MPA-STARTSEITE 
Zurueck zur Startseite
 

  Aktuelle Forschung :: April 2008 Zur Übersicht

Gibt es aus Absorptionslinien in Quasar-Spektren Hinweise auf Massenausstoss?

Unser Standardmodell für Galaxienentstehung und -entwicklung erscheint im Detail noch unvollkommen. Eine Vorhersage des Modells ist, daß es bei hoher Rotverschiebung nur kleine Galaxien geben sollte, aber wir beobachten viele, recht massereiche Galaxien, und es sollte heutzutage viel mehr massereiche Galaxien geben als beobachtet. Zur Lösung dieses Problems wurde vorgeschlagen, dass die Rückwirkung, das sog. "feedback", der sehr massereichen schwarzen Löcher auf die umgebenden Galaxien wichtig sein könnte, d.h. ein Massenausstrom aus diesen Objekten dazu führt, dass Gas aus den umgebenden Galaxien ausströmt. Simulationen dieses Effekts waren sehr erfolgreich (Abb. 1), aber bisher hatte sich aus Beobachtungen kein Hinweis darauf finden lassen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA) haben auf der Suche nach einem solchen Hinweis nun die Absorptionslinien in den Spektren von Quasaren, sehr hellen Lichtquellen, deren Energie aus Akkretion von Gas auf sehr massereiche schwarze Löcher stammt, analysiert.

Abb. 1: Simulationen des "feedback" von Quasaren, des Prozesses, der alles Gas aus der "Wirt-Galaxie" des Quasars entfernt und damit weitere Sternentstehung und weiteres Wachsen von Schwarzen Löchern verhindert (Li, Hernquist & Robertson et al., 2007, ApJ 665, 187). Diese Simulationen geben viele Beobachtungsergebnisse erfolgreich wieder. - Aber können wir direkte Nachweise für eine derartige effiziente und möglicherweise allgemein vorkommende Rückwirkung finden?
Bildquelle: Pierre Kervella (Paris-Meudon Observatory) und European Southern Observatory

Abb. 2: Die Stärke der MgII Absorption (Linien), in der Umgebung der Quasare beobachtet, als Funktion der Entfernung vom Quasar (normiert mit der Menge der Absorption die wir erwarten würden, ohne Häufung um Quasare herum). Die gefundene Häufung entspricht der beobachteten Häufung bei Galaxien, wobei die Amplitude konsistent ist mit absorbierendem Gas in massereichen Galaxien.

Abb. 3: Die Stärke der CIV Absorption (Linien), beobachtet entlang der Sichtlinie zu einem Quasar (Histogramm). Das zentrale Maximum könnte durch Galaxien-Galaxien-Häufung erklärt werden, nicht aber die Werte der Verteilung bei hohen Geschwindigkeiten. Zum Vergleich ist unser vorgeschlagenes bestes Model aufgetragen, in dem 40% der CIV Absorption, die innerhalb von 170 Mpc um den Quasar gefunden wird, auch tatsächlich zum Quasar und seiner "Wirt-Galaxie" gehören.

Absorptionslinien in den Spektren von Quasaren werden schon untersucht seit die ersten solchen Spektren bekannt waren. Die Absorptionslinien werden als schwarze Streifen gegen das Hintergrundlicht des Quasars sichtbar. Aus den beobachteten Wellenlängen der Linien können wir auf die chemischen Elemente in dem absorbierenden Gas zwischen dem Quasar und der Erde schliessen. Im allgemeinen befinden sich diese Elemente in Gaswolken, wobei die dichteren und metallreicheren Wolken nahe bei, oder sogar in Galaxien zu finden sind, die diffuseren, weniger metallreichen Wolken in sog. "voids", Regionen ohne Galaxien. Es wurde jedoch immer für möglich gehalten, dass einige der Absorptionslinien direkt mit dem Quasar assoziiert sein könnten - das könnnte der langgesuchte Nachweis sein, dass Quasare Gas aus den Galaxien, in denen sie leben, hinaustreiben.

