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  Aktuelle Forschung :: Oktober 2006 Zur Übersicht

Messung des kosmischen Hintergrunds harter Röntgenstrahlung mit INTEGRAL

Ein internationales Astronomenteam, mit Beteiligung einiger Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik, benutzte die Erde als ein gigantisches Schild, um den kombinierten Röntgenfluss hunderttausender aktiver supermassiver schwarzer Löcher in den Zentren weit entfernter Galaxien zu bestimmen.

Abb. 1: Die 17-60 keV Himmelskarte, welche im Laufe von etwas vier Jahren mit INTEGRAL erstellt wurde. Die Quellen in dieser Karte wurden künstlich verschmiert und die Farbkodierung wurde so angepasst, das helle und schwache Quellen gleichzeitig sichtbar sind. Die Konzentration von Quellen entlang der galaktischen Ebene wird durch Neutronensterne und schwarze Löcher unser Galaxie hervorgerufen, während die meisten Objekte fernab dieser Ebene supermassiven schwarzen Löchern in anderen Galaxien entsprechen. Der CXB setzt sich aus der Emission mehrerer Millionen ähnlicher und weit entfernter Objekte zusammen. Ein Bild der Erde, welches mit dem ESA/EUMETSAT's Meteosat Satelliten aufgenommen wurde, ist ebenfalls gezeigt. Die Abschirmung der Emission weit entfernter Quellen durch die Erdscheibe erlaubt es den Astromomen die Intensität des Röntgen- und Gammastrahlenhintergrunds zu bestimmen. Bei tatsächlichen Beobachtungen mit INTEGRAL erscheint die Erde etwas kleiner als hier angedeutet.

Abb. 2: Der Vergleich des CXB-Spektrums, welches mit den verschiedenen Instrumenten von INTEGRAL gemessen wurde (blaue Punkte mit Fehlerbalken), mit einer theoretischen Vorhersage, welche auf den Annahmen basiert, dass die AGN Population seit z~1.5 nur reiner Helligkeitsverminderung unterlag und das Verhältnis der abgedunkelten zu nicht abgedunkelten AGNs mit dem von INTEGRAL lokal gemessenen Werten übereinstimmt. Die oberen beiden Kurven und der sie umgebende schattierte Bereich sind auf die derzeitige Unsicherheit in der AGN-Evolution bei hohen Rotverschiebungen (z>1-1.5) zurückzuführen. Zusätzlich sind die Beiträge zum CXB von AGNs mit unterschiedlicher Abschwächung durch Gas gezeigt.

Supermassive schwarze Löcher, millionen- und milliardenmal so schwer wie unsere eigene Sonne, schlummern in den Zentren aller Galaxien. Die meisten dieser schwarzen Löcher sind zur Zeit nicht aktiv, aber jedes hatte in seiner Vergangenheit eine Periode schnellen Wachstums, während der eine gewaltige Menge an Strahlung freigesetzt wurde. Solche Objekte beobachtet man heute in unserer Umgebung als Seyfert-Galaxien und als helle QSOs im weit entfernten Universum. Es wird angenommen, dass all diese akkretierenden schwarzen Löcher zusammen einen dominierenden Beitrag zum kosmischen Röntgenhintergrund (CXB, engl. cosmic X-ray background) liefern - harte Strahlung, die den gesamten Raum um uns anfüllt.

Ein Verständnis der Natur des CXB impliziert, dass nicht nur dessen Fluss bekannt ist, sondern man diesen auch durch Populationen bekannter Objekte erklären kann. Bei niedrigen Energien (weniger als ein paar keV) wurden schon etwa 90% des CXB durch Beobachtungen mit grossen Röntgenteleskopen wie XMM-Newton und Chandra in Einzelobjekte aufgelöst. Bei Energien höher als etwa 10-20 keV sind solche Messungen mit existierenden Instrumenten noch weit vom technisch Möglichen entfernt. Daher mussten für das INTEGRAL Observatorium andere Techniken zur Untersuchungen des CXB herangezogen werden.

