Lyman-Alpha-Galaxien werfen Licht auf die Geschichte der Reionisation

1. Mai 2016
In der Kosmologie ist die Erforschung der Epoche der Reionisation im frühen Universum eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Wissenschaftler am MPA, der Universität Oslo und dem INAF haben nun kosmologische, hydrodynamische Strahlungstransportsimulationen eingesetzt um besser zu verstehen, wie sich die komplexe Verteilung des neutralen Gases im intergalaktischen Medium auf entfernte Galaxien auswirkt. Aus der Kombination der Simulationen mit Beobachtungen von sogenannten „Lyman-Alpha emittierenden Galaxien“ finden sie, dass die aktuellen Messungen trotz gewisser Unsicherheiten eine späte und rapide Reionisation begünstigen. Die Studie unterstreicht zudem, dass sowohl die großräumige Verteilung der ionisierten Gasregionen als auch die der kleinräumigen Strukturen des intergalaktischen Gases rund um Galaxien besser verstanden werden müssen, um robustere Einschränkungen für die Reionisations-Epoche abzuleiten.

Die Epoche der Reionisation, als frühe Galaxien oder schwarze Löcher den globalen Zustand des Universums drastisch von neutral hin zu einem ionisierten Plasma verwandelten, ist eines der großen ungelösten Rätsel in der modernen extragalaktischen Astronomie. Große Fragen bleiben unbeantwortet: Was war die Geschichte der Reonisation? Welche Quellen waren für sie verantwortlich?

Eine Möglichkeit, den physischen Zustand des Universums zu sehr frühen Zeiten zu untersuchen, besteht in der Beobachtung entfernter, "Lyman-Alpha emittierender Galaxien“ bei hoher Rotverschiebung. Diese Galaxien emittieren eine starke Lyman-Alpha-Linie, Strahlung des Wasserstoffgases in ihrem interstellaren Medium. Diese starke Emissionslinie ermöglicht es den Astronomendiese Objekte bis zu der sehr großen Entfernung von Rotverschiebung 10 zu beobachten. Inzwischen wurden Hunderte von Lyman-Alpha-Galaxien bei einer Rotverschiebung von mehr als 6 gefunden.

Die Beobachtungen zeigen, dass sich die scheinbare Anzahl der Lyman-Alpha-Galaxien im Laufe der kosmischen Geschichte ändert. Bei einer Rotverschiebung höher als 6, als das Universum weniger als 1 Milliarde Jahre alt war, nimmt die beobachtete Population von Galaxien mit Lyman-Alpha-Emission plötzlich ab. Es ist schwierig, dies allein mit der Entstehungsgeschichte der Galaxien zu erklären. Bei mittleren bis hohen Entfernungen (Rotverschiebung 2 bis 6), erhöht sich der Anteil der Sternentstehungsgalaxien, die eine starke Lyman Alpha-Emission zeigen, was sich teilweise durch weniger Staub in diesen Galaxien begründen lässt. Daher scheint der plötzliche Rückgang bei sehr hohen Entfernungen, über einer Rotverschiebung von 6, darauf hinzudeuten, dass irgendetwas dieses Licht blockiert. Dieser plötzliche Rückgang wird oft als Beweis interpretiert, dass das Gas im Universum zu früheren kosmischen Zeiten neutraler ist – mit anderen Worten: der plötzliche Rückgang markiert die Zeit der Reionisation.

Die Idee, Lyman-Alpha-Galaxien als Sonde für die Reionisation zu verwenden, basiert auf einer einfachen Idee. Befindet sich entlang der Sichtlinie zu den Galaxien mehr neutrales Gas, erreicht den Beobachter ein geringerer Lyman-Alpha-Fluss. Der Unterschied zwischen dem erwarteten Fluss einer Galaxie und dem beobachteten Fluss sagt uns dann, wie viel neutrales Gas entlang der Sichtlinie existiert.

Ein Team um Koki Kakiichi verwendete diese Methode um den neutralen Wasserstoffgehalt des Universums bei einer Rotverschiebung von 7 zu bestimmen. Sie benutzten kosmologische, hydrodynamische Strahlungstransfersimulationen der Reionisation (siehe Abbildung 1) um Beobachtungen von Lyman-Alpha-Galaxien zu interpretieren. Die Beobachtungen wurden dann mit theoretischen Modellen der scheinbaren Population von Lyman-Alpha-Galaxien verglichen. Auf diese Weise kann der Anteil des neutralen Gases aus den Modellen abgeleitet werden, die am besten zu den Beobachtungen passen.

Diese Methode liefert neue Einschränkungen für die Reionisation, wie in Abbildung 2 dargestellt. Insbesondere zeigt sie, dass das Universum bei einer Rotverschiebung von 7 noch sehr neutral ist. Damit scheint die vorliegende Analyse nahe zu legen, dass die Reionisation spät auftrat und sich bei einer Rotverschiebung von 6 bis 8 schnell abspielte.

Diese Studie unterstreicht auch eine wichtige Unsicherheit, die bei einer mit Simulationen kalibrierten Messung des neutralen Gasanteils auftritt. Abbildung 3 zeigt, dass völlig andere Werte des neutralen Gasanteils in Kombination mit anderen "Topologien" der Reionisation die beobachtete Helligkeitsfunktion genauso gut erklären können. In der Tat führt dies zu einer systematischen Unsicherheit für den Anteil des neutralen Gases, die eine ganze Größenordnung betragen kann. Detailliertes Wissen über die Topologie der Reionisation, und zwar sowohl die großräumige Verteilung der ionisierten Blasen als auch die Eigenschaften des kleinräumig verteilten, sich selbst abschirmenden Gases um Galaxien, ist notwendig um eine robuste Aussage über die Reionisation treffen zu können. Nur Modelle mit groß- und kleinräumigen Strukturen sind in der Lage, die Beobachtungen des Lyman-Alpha-Waldes und der Lyman-Alpha-Galaxien von der Epoche der Reionisation bis in das reionisierte Universum hinein schlüssig zu erklären.

Diese Schwierigkeit schränkt jedoch in keiner Weise den Geltungsbereich der Verwendung von Lyman-Alpha-Galaxien als Sonde der Reionisation ein. Die Unsicherheiten können verringert werden, indem man gleichzeitig mehrere Statistiken verwendet, wie die Leuchtkraftfunktion und den Anteil der starken Lyman-Alpha-Linie in sogenannten "Lyman-Break-Galaxien“ bei Beobachtungskampagnen von Lyman-Alpha-Galaxien. Neue Beobachtungsstrategien suchen nach frühen Galaxien im Vordergrund von Quasaren bei der Epoche der Reionisation, was den Einsatzbereich dieses Verfahrens drastisch vergrößern wird, da es den Astronomen erlaubt, sowohl den Zustand des intergalaktischen Gases als auch die Eigenschaften der Lyman-Alpha emittierenden Galaxien direkt zu untersuchen.

In Kombination mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit von Strahlungstransportsimulationen dienen Lyman-Alpha emittierende Galaxien als wichtige Signale um den Anfangszustand des jungen Universums zu untersuchen.

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