In der Tat beobachten wir eine grössere Anzahl dieser Absorptionslinien nahe am Quasar. Jedoch auch in normalen Galaxien gibt es absorbierende Gaswolken, und Galaxien werden häufig in Gruppen beobachtet. Daher könnte diese Häufung von Absorptionslinien einfach durch normale Galaxien in der Nähe des Quasars erklärt werden und dann keine Bedeutung für die Suche nach ausströmendem Gas haben. Ein einfacher Test, der von Vivienne Wild und ihren Mitarbeitern durchgeführt wurde, besteht darin, die Absorption in der Umgebung der Quasare zu messen, indem man nach Absorptionslinien in der Nähe von Quasaren sucht. In diesem Falle bedeutet das, man untersucht das Licht von anderen Quasaren, die sich im Hintergrund befinden, auf Absorptionslinien hin, und hat somit eine Messung der Dichte von Galaxien in der Umgebung von Vordergrund-Quasaren. Das Ergebnis ist in Abb. 2 für den Fall des einfach ionisierten Magnesium (MgII) gezeigt: wir weisen die Häufung von Absorption um Quasare nach und zeigen, dass es genau der gleichen Gesetzmässigkeit folgt wie die Häufung von Galaxien. Wenn wir jedoch das Ergebnis für die MgII Absorption um Quasare herum in eine Vorhersage für die Absorption in der Verbindungslinie zwischen dem Quasar und der Erde übertragen, finden wir ein überraschendes Resultat: Die Menge des absorbierenden Gases ist stark überschätzt. Daraus schliessen wir, dass die ionisierende Strahlung des Quasars die Gaswolken in den bzw. um die nächsten Galaxien beeinflusst, so dass die Ionisation dieser Wolken über das normalerweise erwartete Mass steigt.

Das bedeutet, dass wir nach Absorptionslinien mit höherem Ionisationspotential Ausschau halten müssen, um das auströmende Gas untersuchen zu können. In der Tat, wenn wir dasselbe Experiment für dreifach ionisierte Kohlenstoffatome (CIV) durchführen, sehen wir ein anderes Bild (Abb. 3), einen Überschuss an Absorption, der nur durch Gas verursacht werden kann, das von dem Quasar weg in Richtung Erde strömt. Wir finden, dass ungefähr 40% des absorbierenden Gases nahe dem Quasar tatsächlich mit dem Quasar assoziiert ist, mit Geschwindigkeiten zwischen einigen hundert und vielen tausend Kilometern pro Sekunde.

Ist dieses absorbierende Gas der Nachweis nach dem wir gesucht haben, nämlich dass Quasare das Hinausströmen einer grosse Menge Gases aus den sie umgebenden Galaxien verursachen? Leider ist auch klar geworden, dass Quasare Ionisation bewirken in den Gaswolken ihrer eigenen Galaxie. Die beiden Effekte, der nicht bekannte Ionisationszustand und die unbekannten Entfernung der Gaswolken machen es unmöglich genau zu bestimmen wieviel Gas mit so hohen Geschwindigkeiten in den Wolken hinausströmt. Wir hoffen, dass in naher Zukunft aus der Stärke und Breite von Absorptionslinien anderer Elemente in den Quasar-Spektren genauere Informationen über die wahre Natur dieser Gaswolken gewonnen werden können.


Vivienne Wild, Guinevere Kauffmann, Simon White


Veröffentlichungen:

Vivienne Wild, Guinevere Kauffmann, Simon White et al., "Narrow associated QSO absorbers: clustering, outflows and the line-of-sight proximity effect", 2008, eingereicht bei MNRAS, linkPfeilExtern.gifarXiv:0802.4100



drucken.gif Druckversion topPfeil.gif Top
© 2003—2022, Max-Planck-Gesellschaft, München
Letzte Änderung: 31.3.2008