einzigen Beobachtung des eROSITA-Teleskops an Bord der bevorstehenden SRG-Mission erfüllt werden.

Zukünftige Röntgenmissionen werden in der Tat großartige Möglichkeiten bieten, das warm-heiße intergalaktische Medium zu untersuchen, sowohl bei großflächigen Röntgendurchmusterungen als auch bei tiefen kleinräumigen Beobachtungen mit Röntgenkalorimetern. Für erstere kann das Signal durch eine Kreuzkorrelation des gestapelten Röntgensignals in (Absorption und Emission) mit bestimmten Spurenelementen in der groß-räumigen Struktur (z.B. 2MASS-Galaxien) erfasst werden, während für letztere die Detektion (und potentielle Diagnostik) von herausstechenden einzelnen Filamenten bei z~0,1 das primäre Ziel ist.

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