Staubige Strukturen in einer weit entfernten Galaxie

9. April 2015

Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) kombinierten hochauflösende Bilder der ALMA-Teleskope mit einem neuen System zum Entzerren der Bilder einer starken Gravitationslinse, um so das erste detaillierte Abbild einer jungen und entfernten Galaxie zu erhalten, die mehr als 11 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Die rekonstruierten Bilder zeigen, dass die Sternentstehung den interstellaren Staub aufheizt und ihn in drei unterschiedlichen Regionen einer größeren Verteilung stark zum Leuchten bringt. Das deutet darauf hin, dass das Objekt eine rotierende Scheibengalaxie sein könnte, die wir von der Seite sehen.

Galaxien bilden ständig neue Sterne in dichten Wolken aus interstellarem Gas und Staub. Die Sternentstehungsrate in heutigen Galaxien ist jedoch viel geringer als zu früheren Zeiten. Als das Universum erst ungefähr ein Viertel seines heutigen Alters hatte, war die Sternentstehung auf ihrem Höhepunkt; deshalb sind die Astronomen sehr daran interessiert, mehr über diese Zeitspanne zu erfahren. Aufgrund der endlichen Lichtgeschwindigkeit ist ein Blick zurück in die Vergangenheit möglich, aber immer verbunden mit einem Blick auf große Entfernungen. Dies wiederum bedeutet, dass junge Galaxien sehr klein und sehr schwach erscheinen. Außerdem können die meisten ihrer neugeborenen Sterne nicht direkt beobachtet werden, da ihre Strahlung durch Staub in der umgebenden Gaswolke absorbiert wird und bei Ferninfrarot-Wellenlängen wieder emittiert wird.

Dies macht Sternentstehungsgebiete in entfernten Galaxien zu einem der wichtigsten Ziele für das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array. Im Endstadium, wird ALMA aus 66 Hochpräzisionsantennen auf der Chajnantor-Hochebene auf 5000 Meter Höhe im nördlichen Chile bestehen. Die Daten der einzelnen Antennen können interferometrisch kombiniert werden, und die Spannweite von 15 Kilometern des Teleskop­verbundes insgesamt liefert Auflösungen von besser als einer Zehntel Bogensekunde. Ohne irgendwelche Hilfsmittel. Dies allein wäre aber immer noch nicht ausreichend, um detaillierte Bilder junger Galaxien auf dem Höhepunkt ihrer Sternentstehungsaktivitäten zu machen.

"Bei einer Konferenz präsentierten ALMA-Wissenschaftler neue Daten, mit denen sie das wissenschaftliche Potential des Arrays überprüft hatten, darunter auch ein Bild eines starken Gravitationslinsensystems, das sofort unser Interesse weckte", erinnert sich Simona Vegetti, Postdoc-Wissenschaftlerin am MPA. "Durch die Linse wird das Licht der Hintergrundgalaxie stark verstärkt, genauer gesagt um das 17-fache, nur deshalb sind wir überhaupt in der Lage, die Galaxie zu sehen. Zusammen mit ALMAs einzigartiger Winkelauflösung gab uns das die Chance, zum ersten Mal zu versuchen die Details in der Verteilung des Staubes in einer weit entfernten Galaxie zu untersuchen." Der starke Gravitationslinseneffekt tritt auf, wenn eine Hintergrundgalaxie nahe an der Sichtlinie zu einer Massenkonzentration im Vordergrund liegt, zum Beispiel einem Galaxienhaufen, der die Lichtstrahlen von der Quelle auf dem Weg zum Beobachter "verbiegt". Die Vordergrundlinse ist jedoch ein unvollkommenes optisches System, was zu sehr großen Verzerrungen führt (siehe Abb. 1). Trotzdem kann man aufgrund der Eigenschaften der "gelinsten" Bilder die Massenverteilung des Linsensystems bestimmen und das "echte" (d.h. unverzerrte) Bild der fernen Galaxie rekonstruieren.

"Bei früheren Rekonstruktionen wurde angenommen, dass die Hintergrundgalaxien glatt und regelmäßig sind", erklärt Matus Rybak, der die Computermodellierung am MPA durchführte. "Das ist aber wahrscheinlich eine recht schlechte Näherung für die Struktur einer Galaxie mit starker Sternentstehung, und die rohen ALMA-Bilder gaben uns bereits klare Hinweise darauf, dass diese Hintergrundquelle komplex sein muss. Der neue, allgemeinere Ansatz, den wir entwickelt haben, ist viel besser für solch unregelmäßige Systeme geeignet."

Dieser Verdacht bestätigt sich im rekonstruierten Bild der Galaxie SDP.81, das zeigt, dass die Sternentstehung in drei verschiedenen Regionen konzentriert ist (siehe Abb. 2). "Dies ist das erste Mal, dass wir Strukturen in der Staubemission einer z=3 Galaxie auf Skalen von weniger als 150 Lichtjahren sehen", betont Simona Vegetti. Zu dieser kosmischen Zeit befand sich die Sternentstehungsrate in typischen Galaxien auf dem Höhepunkt, und in der Tat entstehen in SDP.81 Sterne mit etwa 300 Sonnenmassen pro Jahr. (In unserer Milchstraße beträgt die Sternentstehungsrate nur ca. 3 Sonnenmassen pro Jahr.)

Diese komplexe Struktur der Galaxie könnte darauf hindeuten, dass es sich um eine rotierende Scheibe mit einer zentralen Ausbuchtung handelt, die wir von der Seite sehen (und die auch von der Seite gelinst wird). Alternativ könnte es sich um ein System handeln, das sich gerade im Prozess der Verschmelzung befindet, wobei die einzelnen Komponenten immer noch sichtbar sind. Um zwischen diesen Möglichkeiten unterscheiden zu können, benötigen die Wissenschaftler Daten über die Bewegungen des Gases innerhalb der Galaxie. Der nächste Schritt für das MPA-Team gemeinsam mit ihren Kollegen Paola Andreani an der ESO und John McKean an der Universität Groningen und dem niederländischen Institut für Radioastronomie (ASTRON) wird es daher sein, die Beobachtungen einer Moleküllinie dieses Systems zu analysieren, die ALMA ebenfalls durchgeführt hat.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht