Gravitationswellen als Botschafter aus dem sehr frühen Universum

1. Juni 2018
Quantenschwankungen im sehr frühen Universum führen zu Temperatur- und Polarisationsanisotropien im kosmischen Mikrowellenhintergrund und stellen die Keimzellen dar für die kosmischen Strukturen von heute. Außerdem entstehen durch diese Schwankungen primoridale Gravitationswellen, die Informationen über die Energieskala der Inflation beinhalten; diese Gravitationswellen weichen schwach von einer Gaußverteilung ab. Allerdings können die urzeitlichen Gravitationswellen auch von anderen Quellen erzeugt werden, so dass sich daraus zudem der Energiegehalt des frühen Universums ablesen lässt. Wissenschaftler am MPA haben kürzlich gezeigt, dass diese Gravitationswellen hochgradig nicht-gaußförmig sein können und ihre „Schiefe“ viel größer ist als die, die durch Vakuumschwankungen erzeugt wird. Die Abweichung von einer Gauß-Verteilung ist damit ein wichtiger Test für den Ursprung der primordialen Gravitationswellen.

Wie hat das Universum begonnen? Diese Frage fasziniert die Menschheit seit Jahrtausenden. Die sogenannte „Präzisionskosmologie“ hat uns der Beantwortung dieser Frage recht nahe gebracht, gestützt auf Beobachtungen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds (CMB) mit den Satelliten Planck (ESA) und WMAP (NASA). Genaue Messungen der Temperatur- sowie der Polarisationsschwankungen des CMB in verschiedenen Himmelsrichtungen lieferten den Kosmologen ein beeindruckendes Bild vom Ursprung der kosmischen Strukturen wie Galaxien, Sterne, Planeten und Leben: Alles um uns herum entwickelte sich aus Quantenfluktuationen, die im frühen Universum Teilchen-Antiteilchen-Paare erzeugten. Diese Schwankungen wurden in den ersten Sekundenbruchteilen durch die beschleunigte Expansion des Universums, genannt Inflation, auf sehr große Dimensionen gedehnt. Nach dem Ende der Inflation begann sich die Ausdehnung des Universums zu verlangsamen und aus diesen Schwankungen konnten sodann die heutigen Strukturen im Universum wachsen.

Ein wichtiger Test für den quantenmechanischen Ursprung dieser Schwankungen ist ihre Wahrscheinlichkeitsverteilung, aus der man ablesen kann, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Schwankung an einem bestimmten Punkt im Universum eine bestimmte Amplitude hat. Für freie Felder mit Quantenfluktuationen im Grundzustand entspricht dies einer Gauß-Verteilung (siehe Abb. 1). Wechselwirkungen der Felder mit anderen Feldern oder mit sich selbst im frühen Universum machen diese Verteilung jedoch nicht-Gauß. Diese „Nicht-Gaußheit“ ist daher ein entscheidender Hinweis auf Wechselwirkungen von Feldern während der Inflation und erlaubt uns einen Blick auf die Physik bei Energieskalen, die weit außerhalb der Reichweite eines Teilchenbeschleunigers liegen.

Photonen sind zu Beginn des Universums stark an Elektronen gekoppelt, bis die Temperatur ausreichend gesunken ist, um neutrale Atome zu bilden; das älteste Licht, das wir sehen, wurde aus diesem Grund erst emittiert, als das Universum bereits 380 000 Jahre alt war. Demgegenüber breiten sich Gravitationswellen seit dem Beginn des Universums nahezu ungehindert aus und sind daher als Informationsträger viel „sauberer“. Zwar können diese Gravitationswellen nur schwer direkt beobachtet werden, sie hinterlassen aber ein einzigartiges Polarisationsmuster im CMB.

Genauer gesagt, sofern die Schwerkraft quantisiert ist, erzeugen ihre Vakuumschwankungen Gravitationswellen und damit eine Polarisation im CMB. Die Amplitude dieser Polarisation hängt von der Energieskala der Inflation ab, worüber wir die Reichweite unserer physikalischen Theorien testen können. Es gibt jedoch einen Haken: Andere Energiequellen, wie z.B. Eichfelder, können ebenfalls Gravitationswellen erzeugen. In diesem Fall hängt die Amplitude der Polarisation nicht nur von der Energieskala der Inflation ab, sondern auch vom genauen Mechanismus, mit dem diese anderen Felder Gravitationswellen erzeugen. Wenn wir also die Wirkung von Gravitationswellen im CMB beobachten, wie können wir ihren Ursprung bestimmen?

Wissenschaftler am MPA haben kürzlich die Gauß-Verteilung der Gravitationswellen als entscheidenden Test für ihren Ursprung etabliert. Ausgehend von der Schiefe der Verteilung (genauer gesagt, der sogenannten Drei-Punkt-Funktion) als Maß für den Nicht-Gauß'schen Anteil fanden sie heraus, dass Gravitationswellen, die durch Vakuumfluktuationen erzeugt werden, eine Schiefe besitzen, die nur um einen geringen Faktor größer ist als ihre quadrierte Varianz (siehe Abb. 2). Demgegenüber war die Schiefe bei den durch Eichfeldern erzeugten Gravitationswellen fast eine Million Mal größer als ihre quadrierte Varianz (siehe Abb. 3).

Bevorstehende CMB-Missionen wie das japanische LiteBIRD – das eine deutlich höhere Empfindlichkeit aufweist als die vorherigen WMAP- und Planck-Missionen und an dem MPA-Wissenschaftler ebenfalls stark beteiligt sind – werden dies leicht beobachten können. Sollten wir feststellen, dass die beobachteten primordialen Gravitationswellen tatsächlich hochgradig nicht-Gauß-förmig sind, kann ihre Schiefe dazu verwendet werden, den Anteil der Eichfelder an der Energiedichte während der Inflation zu messen. Damit können die Wissenschaftler die Bestandteile unseres Universums untersuchen, als es weniger als ein Billionstel eines Billionstel (10-36) einer Sekunde alt war.

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