Tsunamis und kleine Kräusel: Auswirkungen skalarer Wellen auf das Screening in der Milchstraße

1. Februar 2018
Modifizierte Gravitationsmodelle enthalten oft eine Form von Abschirmung, um sie in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft auf die allgemeine Relativitätstheorie zu reduzieren. Jüngere Studien haben behauptet, dass skalare Wellen aus astrophysikalischen oder kosmologischen Ereignissen die Abschirmung des Sonnensystems erheblich stören, und die bisher praktikablen modifizierten Gravitationsmodelle außer Kraft setzen können. MPA-Wissenschaftler zeigen nun, dass Störungen für physikalisch relevante Systeme tatsächlich vernachlässigbar sind.

Die allgemeine Relativitätstheorie kann Phänomene in unserem Sonnensystem hervorragend reproduzieren oder vorhersagen, wie z.B. die Beugung des Lichts durch die Sonne. Beobachtungsdaten aus Supernovae deuten jedoch darauf hin, dass sich die Expansion des Universums beschleunigt, was in der Theorie nur mit einem zusätzlichen Element erklärt werden kann. Die allgemeine Relativitätstheorie mit einer kosmologischen Konstante (das sogenannte ΛCDM-Modell) ist konsistent mit allen aktuellen Beobachtungen - wird aber von dem berüchtigten Problem geplagt, dass bisher niemand die physikalische Natur dieser Konstante erklären konnte.

Eine Alternative besteht darin, eine Gravitationstheorie zu betrachten, die sich im Sonnensystem auf die allgemeine Relativitätstheorie reduziert, aber auf kosmologischen Skalen anders arbeitet, so dass sie automatisch für die beschleunigte Expansion verantwortlich ist. In unserer Analyse stellen wir ein skalares Feld vor, das mit Materie interagiert, wodurch eine fünfte Kraft entsteht, so dass Materie von ihren Geodäten abweicht. Darüber hinaus hängt die Interaktion von der Zusammensetzung eines massereichen Körpers ab und ermöglicht so ein von der Umgebung abhängiges Verhalten.

Diese umgebungsabhängige, spezifisch lokale Materiedichte können wir nutzen, um Abweichungen von der allgemeinen Relativitätstheorie auf großen Skalen zu erlauben und lästige Modifikationen im Sonnensystem zu verbergen. Dies wird als“ Screening“ bezeichnet. Zwei Beispiele für Screening-Mechanismen sind der Symmetron- und der Chamäleon-Mechanismus. Der Symmetron-Mechanismus unterdrückt die Kopplung des Feldes an Materie in Regionen mit hoher Dichte, d.h. ihre Wechselwirkung wird unterdrückt; während die effektive Masse des Chamäleonfeldes dort zunimmt, wo eine höhere Dichte herrscht. Dies führt zu einer sehr kurz-reichweitigen fünften Kraft, die für die makroskopische Dynamik irrelevant ist.

Bis vor kurzem wurden diese Screening-Mechanismen im Rahmen der quasistatischen Approximation untersucht. Das heißt, man nimmt die Bewegungsgleichung und geht davon aus, dass sich das skalare Feld sehr langsam entwickelt. Wir können dann Zeitableitungen vernachlässigen und erhalten die bekannte Poisson-Gleichung, wie in der Newtonschen Gravitation, die keine Wellenausbreitung zulässt.

In neueren kosmologischen Simulationen wurden jedoch Symmetriewellen gefunden, wenn die quasistatische Annäherung aufgeweicht wird. Solche skalaren Wellen entstehen, weil das Symmetriemodell zwei verschiedene Vakuumzustände in Regionen mit niedriger Dichte zulässt. Ein kleiner Bereich des Raumes kann spontan seinen Vakuumzustand umkehren, um sich seinem Nachbarn anzupassen, was energetisch günstiger ist. Eine weitere Quelle skalarer Wellen sind energiereiche astrophysikalische Ereignisse wie Supernova-Explosionen, bei denen weniger dichte - also nicht abgeschirmte - massereiche Sterne in hochdichte Neutronensterne oder schwarze Löcher kollabieren, die abgeschirmt werden.

Im konkreten Fall unseres Sonnensystems sollte der massereiche Halo der Milchstraße unsere Nachbarschaft "abschirmen" und das Modell lokal auf die allgemeine Relativitätstheorie reduzieren. Es wurde jedoch vermutet, dass skalare Wellen aus kosmologischen und astrophysikalischen Quellen diese Abschirmung sichtbar stören können, so dass ein Lichtstrahl beim Vorbeigehen an der Sonne eine deutlich andere Beugung erfahren könnte.

Wie in anderen Studien gezeigt, kann eine ankommende sphärische Symmetriewelle, die auf dem Halo der Milchstraße zentriert ist, das Screening erheblich stören. Diese Effekte könnten sogar möglicherweise gegen die derzeitigen Beobachtungsgrenzen verstoßen und damit bisher praktikable Modelle ausschließen. Allerdings sind planare Wellen die physikalisch relevantere Wellenkonfiguration.

Bei astrophysikalischen Ereignissen mit einer sehr weit von uns entfernten Quelle sollte die Annahme von planaren Wellen sehr genau sein. Für Wellen kosmologischen Ursprungs, die hier nur für die Symmetriemodelle relevant sind, ist die genaue Form der einfallenden Welle weniger offensichtlich, da sie im gesamten Universum erzeugt werden und wir nicht unbedingt im Fernfeld liegen. Dennoch kann man davon ausgehen, dass sie als Überlagerung ebener Wellen mit zufälligen Wellenvektoren und -phasen dargestellt werden können.

Dieser Vorbehalt motivierte uns, ein besseres physikalisches Verständnis dieses Szenarios zu erlangen. Wir untersuchten den Einfluss skalarer Wellen quantitativ, indem wir die in der Wellenamplitude linearisierte Vollfeldgleichung lösten. Wir stellen fest, dass im Inneren des Halos das Feld durch Abschirmung massiv wird, was bedeutet, dass sich seine Phasengeschwindigkeit ändert. Analog zur Brechung von Lichtwellen beim Durchgang durch Wasser werden die Wellenfronten somit gebogen.

Wir untersuchten sodann die Wirkung der Wellen auf die Abweichung von der allgemeinen Relativitätstheorie in der Nähe der Position des Sonnensystems im Halo. Wir stellen fest, dass planare eintreffende Wellen wesentlich weniger störend sind als ihre sphärischen Pendants. Dies ist rein geometrischen Ursprungs. Sphärische Wellen fokussieren eine große Menge an Energie auf die inneren Teile des Halos, wo sich das Sonnensystem befindet, während die physikalischeren planaren Wellen dies nicht tun.

Während sich also Wellen in symmetrischen Modellen im Halo ausbreiten und potentiell Konsequenzen für Modelle haben könnten, die nur am Rande abgeschirmt sind, sind die Effekte viel kleiner als bisher angenommen. Dennoch müssen die Auswirkungen anderer Faktoren, wie das Dichteprofil des Halos und die Parameter des Modells und der eintreffenden Welle, noch erforscht werden.

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