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  Asymmetrische Explosionen erklaeren spektrale Vielfalt bei Supernovae - SN Ia sind doch Standardkerzen

Asymmetrische Explosionen erklären spektrale Vielfalt bei Supernovae — SN Ia sind doch Standardkerzen

Ein lange bestehendes Rätsel um gewaltige Sternexplosionen ist nun gelöst: Eine internationale Forschergruppe, unter anderem vom Max-Planck-Institut für Astrophysik, hat den Grund dafür gefunden, warum Supernovae, die sich in ihren Lichtkurven gleichen, erhebliche Unterschiede in ihren Spektren aufweisen. Das Team fand eine neue Korrelation zwischen verschiedenen spektralen Eigenschaften, was die Idee einer asymmetrischen Explosion bei Supernovae untermauert. Die meisten Unterschiede in den Spektren können damit durch die verschiedenen zufälligen Richtungen erklärt werden, aus denen die asymmetrischen Supernovae beobachtet werden. Dieses Ergebnis entkräftet auch wesentliche Bedenken, ob man Supernovae aufgrund ihrer spektralen Vielfalt als kosmische Entfernungsindikatoren einsetzen kann — eine gute Nachricht für die beobachtende Kosmologie. (Nature, 1. Juli 2010)

Abb: Diese Visualisierung zeigt einen Querschnitt durch die simulierte Materieverteilung, zehn Sekunden nachdem die Supernova-Explosion außerhalb des Zentrums gezündet wurde. Aus verschiedenen Blickwinkeln, angedeutet durch die weißen Linien, würde ein hypothetischer Beobachter unterschiedliche Gasdichten und -zusammensetzungen sehen, was der beobachteten Vielfalt bei Supernovae entspricht.

Supernova-Explosionen werden unter anderem im Rahmen der Sternentwicklung untersucht; sie sind wichtige Produktionsstätten für schwere chemische Elemente. Aber auch in der modernen Kosmologie spielen sie eine wichtige Rolle: Supernovae des Typs Ia gehören zu den präzisesten Entfernungsmessern im Universum. In systematischen Studien kartierten Astronomen im Verlauf der letzten Jahre mithilfe von Supernovae, wie sich die Ausdehnung unseres Universums entwickelte, und fanden überraschenderweise, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die “Dunkle Energie”, die etwa 75 Prozent der Energiedichte im Universum ausmacht. Das Prinzip hinter derartigen Entfernungsmessungen mit Supernovae ist einfach: Es gibt einen vielfach überprüften Zusammenhang zwischen ihrer größten Helligkeit und der Rate, mit der ihre Leuchtkraft abnimmt, womit die intrinsische Helligkeit von SN Ia direkt aus der Form ihrer Lichtkurve abgeleitet werden kann. Vergleicht man nun die scheinbare Helligkeit mit der berechneten intrinsischen Leuchtkraft, so kann man die Entfernung bestimmen, aus der die Supernova beobachtet wird.

Offensichtlich hängt der Erfolg dieser Methode von der Relation ab, mit der die maximale Helligkeit der Supernovae bestimmt wird, und damit von der Annahme, dass alle SNe Ia mit der gleichen Leuchtkraft das gleiche Verhalten zeigen. Diese These wurde allerdings infrage gestellt, als immer mehr Supernovae im Detail beobachtet wurden. Schon in den späten 1980er Jahren zeigten sich erste Anzeichen für Unterschiede, die 2005 zweifelsfrei gemessen wurden. Es stellte sich heraus, dass SNe Ia mit der gleichen Leuchtkraft unterschiedliche Spektren haben und diese insbesondere eine andere zeitliche Entwicklung durchlaufen. Die Ursache dieser Unterschiede war bisher unklar, was Anlass zu mehreren Bedenken gab: Gibt es nur eine einzige Klasse von Vorläufersystemen? Sind SNe Ia wirklich gute Entfernungsindikatoren?

