Nadeln im Heuhaufen

1. Mai 2018
Frühere Studien mit vielen Galaxien sowohl bei niedrigen als auch bei hohen Rotverschiebungen, die einen aktiven galaktischen Kern aufweisen, schienen Galaxien-Verschmelzungen als Grund für das Wachstum von Schwarzen Löchern auszuschließen. Eine am MPA entwickelte neue Methode zur Auswahl eines seltenen Typs von aktiven galaktischen Kernen zeigt nun, dass es möglich ist, eine neue Klasse von AGN zu identifizieren, in der sich mehr als 80% der Galaxien als verschmelzende oder interagierende Systeme erweisen - mit klaren Anzeichen für ein wachsendes Schwarzes Loch. Eine detaillierte statistische Analyse zeigt außerdem, dass Verschmelzungen die Bildung von Schwarzen Löchern in den massereichsten Galaxien des lokalen Universums vorantreiben.

Unser Verständnis davon, wie supermassereiche Schwarzer Löcher entstehen, ist noch sehr lückenhaft. Andrzej Soltan zeigte 1982, dass die Summe der Emissionen aller beobachteten Quasare eine bemerkenswert genaue Schätzung der Gesamtmasse der Schwarzen Löcher heute ergibt. Sein Argument basierte auf der erwarteten Umwandlungseffizienz der Ruheenergie der Materie in einer Akkretionsscheibe, die in ein Schwarzes Loch im Zentrum eines Quasars fällt - diese entfernten Objekte sollten somit die wichtigsten Orte für des Wachstum von Schwarzen Löchern im gesamten Universum sein.

Leider sind Quasare aber keine idealen Objekte, um die Mechanismen zu untersuchen, durch die Schwarze Löcher wachsen. Die Emission aus dem zentralen Kern ist um viele Größenordnungen heller als umgebende Wirtsgalaxie, wodurch detaillierte Untersuchungen des Wirtssystems extrem schwierig sind. Aus diesem Grund konzentrieren sich Studien, die die möglichen Mechanismen für das Wachsen von Schwarzen Löchern untersuchen, auf so genannte aktive galaktische Kerne (AGN) vom Typ II. Bei diesen Systemen wird angenommen, dass die Strahlung der Akkretionsscheibe durch eine sehr dichte Gas- und Staubschicht (den sogenannten Torus, siehe Abbildung 1) abgeblockt wird. Große spektroskopische Beobachtungskampagnen von Galaxien wie der Sloan Digital Sky Survey haben einen Katalog von Hunderttausenden nahegelegenen Typ II AGN ergeben, die nach dem Verhältnis ihrer optischen Emissionslinien ausgewählt wurden. Bei höheren Rotverschiebungen werden Typ II AGN üblicherweise bei Röntgenwellenlängen selektiert.

Bisher scheinen Untersuchungen der Wirtsgalaxien dieser Systeme theoretische Szenarien auszuschließen, in denen Schwarzen Löcher bei der Verschmelzung von zwei oder mehr Galaxien wachsen. Simulationen der gravitativen Wechselwirkungen und der Gasdynamik zweier verschmelzender Galaxien zeigen, dass die Gezeitenkräfte zu Stoßwellen im Gas führen, das dadurch Energie verliert und zum Zentrum der Verschmelzung fließt. Man sollte jedoch bedenken, dass energiereiche Prozesse, die sehr nahe am Schwarzen Loch auf das Gas einwirken, nur sehr schwer zuverlässig zu simulieren sind.

Forscher am MPA kombinierten nun mit einer neuen Methode Daten aus mehreren Beobachtungsprogrammen, die mit dem Wide-field Infrared Survey Explorer-Satelliten, dem Very Large Array (VLA) FIRST Survey (Radio Images of the Sky at Twenty-Centimeter) und dem Sloan Digital Sky Survey durchgeführt wurden. Diese Kombination von Daten ermöglicht die zuverlässigere Auswahl einer großen Anzahl von aktiven Galaxien, bei denen eine starke Emission von heißem Staub in einem zentralen Torus abgestrahlt wird. Die Radiodaten erwiesen sich dabei als kritisches Element der Selektion, da es eine große Anzahl von Galaxien gibt, in denen der heiße Staub weit verteilt ist und wahrscheinlich nicht durch das Schwarze Loch aufgeheizt wird. Dies war in früheren Arbeiten nicht berücksichtigt worden.

Die Folgearbeiten zeigten, dass die neue Selektion, die nur 1,6% der Quellen aus früheren AGN-Studien umfasst, Galaxien mit deutlich anderen Eigenschaften ergibt. Mehr als 80% der Galaxien in der neuen Studie sind verschmelzende oder interagierende Systeme. Für viele von ihnen zeigen die Sternspektren starke Aktivitäten der Sternentstehung in den zentralen Regionen. Die Emissionslinien weisen auf stark ionisiertes Gas hin, wobei die Hauptquelle der Ionisation wahrscheinlich ein wachsendes Schwarzes Loch ist und nicht die jungen Sterne im Kern. Die Radioemission ist in der Regel kompakt und zentral gelegen und zu hell, um von den beobachteten jungen Sternen im Kern erklärt zu werden. Mit 1300 Galaxien ist die neue Studie groß genug, um schlüssig zu zeigen, dass diese AGN derzeit den Großteil des Wachstums von Schwarzen Lächern in den massereichsten Galaxien des lokalen Universums markieren - wobei die "normale" AGN-Population in Galaxien mit niedrigerer Masse dominiert.

Die Herausforderung besteht nun darin, sich auch jüngeren Galaxien anzusehen, d.h. diese Studie auf höhere Rotverschiebungen auszudehnen. Die Selektion ähnlicher Galaxien bei höheren Rotverschiebungen erfordert jedoch vergleichbare Datensätze in unterschiedlichen Wellenlängenbändern. Dann können wir untersuchen, wie die wachsenden Schwarzen Löcher in diesen jüngeren Systemen das Gas in und um ihre Wirtsgalaxien beeinflussen.

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