Neben umfangreichen Untersuchungen der galaktischen Ebene wurde auch ein Bruchteil der Beobachtungszeit von INTEGRAL darauf verwendet, den gesamten Himmel im 17-60 keV Band zu kartieren. Dabei identifizierte man mehr als hundert aktive schwarze Löcher (AGNs) in den Zentren von in der Nähe liegenden Galaxien. Obwohl diese Objekte nicht mehr als einige Prozent des CXB ausmachen, so liefert die INTEGRAL Durchmusterung des gesamten Himmels doch eine unverfälschte Auswahl der lokalen aktiven schwaren Löcher. Hierbei sind auch solche Objekte eingeschlossen, deren Kerne von grossen Massen kalten Gases umgeben sind, welches Röntgenstrahlung absorbiert und die AGNs unterhalb von einigen keV dadurch unsichbar macht. Anhand dieser Daten konnten die Wissenschaftler die Helligkeitsverteilung der AGNs aus unserer Nachbarschaft im harten Röntgenbereich untersuchen und zeigen, dass der Anteil an durch Gas abgedunkelten Objekten am lichtschwachen Ende der AGN Leuchtkraftfunktion gross (~70%) ist, aber klein (~25%) am lichtstarken Ende.

Um den gesamten Fluss des CBX zu bestimmen, richtete man das INTEGRAL Observatorium für mehrere Tage direkt auf die Erdscheibe. Im ersten Moment erscheint diese Strategie seltsam, aber die Erde dient hierbei als gigantischer Schild, welcher die Emission weit entfernter Quellen abschirmt und dadurch das Signal, das von INTEGRAL gemessen wird, abschwächt. Durch Beobachtung dieser Abschwächung ist es möglich die überlagerte Emission aller weit entfernten Quellen, unabhängig von deren Helligkeit, zu bestimmen (Abb. 1). Diese Aufgabe ist keineswegs trivial, denn auch die Erde selbst ist eine Quelle harter Röntgenstrahlung, welche durch die Wechselwirkung hochenergetischer Teilchen (engl. cosmic rays) mit der Erdatmosphäre entsteht.

Durch Kenntnis der Gesamtintensität des CBX und der detailierten Eigenschaften der lokalen Population aktiver schwarzer Löcher können Wissenschaftler mehr daüber lernen, wie sich jene schwarzen Löcher im Laufe der Zeit (z~0-1.5) entwickelt haben (Abb. 2). Es stellt sich dabei heraus, dass sowohl die Amplitude als auch die spektrale Verteilung des CXB mit der Annahme erklärbar sind, dass die AGN Population als Ganzes reine Helligkeitsverminderung (engl. luminosity downsizing, i.e. eine Entwicklung von hellen Quasaren zu relativ leichtschwachen Seyfert Galaxien) erfahren hat - eine Hypothese, welche die Daten der tiefen extragalaktischen Durchmusterungen tatsächlich nahelegen - während sich andere Eigenschaften, wie das Verhältnis der abgedunkelten zu nicht abgedunkelten AGNs, nicht verändert haben. Dies hat wichtige Konsequenzen für theoretische Modelle, die auf eine Vereinigung verschiedener Typen von AGNs an Hand der geometrischen Orientierung und physikalischen Eigenschaften abzielen.


E.Churazov, R.Sunyaev, S.Sazonov, M.Revnivtsev, R.Krivonos


Publikationen

Churazov et al.:
"Integral observations of the cosmic X-ray background in the 5-100 keV range via occultation by the Earth",
Astron. & Astrophys.; linkPfeilExtern.gifastro-ph/0608250

Sazonov et al.:
"Hard X-ray emission of the Earth's atmosphere: Monte Carlo simulations",
Astron. & Astrophys.; linkPfeilExtern.gifastro-ph/0608253

Churazov et al.:
"Earth X-ray albedo for CXB radiation in the 1-1000 keV band",
Astron. & Astrophys., in press; linkPfeilExtern.gifastro-ph/0608252



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Letzte Änderung: 28.9.2006