Unterschiede zeigen sich vor allem in den Spektren der Supernovae, die die chemische Zusammensetzung der in den Explosionen ausgeschleuderten Materie abbilden. Verschiedene Elemente prägen den beobachteten Spektren charakteristische Absorptions- oder Emissionslinien auf. Mit der Zeit dehnt sich die Explosionswolke aus und wird immer durchsichtiger, so dass immer tiefere Schichten der abgestoßenen Materie untersucht werden. Unterschiede in der spektralen Entwicklung verschiedener SNe Ia deuten deshalb auf eine andere chemische Zusammensetzung der abgestoßenen Materie, wechselnde Ionisations- oder Anregungsbedingungen oder verschiedene Geschwindigkeiten des abgestoßenen Materials.

Als Vorläufer für Typ Ia Supernovae werden Weiße Zwerge angenommen — alte, ausgebrannte Sterne, die hauptsächlich aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehen. Hydrodynamische Simulationen zeigen, dass explodierende Weiße Zwerge tatsächlich SNe Ia hervorbringen können, auch wenn es schwierig ist, die beobachtete Vielfalt zu reproduzieren, da Weiße Zwerge recht klar begrenzte Eigenschaften haben. Eine Möglichkeit die Folgen der Explosion zu beeinflussen besteht darin, die Art der Zündung zu verändern — an einzelnen oder mehrfachen Stellen, in der Mitte oder außerhalb des Zentrums. Letzteres könnte zu asymmetrischen Explosionen führen; das Aussehen der Supernova würde dann davon abhängen, aus welcher Richtung die Explosion beobachtet wird. Theoretisch ist dies einleuchtend, es war aber lange Zeit unklar, ob Asymmetrien in realen Supernovae tatsächlich eine Rolle spielen.

Die neuen Ergebnisse der internationalen Forschergruppe um Keiichi Maeda vom IPMU an der Universität Tokyo bringen das einheitliche Bild der SN Ia-Explosionen nun einen wichtigen Schritt voran. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass verschiedene spektrale Eigenschaften, die bisher in Supernovae nur unabhängig beobachtet und untersucht wurden, in der Tat eng korreliert sind. All diese Eigenschaften können außerdem einfach erklärt werden, falls man eine asymmetrische Explosion voraussetzt. Die beobachtete Vielfalt ist dann lediglich eine Folge der zufälligen Richtungen, aus denen die Supernovae gesehen werden.

Mit diesen Ergebnissen können gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Sie erklären nicht nur die spektrale Vielfalt sondern räumen auch große Bedenken aus, SNe Ia als Entfernungsindikatoren in der Kosmologie einzusetzen, indem sie die Idee eines einzigen Vorläufersystems für die Mehrzahl der Ereignisse retten. Zuletzt gibt es damit zum ersten Mal solide Hinweise aus Beobachtungen für die Art und Weise der Zündung von Supernovae: asymmetrische Explosionen, die außerhalb des Zentrums gezündet werden.

“Supernovae vom Typ Ia mit fast identischen photometrischen Eigenschaften können sehr große Unterschiede in ihrer spektralen Entwicklung zeigen,” sagt Keiichi Maeda. “Unsere Studie deutet stark darauf hin, dass diese Supernovae nicht intrinsisch unterschiedlich sind, sondern dass diese Vielfalt allein durch unterschiedliche Blickwinkel zustande kommt. Das Modell vereint neueste Fortschritte in theoretischen und beobachtenden Untersuchungen von Typ Ia Supernovae und unterstützt die Idee, dass asymmetrische Explosionen generell auftreten.”

Originalveröffentlichung

K. Maeda, S. Benetti, M. Stritzinger, F. K. Röpke, G. Folatelli, J. Sollerman, S. Taubenberger, K. Nomoto, G. Leloudas, M. Hamuy, M. Tanaka, P. A. Mazzali and N. Elias-Rosa, "An asymmetric explosion as the origin of spectral evolution diversity in type Ia supernovae", Nature, Vol 466, p82; doi:10.1038/nature09122


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© 2003, Max-Planck-Gesellschaft, München
Letzte Änderung: 23.8.2010